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Wirtschaftskommentar

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Di Apokalypse der europäischen Staatenwelt im ersten Weltkrieg brachte in direkter Nachfolge die beiden heuie bestimmenden Weltmächte, die USA und die Sowjetunion, hervor. Während sich jedoch die eine Macht zunächst ganz von der Außenwelt abzuschließen begann, setzte die andere mit gleichen Mitteln das alte europäische imperiale Konzept fort: durch Anlage von Kapital in fremden Ländern nicht nur Gewinne zu machen, sondern auch zu politischer Einflußnahme zu gelangen.

Am Vorabend der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 haften die USA bereits gut die Hälfte sämtlicher Aus- landsanlagen der Welt in Händen, und mit der währungsfechnischen Manipulation des Dollars durch die unerwartet starke Abwertung des Dollars im Jahre 1934 gelang e den USA, die Basis für kommende Epochen des Kapifalimperiallsmus noch gewaltig zu verbreitern: bis zum Beginn des Krieges stiegen die Goldreserven in Fort Knox auf mehr als 60 Prozent der gesamten Weltreserven, um 1945 schließlich, nach dem zweiten Desaster der europäischen Staatenwelt, fast 80 Prozent zu erreichen.

Was an den amerikanischen Investitionen so sehr stört, ist nicht der undefinierbare Einfluß einer fremden Macht in unserem Wirtschaftsleben, noch gar der eines fremden Kullurkreises oder eines politisch nicht ganz geheuren Partners. Was stört, ist vielmehr die Art und Weise, wie es zu den amerikanischen Investitionen gekommen ist — und offenbar immer noch kommt. Hier setzt das Unbehagen ein — und hier sollte die deutsche Politik eingreifen um Fairneß und Chancengleichheit im ökonomischen Prozeß diesseits und jenseits des Atlantiks wiederherzustellen.

Es fällt auf, daß fast ausschließlich die größten der amerikanischen Industriegiganten sich in Deutschland engagieren. Neben älteren Investitionen auf dem Automobil- und Fahrzeugsektor (Ford, General Motors, Deer) und in der Mineralölbranche (Standard Oil, Socony, Texaco) lichten in letzter Zeit zunehmend auch andere US-Firmen den Wald der leistungsfähigen deutschen mittleren Industrie: REI wurde von Procter & x0026; Gamble gekauft, die Trüller-Keks- fabriken von NABISCO, Buer (Lecithin) von Pfizer, Vasenol van POND's, KUBA von General Electric; wieder andere Marktbeherrscher von drüben errichten neue Fabriken, wie du Pont und IBM. Damit legen diese Unternehmen, die ausnahmslos unter den ersten 50 der größten Unternehmungen der Welt zu finden sind, ihre amerikanischen Gewinne in Deutschland an.

Diese Tendenz dürfte sich noch verstärken, da seit kurzem im amerikanischen Anti-Trust-Amt ein neuer Wind weht und die Großen es sehr schwer haben, US-Firmen aufzukaufen, ohne aufzufallen. Daß die besagten Mammutfirmen ihre Gewinne dabei nicht nur ökonomisch deduzierbaren Leistungsvorsprüngen, sondern vor allem ihrer durch keinerlei ausländische Konkurrenz behelligten Marktstellung zu verdanken haben, ist klar: Seit Menschengedenken haben die USA die höchsten Zölle der Welt.

Höchst anregend für den Kapitalabfluß in Richtung Deutschland ist in den letzten Jahren die offenkundige Zinsdifferenz zwischen beiden Ländern gewesen. Die USA hatten als Anhänger der ökonomischen Lehren des Keynesianismus jahrelang eine Politik des billigen Ge'des gefördert. Damit, so meinte man, würden die Unternehmungen ehei bereif sein, sich zu produktiven Zwecken zu verschulden, um die Vohbeschäf- tigung zu erreichen. Die Niedr g-Zins- Folitik bewirkte jedoch, daß man sich in den USA nicht nur zu produktiven, sondern mehr zu spekulativen Zwecken verschuldete. Die mit den zinsgünstigen europäischen Investitionen verdienten Gelder reichten bei weitem hin, die amerikanischen Kapitalkosten zu decken.

