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Nach einer schwarzen Woche starteten die Börsen am Montag mit Jubel. Doch selbst zwei Billionen Euro an Garantien durch die EU-Regierungen schafft kein nachhaltiges Klima des Vertrauens. Währenddessen nimmt die Zahl der „einfachen“ Verlierer zu.

Die Horrormeldungen in den Medien über die Krise an den Finanzmärkten haben sich vergangene Woche überschlagen. Begriffe wie die „schwarze Woche“ waren schnell zur Hand, um das auszudrücken, was an den Börsen geschah.

Ob man es damit schafft, die Krise begreifbar zu machen, steht auf einem anderen Blatt. Der Wiener Leitindex ATX (Austrian Traded Index), der die Kursbewegungen der 20 größten börsennotierten Unternehmen abbildet, fuhr in der vergangenen Woche einen historischen Verlust von 8,7 Prozent ein und sogar der Handel wurde am 10. Oktober für einige Stunden ausgesetzt. Am Montag den 13. Oktober drehte sich allerdings das Blatt und der Index schoss wie noch nie um satte 12,8 Prozent hinauf.

Irrational das Ganze? Laut Professorin Gerlinde Fellner, Volkswirtschafterin und Psychologin an der Wiener Wirtschaftsuniversität, sind selbst diese auf den erste Blick irrationalen Kurssprünge rational zu erklären. Denn, wenn „alle“ verkaufen, denken sich die Anleger – auch wenn sie wider besseres Wissen handeln –, dass die Mehrheit nicht falsch liegen könne. Und somit werden Wertpapiere gekauft oder verkauft, je nachdem, wie sich die Mehrheit entscheidet. „Die Meinungen, die die eigene unterstützen, nimmt man stärker wahr als jene, die konträr zur eigenen Meinung stehen. Man sucht nach Bestätigung des momentanen Trends“, sagt Fellner.

Die Wahrnehmung spielt ebenso eine große Rolle. Niemand hätte noch vor dem letzten schwarzen Freitag geglaubt, dass die Länder der Euro- Zone derartig mit einer gemeinsamen Stimme sprechen würden.

EU hilft mit Billionen

Doch es geschah. Zeitgleich traten diesen Montag unter anderem in Wien, Berlin, Madrid und Paris die Regierungs- und Staatschefs vor die Presse, um zu verkünden, wie sie in ihren Ländern die angeschlagenen Finanzmärkten unterstützen wollen. Jedes Land auf seine Weise, aber in einer akkordierten Art, wie sie in der EU schon seit Langem nicht mehr zu sehen war. Österreich schnürte ein 100 Milliarden Euro Paket, das nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen im Bedarfsfall unter die Arme greifen soll. Der größte Teil mit 85 Milliarden Euro steht für Ausfallshaftungen im Interbankengeschäft zur Verfügung. Wenn also eine Bank einer anderen Bank einen Kredit gibt und dieser nicht zurückgezahlt werden kann, springt der Staat ein. Weit weniger, 15 Milliarden Euro, werden dafür reserviert, dass der Staat Anteile an Banken – wenn notwendig – erwerben kann. Die verschiedenen Rettungspakete innerhalb der EU halfen dann eine Zeit lang – weltweit – und die Börsen drehten am Montag und Dienstag dieser Woche zuerst zweistellig, dann einstellig ins Plus. Etwas anderes wäre undenkbar gewesen. Viele Beobachter fragten sich schon, wie vieler Milliarden es denn noch bedürfe, bis wieder etwas Vertrauen zwischen den Banken herrsche. Das EU-Notfallspaket von in Summe mehr als zweitausend Milliarden Euro (oder mehr als zwei Billionen Euro) brachte also Bewegung in die Märkte. Was noch lange nicht heißt, dass die Krise ausgestanden ist.

Die Krise ist nicht vorbei

Und so kam bereits am Mittwoch die Ernüchterung: Die Rezessionsängste in den USA und in Europa ließen die Anleger wieder ihren guten Glauben in die Unternehmen verlieren. Die Leitindizes fielen wieder. Somit ist es amtlich, dass die Krise bei Weitem noch nicht ausgestanden ist und die Volkswirtschaften vielmehr noch immer am Beginn eines Abschwungs stehen. Kein Wunder, fehlen doch weiterhin Beschlüsse für eine nachhaltige Sanierung der Kapitalmärkte. Beim EU-Gipfel in Brüssel war die Finanzkrise eines der ganz großen Themen. Zur Diskussion standen die Überwachung von Rating-Agenturen, die Regulierung von Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. Ebenso wurde ein Frühwarnsystem diskutiert, in das die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Präsident der Euro-Gruppe involviert sein soll.

