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Die Realwirtschaft braucht die Finanzmärkte, aber die Finanzmärkte bedingen eine reale Wirtschaft nur mehr zum Teil. Immer öfter führen hohe liquide Mittel zu "Blasen". Der Ruf nach Regeln wird lauter.

Sind die globalen Finanzmärkte noch Teil der Realwirtschaft, oder sind beide bereits derart abgekoppelt voneinander, dass sie nur noch bedingt etwas miteinander zu tun haben? Diese Frage kommt einem rasch in den Sinn, wenn man sich mit den weltweiten Finanzmärkten beschäftigt und Regulierungsversuche wie die Tobinsteuer neu durchdenkt. So stellten auch die Globalisierungskritiker von Attac anlässlich des zehnjährigen Bestehens ihres Netzwerkes und der Buchpräsentation "Tobinsteuer" von Cornelia Staritz diese Frage.

Die Zahlen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich belegen deutlich die Abkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft: Von 2004 bis 2007 stieg das Volumen des internationalen Devisenhandels um 71 Prozent, der Welthandel wuchs aber im Vergleichszeitraum nur um 20 Prozent. Das heißt, es werden nicht nur Währungen getauscht, weil realwirtschaftliche Geschäfte dahinterstehen, sondern ein beträchtlicher Teil des Devisenhandels findet statt, um durch den Handel mit Währungen Geld zu verdienen. Laut Attac-Gründungsmitglied Christian Felber ist der Devisenhandel heute 20-mal so groß wie der Welthandel selbst. Nicht anders sieht es am Derivate-Markt (Erklärung Kasten auf Seite 4) aus, auf dem laut Staritz täglich das 60-Fache der weltweiten Wirtschaftsleistung gehandelt wird. Die Rolle des Finanzmarktes ist heute nicht mehr die Investitionsfinanzierung, sondern das Finanzinvestment selbst, sagt Staritz.

Zu viel Geld ist im Markt

Die Devisenmärkte sind überliquide, es ist sehr viel Geld im Umlauf, denn die Kapitalgeber (z.B. Fondsgesellschaften) suchen verstärkt im Finanzmarkt nach Anlagemöglichkeiten, die ausreichend Renditen bringen, denn in die reale Wirtschaft zu investieren, würde beileibe nicht diese hohen Gewinne erbringen. Gründe für diese Zunahme an Mitteln sind u.a. wenig regulierte Finanzmärkte und die neue Art der Pensionsvorsorge. In Industriestaaten müssen Arbeitnehmer verstärkt selbst für ihre Pension vorsorgen und zahlen in private Pensionskassen ein. Diese Kassen investieren auch am Finanzmarkt und sind auf der Suche nach hohen Renditen für ihre Geldgeber. Dies führte in der Vergangenheit zur "Blasenbildung", sei es die "Südost-Asien-Krise", die "Dot-Com-Krise" oder zuletzt die "US-Hypothekenkrise". Diese Krisen haben Gemeinsamkeiten: der möglichst freie Kapitalverkehr ermöglich die Zufuhr von ausländischem Kapital angelockt durch günstige Wachstumszahlen aus der realen Wirtschaft, bald schon aber sind die realen Projekte, in die man investieren kann, vergeben, man beginnt nun auch jenen Menschen und Firmen Kredite zu geben, die unter "normalen" Voraussetzungen keinen Kredit bekommen. So lange die Wachstumsraten steigen, trägt sich das System selbst, doch über kurz oder lang platzt die Blase. Meist dann, wenn Kredite fällig werden und die Schuldner nicht zahlen können. Dann versuchen die großen Marktteilnehmer ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, alle machen es ihnen nach und ein zu Beginn als prosperierend geltender Markt - wie Ende des vergangenen Jahrhunderts die Internet-Branche - sucht vergebens nach Kapitalgebern. Auf einmal zählen Versprechen von großen Gewinnen in der Zukunft nichts mehr, dann zählen nur mehr harte Fakten.

Regulierung fehlt

Die Überprüfung von Fakten mittels Genehmigungsverfahren fordert Attac seit langem in puncto Derivate, die ein Hauptgrund für die US-Hypothekenkrise darstellten. Es wurden Derivate aus sicheren und unsicheren Krediten gebildet und weiterverkauft. Beliebt wurden diese "Kreditbündel" aber erst, als sie durch die Rating-Agenturen mit Bestnoten ausgestattet wurden (aus heutiger Sicht zu gut). Rating-Agenturen werden von den Banken beauftragt, ihre Produkte zu bewerten. Und hier liegt das Problem des privaten Ratingsystems, denn dem Auftraggeber ein schlechtes Zeugnis für das zu überprüfende Produkt auszustellen, ist für eine Firma, die auf Folgeaufträge hofft, heikel. Darum ist Attac für ein öffentliches Ratingsystem von Finanzmarktprodukten, das bestmöglich in einer globalen Finanzmarktaufsicht angesiedelt ist.

Uta Pock, Volkswirtin bei der Investkredit, geht davon aus, dass die Devisenmärkte generell funktionieren, und ist deshalb wenig erfreut, wenn der Ruf nach mehr Regulierung erklingt. Sie kann aber einer Devisentransaktionsgebühr von 0,01 Prozent zum Beispiel zur Erhöhung der Eigenmittel der EU etwas abgewinnen: "Dies würde die Märkte lediglich auf den Stand von vor ein paar Jahren zurückwerfen, und da waren sie auch effektiv." Von hohen Steuersätzen hält sie aber nichts, denn diese würden zu noch höheren Kursschwankungen führen, da viele Marktteilnehmer erst auf größere Marktbewegungen warten würden, um dann ihre Transaktionen zu machen.

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