Damit läßt sich auch die immer wieder überraschende Flüssigkeit des amerikanischen Kapitalmarktes erklären. So konnten beispielsweise allein in einer Juniwoche mehr als 1,2 Mrd. DM unlergebracht werden, eine kurz darauf aufgelegte Weltbankanleihe von 600 Mill. DM erbrachte sogar ein Aufgeld — Dinge, von denen man in Deutschland schon gar nicht mehr zu träumen wagt.

Das Stichwort „Zahlungsbilanz steht schließlich auch für den entscheidendsten Anlaß amerikanischer Transaktionen zu unseren Ungunsten. Um hier Fabriken kaufen oder bauen zu können, braucht man natürlich D-Mark. Nun sind die ehemals vorhandenen Nachkriegsreserven der USA infolge echter oder eingebildeter internationaler Verpflichtungen längst in die Tresore der europäischen Notenbanken gewandert. Da der Dollar obendrein noch an das Gold gebunden ist, muß ein bestimmter Teil der ausgegebenen Doliar- währung durch Gold „gedeckt' sein. Der kritische Punkt in der Golddeckung ist bereits seit einiger Zeit erreicht, was eigentlich bedeuten würde, daß sich die Amerikaner keine passive Zahlungsbilanz, also weiteren Goldabfluß mehr leisten könnten.

Die entsprechenden Versuche, die Zahlungsbilanz zu aktivieren, sind uns Deutschen seit den Zeiten des „Hähnchenkrieges" noch gut in Erinnerung. Heute erleben wir die Variante mit dem von uns zu leistenden „Devisenausgleich' in Höhe von vier Milliarden D-Mark, aber den McNamara und Rnanzminister Fowler bereits befunden haben.

Wir helfen den Amerikanern jedoch noch ganz anders. Unsere oberste Währungsbehörde, die Deutsche Bundesbank, gehört zum Kreis der Notenbanken, die den Amerikanern in steigendem Umfang kurzfristige Kredite zur Abdeckung 'ihrer Defizite zur Verfügung stellen. Im Frühahr 1966 erreichte man immerhin schon 24 Milliarden D-Markl Außerdem dürfen die Amerikaner noch in Form der sogenannten Roosa-Bonds praktisch deutsches Geld drucken: Was in Washington jeweils an D-Mark gebraucht wird — ganz gleich für welchen Zweck, also auch für Investitionen amerikanischer Industriegiganten in bundesrepublikanischer Landschaft —, geht in Form von Schatzanweisungen der US-Regierung, die auf D-Mark (!) lauten, ins Portefeuille der Deutschen Bundesbank nach Frankfurt — und schon sind die gewünschten Devisen da.

Mit anderen Worten: Deutschland kauft die amerikanischen Investitionen im Grunde selbst, um sie anschließend an die Amerikaner zu verschenken; Der Preis: Steigendes Preisniveau in Deutschland, da diese Notenbanken- Untereinander-Kredite sämtlich zusätzliche Inlandskaufkraft darstellen, das heißt, zusätzliche Nachfrage bei gleichbleibendem Güterangebof.

Den privaten amerikanischen Anliegern selbst kann dabei natürlich kein Vorwurf gemacht werden, sie wollen nur, was ganz vernünftig ist, Gewinne machen. Wieviel sie vom Geschäft verstehen, zeigt auch die Zielstrebigkeit, mit der die Investitionen placiert werden: 50 Prozent der Mittel wurden hier in den vier Wachstumsindustrien Mineralöl, Fahrzeug- und Maschinenbau, Chemie, angelegt — sicher und zukunftsträchtig.

Ein unmißverständliches Wort zur rechten Zeit, das heißt bald, wird seine Wirkung kaum verfehlen. Gleich den französischen Weg zu gehen, wäre verfrüht — Ausfälle im de Gaulieschen Neukaledonienstil zeigen in Wirklichkeit nur bedauerliche Plumpheit. Die internationale Finanz- und Währungspolitik muß ob ihrer systemimanenten Kompliziertheit auf der Grundlage ökonomischen Sach- verstandes im echten Sinne politisch, das heißt kunstvoll im Rahmen des Möglichen gehandhabt werden.

Paul G. Martin: „Die Dollar-Invasion” (Bonn)

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