Kritiker sehen darin aber immer noch keine substanzielle Reform der Kapitalmärkte, denn was wirklich fehle, sei eine EU-weite Finanzmarktaufsicht mit Durchschlagskraft. Es ist aber fraglich, ob diese rasch eingeführt wird, da sich viele Regierungen mit dieser Idee nicht anfreunden können. Weiter wird die Regulierung von Hedgefonds nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben, da sich die meisten auf Steuerparadiesen wie den Cayman Inseln befinden. Dort, wohin der Einfluss der EU nicht reicht. Zumindest konnten sich die Staats- und Regierungschefs darauf einigen, dass in diesem Jahr noch ein Gipfel der G8-Staaten mit den aufstrebenden Schwellenländern abzuhalten ist, um sich Gedanken über die Finanzmarktsituation der Welt zu machen.

Neben den hinlänglich bekannten Immobilienbesitzern in den USA stehen vor allem Kleinanleger, Arbeiter von internationalen Konzernen, sozial Schwache, Schuldner auf der Seite der Verlierer. Stefan Proschofsky, Chefanalyst des Austria Börsenbrief, sieht aber nicht nur die kleinen Anleger als Verlierer. Schließlich haben ebenso die großen verloren, und jeder tat es auf sein eigenes Risiko hin. Der eifrige Blogger gibt aber zu, dass natürlich die Verluste bei den kleinen viel schwerer wiegen. Generell gibt der Anlegerschützer zu bedenken, dass die Kleinanlegerkultur in Österreich sehr schwach ausgeprägt ist. Dies sei in Deutschland besser. Sein Tipp für den Moment ist Ruhe bewahren, denn die Unternehmen brauchen das Kapital. Und jetzt könne man Anteile an stabilen Unternehmen weit unter Wert kaufen. Damit ist ein solider Gewinn möglich, wenn man genügend Atem hat. „Schließlich helfen, wenn ein Finanz-Armageddon kommt, weder Sparstrumpf noch Staatsanleihen: Dann hat man höchstens mehr Papier zum Heizen.“

Strenge Regeln gefordert

Mit so viel Sarkasmus blickt der Betriebsrat von Magna Steyr, Peter Scherz, nicht in die Zukunft. Bei ihm kommt eher Wut hoch, denn er sieht vor allem, dass von den einzelnen Arbeitern immer mehr verlangt wird, die Arbeitsleistung selbst aber stets weniger wert ist. Der Betriebsrat des Unternehmens, das nun 2600 Arbeiter von November bis Februar kommenden Jahres auf Kurzarbeit schickt, verlangt vor allem ein strenges Reglement für die Kapitalmärkte, damit sich dieses Debakel nicht wiederholt. Magna Steyr ist mit seinen starken Geschäftsverbindungen in die USA eines der ersten großen Unternehmen im Land, das durch die globale Finanzkrise reelle Auftragsprobleme bekommen hat.

Franz Küberl, Präsident der Caritas Österreich, weist auf die Schwachen in der Gesellschaft hin: „Es darf jetzt zu keiner sozialpolitischen Magersucht kommen.“ Er fordert weiter, dass die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht weiter hinausgezögert wird.

Der Chef der Schuldnerberatung Wien, Alexander Mali, gibt zu bedenken, dass vor allem die privaten Häuslbauer, die einen Fremdwährungskredit aufgenommen haben, der mit einem sogenannten Tilgungsträger versehen ist, zu den Langzeitgeschädigten zählen werden. Denn diese Anlageprodukte, die mit dem Argument verkauft wurden, dass am Ende der Laufzeit damit der Kredit getilgt werden könne, werden nun viel weniger einbringen als noch bei Abschluss. „Diesen Kreditnehmern werden Schulden übrigbleiben. Das ist eine richtige Zeitbombe.“

2000

Milliarden oder anders ausgedrückt zwei Billionen Euro an Garantien haben die Länder der EU bis dato in einem Rettungspaket für die kranken Finanzmärkte zusammen getragen. Das Ende der Krise konnte man sich damit nicht erkaufen.

„Wenn ‚alle‘ verkaufen, denken sich die Anleger – auch wenn sie wider besseren Wissens handeln –, dass die Mehrheit nicht falsch liegen kann.“

„Die Börsen drehten bereits am Mittwoch wieder ins Minus. Die Rezessionsängste in den USA und in Europa nahm den Anlegern den Glauben an die Zukunft.“

„Wenn Armageddon kommt, dann helfen weder Sparstrumpf noch Staatsanleihen: Dann hat man nur mehr Papier zum Heizen.“

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