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Wirtschaftskommentar

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Oie Überfremdung der österreichischen Wirtschaft hat viele Ursachen und ist nicht allein in einer unzureichenden Kapitalausstattung begründet.

Vielfach, und interpretiert an Einzelfällen, hat man den Eindruck, daß verkaufswillige österreichische Eigentümer zuweilen keine ausreichende Risikobereitschaft haben; sie wollen zwar Gewinn, meinen aber Rente. Daher die Flucht in den Verkauf. Man ist dann zwar noch „Kapitalist", nicht aber dem Wechselspiel der Warenmärkte ausgesetzt. Spekulativ eingesetztes Vermögen ist zu Anlagevermögen geworden.

Ein nicht unwesentlicher Grund für den allzu raschen Erwerb österreichischer Unternehmungen durch Ausländer scheint auch der falsche (weil zu niedrige) Wechselkurs und die Tatsache zu sein, daß österreichische Unternehmungen oft nicht nach dem prospektiven Erfragswert, sondern lediglich auf der Basis eines Vermögensstafus bewerfet werden. Die Folge: Ein besonders attraktiver Preis, der erheblich unter dem Erfragswert liegt.

Man erwirbt heute nicht allein Betriebe, Sachvermögen und positiven Firmenwerf, sondern meist auch die zugehörige fachlich gute Belegschaft, deren Vorhandensein eine Expansion von arbeifskrafforientierten Betrieben oft erst möglich macht. In nicht wenigen Fällen ist der Ankauf eines österreichischen Unternehmens nur eine Form verdeckten Menschenhandels.

Die Löhne sind, weil die Arbeitsleistung meist auf internationalen Märkten verwertet wird, in Österreich relativ niedrig, so daß man fast von einem Lohndumping sprechen kann. Daher erwirbt der ausländische Eigentümer nicht nur eine anderswo bereits knappe und eingearbeitete Facharbeiterschaft, sondern auch noch niedrige Lohntarife.

Wer in Österreich Fuß faßf, kauft auch Nachfragequofen auf internationalen Märkten, zu denen dem Ausländer sonst der unbehinderte Zugang fehlen würde. Daher wird vom Ausland beim Kauf österreichischer Unternehmungen auch noch der scheinbar nicht zu kommerzialisierende neutrale Status des Landes als Morgengabe kostenlos miferwor- ben.

Nicht wenig Bedeutung hat auch die hohe Liquidität mancher ausländischer Kapitalexporteure, die im eigenen Land oft keine ausreichenden Anlagechancen finden, ebenso die nicht immer profitable Verwertung von Patenten, die nun in Österreich in einem übernommenen Unternehmen in Herstellungsverfahren umgewandelt werden können.

Eine Ansiedlung ausländischen Kapitals stellt auch eine Form der Umgehung der Zollbarrieren und aller Formen des administrativen Protektionismus dar, weil man nun formell austrifiziert ist.

Schließlich hat auch noch die Fremdenseligkeif so mancher lokaler Politiker und Beamter die Qualität einer zusätzlichen Attraktion. Nicht wenigen ausländischen Unternehmungen werden Bonifikationen eingeräumt, die man „Eingeborenen" nicht zu geben bereit ist: Bis zur Groteske, daß man Ausländern Kredite aus österreichischen Fonds gewährt, die von den Kreditnehmern aus Gewinnen zurückgezahlf werden, so daß eigentlich österreichische Sparer indirekt die Etablierung ausländischen Kapitals im Inland finanzieren helfen.

Die Errichtung von Unternehmungen erfolgt meist in Form der Übernahme bisher österreichischen Eigentums, wodurch zumindest die Worfmarke weiterbestehen bleibt und ausgenufzt werden kann. Daneben kommt es zur Verstärkung des ausländischen Alfbesitzes (der Tochtergesellschaften).

