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Wirtschaftskommentar

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Die Probleme, die sich aus einer wirtschaftlichen Überfremdung ergeben, werden weithin nur unter ökonomischen Aspekten gesehen und dementsprechend interpretiert. Tatsächlich hat aber jede wirtschaftliche Überfremdung auch politische, kulturelle und soziale Sekundärwirkungen, die nicht übersehen werden dürfen, weil sich schließlich der Ablauf des Lebens eines Volkes nicht, wie orthodoxe Marxisten meinen, in einer organisiert-kollektiven Form der materiellen Bedürfnisbefriedigung erschöpft.

Die sozialen Effekte der wirtschaftlichen Überfremdung, mit denen wir uns diesmal beschäftigen wollen, zeigen sich aber nicht irgendwann in Grenzsifuationen wie die politischen Wirkungen, sondern notwendigerweise synchron mit der Konstitution ökonomischer Vormacht von ausländischen Investoren, sobald diese im Rahmen des Einsatzes ihres Kapitals Arbeitskräfte in Engagement nehmen.

Wenn sich ein Nichfösterreicher als Investor etabliert, also einen Betrieb gegründet hat, wird er das sogenannte Top-Management (die Führungsspitze des Unternehmens) mit seinen Landsleuten besetzen; sei es aus sprachlichen Gründen, sei es deshalb, weil er sich nicht nur als Investor, sondern auch als Kolonisator fühlt. Und weil er den „Eingeborenen" einfach nicht recht traut. Das ist keine Ausnahme, sondern bisher weitgehend, wenn auch keineswegs ausschließlich, so gewesen.

Ähnlich, wenn auch nicht genau so, ist es mit der Besetzung der Posten mittlerer Führung. Man engagiert dafür Österreicher nur, damit sie bei den Behörden intervenieren, als Dolmetscher zur eingeborenen Bevölkerung fungieren und da, wo es sich um den unmittelbaren Kundendienst handelt. Die Basis der Belegschaft, der Sockel der Belegschaftshierarchie, wird dagegen von „Eingeborenen’ besetzt.

Es kann nicht mehr übersehen werden, daß sich die Diskriminierung der österreichischen Jugend vor allem in bestimmten Branchen bedenklich stabilisiert hat. Während man auf Seite der Gewerkschaften zuweilen gegen den lohndrückend empfundenen „Import’ von Fremdarbeitern heftig opponiert, wird, mangels Zuständigkeit, gegen die „Einfuhr" beträchtlicher Kontingente an Fremdmanagern kein Wort laut. Kein Wort dagegen, daß junge Österreicher immer wieder durch eine psychologisch und organisatorisch miserable Personalpolifik einzelner österreichischer Unterneh- mungsleifungen vor den Kopf gestoßen werden, kein Wort davon, daß der Grund für die Flucht mancher soeben fertig gewordener Jungakademiker in das Ausland nicht ein romantisches Fernweh ist, sondern, daß in der Emigration von Eliten unserer Jugend auch ein Abstoßungseffekt sichtbar wird. In vielen ausländischen Privafunternehmungen unseres Landes gilt für den Aufstieg junger Österreicher ein provokativ sichtbares „off limit". Ab dem Prokuristen hat sich vielfach eine geschlossene, fast kastenförmig organisierte Schichte von Ausländern etabliert. Bleibt nur der Ausweg, im Eingeborenensektor der Privatwirtschaft einen schlecht honorierten Posten anzunehmen, da man zuweilen auch dort Ausländer vorzieht. Der markanteste Ausdruck einer berufsbestimmfen Frustration ist die Auswanderung in das Ausland, wenn nicht in den öffentlichen Dienst.

Immerhin: nicht nur wir in Österreich stehen vor dem Problem, mit diesen Sorgen ferfigzuwerden. Die Tabelle, entnommen dem in Frankfurt am Main erscheinenden „Volkswirt", zeigt die Auswanderung von Wissenschaftlern und Ingenieuren aus der Bundesrepublik und anderen Staaten nach den Vereinigten Staaten.

Wer als Österreicher ins Ausland geht, kann sich dort nicht nur Kenntnisse in fremden Sprachen aneignen (zumindest in einem besonders artikulierten Deutsch), sondern ist vor allem nicht durch das Odium belastet, ein Alpen- oder Donaudeutscher, also ein Nureingeborener zu sein. Im Gegenteil. Im Ausland wird man nach seinen Fähigkeiten honoriert und nicht etwa nach dem Grad der Verwandtschaft zum Herrn Chef, der sein Unternehmen in einem mißverstandenen Sinn als „Familienunternehmen", als Teil seines Haushaltes, befrachtet.