Die Folge der Überfremdung zeigt sich im Tatbestand, daß in manchen

Branchen der Koeffizient des ausländischen Kapitals und dadurch dessen Dispositionsmacht bedenkliche Ausmaße angenommen hat, etwa im Warenhaussektor oder bei einzelnen Haushaltsgeräten. Die Überfremdung isf auch im Nachrichtensektor merkbar. Bei der Bildpresse isf es bereits so, daß wir derzeit keine einzige österreichische Bildzeitung haben, trotz gewisser jedoch täuschender Behauptungen bzw. Österreichausgaben, so daß bestenfalls unsere Skikanonen noch einer Bildpublikation gewürdigt werden. Man würde sich hierzulande auch nicht mehr wundern, sollten Pläne auffauchen (wie in Luxemburg), Rundfunk und Fernsehen an einen ausländischen Konzern zu übereignen. Bei Tageszeitungen gibt es ohnedies zeitweilig Bestrebungen dieser Art, die nur deswegen noch nicht durchgesetzt werden konnten, weil die Tagespresse vielfach den Charakter eines Zuschußunfernehmens hat

Die tatsächliche oder sogenannte Überfremdung ist keine österreichische Angelegenheit, wenn auch in Österreich Bedingungen gegeben sind, welche den Erwerb österreichischer Unternehmungen durch Ausländer ungemein erleichtern. Die wirtschaftliche Integration isf nun einmal eine grenzüberschreitende Angelegenheit. Der internationale Kapitalfransport, der Ausgleich der Kapitalvorräte liegt in der Natur gegenwärtiger großräumiger Wirtschaft und ist an sich nicht zu bremsen. Worum es geht, ist die Vermeidung einer oft bedenklichen Einseitigkeit im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr, die schließlich ab einem kritischen Aggregatzustand zu politischer Abhängigkeit führen kann, aber auch zu einer wirtschaftlichen Domestizierung.

Die BRD hat zwischen 1. Jänner 1962 und 30. Juni 1965 vier Milliarden DM im Ausland investiert. In der BRD wurden im gleichen Zeitraum 6,2 Milliarden Fremdkapifal veranlagt. Noch eindeutiger isf die Einseitigkeit im Kapitalexport zwischen den USA und Europa (wie man einem Monatsbericht der CA entnehmen kann): Die USA haben bis Ende 1964 nicht weniger als 11,8 Milliarden Dollar in Europa investiert (das ist ein Viertel der Auslandsinvestitionen), davon 4,3 Milliarden im Vereinigten Königreich, 5,3 Milliarden im EWG- Raum und 800 Milliopen in der Schweiz, wobei dort die Kapitalanlagen aus steuerlichen Gründen oft nur fiktiv, das heißt buchungstechnisch, erfolgt sind.

Die strukturelle Einseitigkeit in der Kapifalbilanz der USA zeigt sich in den Gewinnrückflüssen (1963 Europa: 0,5 Milliarden Gewinnrückfluß bei einem Kapitalexport von 1,5 Milliarden).

Ingesamf betrugen die Kapitalerträge der USA im Jahre 1964 fünf Milliarden Dollar, während nur 4,4 Milliarden im Ausland investiert worden sind, wohl eine Folge der Empfehlungen der USA-Regierung, den Kapitalexport in allen Formen zu reduzieren.

Es wäre jedenfalls ein Anachronismus und eine unangemessene Distanzierung von der wirtschaftlichen Wirklichkeit, wollte man einer kapitalmäßigen Autarkie das Wort reden. Dagegen sollte man das relative Ausmaß ausländischen Kapitals, das erst eine Überfremdung anzuzeigen vermag, ebenso beachten wie das Problem völlig unnützen Abverkaufs österreichischen Vermögens. Gerade die enge Verbindung von Wirtschaft und einer deren Bedingungen reflektierenden Politik lassen vermuten, daß eine Überfremdung der Wirtschaft in kritischen Situationen sehr wohl zu einer Überfremdung auch in der Politik zu führen vermag, vor allem wenn die Ausländer nicht Kreditgeber, sondern Unternehmungseigentümer sind, das heißt nicht nur über Kapital allein, sondern über Menschen disponieren können.

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