Manche in Österreich ansässig gewordenen Wirtschaftsführer ausländischer Provenienz scheinen in Erkenntnis der ihnen zugestandenen besonderen Position eine eigenartige Herrenmoral zu praktizieren. Nicht nur gegenüber den ihnen anvertraufen Arbeitnehmern, die für sie in einem besonderen Sinn „Gefolgschaft" sind. Noch ist uns in Erinnerung, daß ein ausländischer „Wirfschaftsführer" einen kleinen Dieb, der sein geheiligtes Leben in keiner Weise bedroht hatte, kaltblütig abknallte. Was ist mit dem Mann geschehen?

Freilich soll nicht übersehen werden, daß so manchen durchaus anpas- sungsbereifen Fremden die gewisse Ausländerseligkeit, wenn nicht Kellnermentalität, einzelner Österreicher verführt. Die soziale Kontrolle, die unser Leben strikte regelt, findet auf ausländische Unternehmungsführer kaum Anwendung. Daher ihr Verhalten, das sie daheim nicht an den Tag legen würden. Hierzulande wird aber jeder, der unser Land betritt in einer geradezu verführerischen Weise als höherrangig eingestuft. Ausgenommen sind Gastarbeiter.

Auch die Gewerkschaften finden in ausländischen Unternehmungen nicht jene Einflußchancen, die sie sonst in von Österreichern geführten Betrieben mit Recht in Anspruch nehmen können. Wie wäre es etwa einem biederen Österreicher als Unternehmer ergangen, hätte er Gleiches gewagt wie ein gewisser ausländischer Textilfabrikant, für den es weder ein Betriebsrätegesetz noch Gewerkschaften gegeben hatte, als er bei Übernahme eines bisher österreichischen Unternehmens einfach „reinen Tisch" machte, auch mit den Betriebsräten?

Eine soziale Bedeutung hat auch die sukzessive Einengung unseres Erholungsraumes, eine Folge der devotesten Übereignung österreichischen Bodens und Wassers (Seeufer) an neureiche Steinreiche, denen die Expansionschancen in Afrika allmählich reduziert werden. Weshalb sie zur „Binnenkolonisation" schreiten. Diese wird durch Stacheldrahtbewahrung ihres Boden- und Wassereigentums angedeutet. Die lokalen Behörden, durch Überredung und „Sonstiges" beeindruckt, wehren sich kaum. Nachher, wenn die lieben Sommergäste ausbleiben, weil sie nicht nur Essen, sondern auch Luft und Wasser konsumieren wollen, ist es zu spät. Für den Österreicher bleiben, sollte die Übereignung österreichischen Bodens fortgeführt werden, nur mehr Reservate, öffentliche Anlagen, in denen sie ihr Brauchtum pflegen können, um es abends gegen Honorar den etablierten Fremden darzubiefen.

Die geradezu manische Fixierung mancher österreichischer Politiker auf das Engagement ausländischen Kapitals in Österreich ist sicher da und dort sachlich begründet. Ebenso wie eine „Fremdenfeindlichkeif" angesichts einer alle unnützen Nationalismen liquidierenden Integration zumindest anachronistisch ist. Wirklichkeiten kann man eben nicht weg- diskufieren. Auch nicht eine internationale Kapitalsverflechtung.

Was aber dem eigenen Volk, das heißt, was dem konkreten einzelnen in diesem Land, dessen Sorgen auch die Sorgen unseres Blattes sind, nicht von Nutzen ist, kann ökonomisch auch nicht „gut" sein. Das ist eine bittereinfache Feststellung, die davon ausgeht, daß nach allgemeiner Ansicht die Wirtschaft für den Menschen da ist.

Nun führt aber die soziale Diskriminierung, die unvermeidbare Folge einer Überfremdung, unter Umständen auch zu einer relativen Minderung der Wohlfahrt der Österreicher. Diese haben von einer durch ausländisches Kapital herbeigeführten Prosperität, die sich zwar in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung anzeigf, herzlich wenig, wenn die in Reingewinn und Lohneinkommen übersetzten kommerziellen Ergebnisse dieser Prosperität den Angehörigen unseres Volkes nur in einem dürftigen Umfang zugute kommen, sonst aber als Gewinne oder Lohneinkommen exportiert werden. Dieser Sachverhalt ist aber evident und kann auch durch ein reiches Angebot an Rechtfertigungsversuchen nicht überdeckt werden, auch wenn sich diese des Vokabelschatzes der klassischen Nationalökonomie bedienen, die zwar viel über Reichtumsentstehung, aber herzlich wenig über dessen leisfungskon- forme Verteilung zu sagen weiß.

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