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Kreditinstitute: Mittler zwischen West und Ost

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Das internationale Wirtschaftsmagazin „Vision“ reihte in einer Übersicht über die größten Bankplätze Europas Wien mit über 50 ausländischen Kreditinstituten an die sechste Stelle. Dies ist zwar noch keine Aussage über die Qualität des Finanzplatzes Wien, zeigt aber das nicht unbeträchtliche ausländische Interesse an der Drehscheibe Wien im West-Ost-Geschäft.

Zweifellös sind die infrastrukturellen Voraussetzungen, als Vermittler zwischen West und Ost agieren zu können, nicht schlecht. Dem Standortnachteil am Rande der Europäischen Gemeinschaft entspricht der Vorteil, als Ausgangspunkt für den Ost-West-Handel besonders geeignet zu sein, dazu kommt Österreichs Neutralität sowie die Tatsache, daß es am Wiener Platz eine langjährige Tradition im Ost-West-Geschäft, verbunden mit dem nötigen Know-how, gibt.

Neben den Bankniederlassungen in Wien gibt es auch noch eine Reihe anderer Indikatoren, die die Bedeutung Wiens im Ost-West-Geschäft unterstreichen: So etwa Niederlassungen zahlreicher Firmen aus westlichen wie östlichen Staaten, die Wien als ihren Standort mit Blickrichtung auf das Ost-West-Geschäft gewählt haben (Experten schätzen die Anzahl dieser ausländischen Unternehmungen auf über 500; allein die US-Botschaft in Wien gibt die Zahl der amerikanischen Firmen mit über 270 an, davon sind rund 120 auf den Ostmärkten tätig). Zahlreiche Spezialorganisationen haben sich in Wien angesiedelt beziehungsweise sind in Wien gegründet worden (zum Beispiel das Donaueuropäische Institut, das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche, das österreichische Ost- und Südosteuropainstitut).

Wien ist Standort für internationale Konferenzen, Messen, Fachausstellungen. Einer jüngsten Meldung zufolge nimmt Wien nach New York, London, Paris und Genf bereits den fünften Platz ein in der internationalen Liste der Kongreßstädte. 1978 erwartet man 280 bis 290 internationale Tagungen in Wien (die rund 130 internationalen Veranstaltungen der UNIDO und der Atomorganisation nicht eingerechnet).

Neben der sowjetischen Donaubank ist auch die sowjetische Garantversicherung in Wien vertreten.

Österreich nimmt auch eine bedeutende Rolle im Transithandel ein (beispielsweise belief sich der Umfang der über Österreich abgewickelten Trän-sitgeschäfte im Jahre 1966 auf 5 Milliarden Schilling, während er 1976 bereits 37,3 Milliarden Schilling ausmachte).

In Wien befinden sich auch eine Reihe von Speditionen mit einem besonderen Know-how im Ostgeschäft.

Obwohl die österreichischen Banken seit Jahren im Auslandsgeschäft tätig sind und durch ihre Dienstleistungen vielfach erst ihren Kunden den Erfolg auf Auslandsmärkten ermöglicht haben, haben die letzten Jahre einen gewaltigen Trend zur In-ternationalisierung der Banken gebracht.

Die Hauptursachen für diese Entwicklung sind vor allem die zunahmenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen, die Internationali-sierung der Bankkundschaft (insbesondere der industriellen Großbetriebe) vor allem in Gestalt der multinationalen Konzerne, in der steigenden Bedeutung von Fremdwährungskrediten und die damit verbundene zunehmende Internationalisierung der Finanzmärkte sowie auch die Notwendigkeit, österreichische Unternehmungen im Ausland zu betreuen. Die Banken haben ihre Palette an grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen wesentlich erweitert und ihre internationalen Kontakte, Beteiligungen, Kooperationen und dergleichen auf eine neue Basis gestellt.

Durch diese Verschränkung und permanente Präsenz auf allen wichtigen internationalen Finanzmärkten ist es möglich, ein abgerundetes internationales Servicepaket anzubieten, welches - unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse - jeweils um neue Dienstleistungsfunktionen erweitert werden kann.

Die Bemühungen der österreichischen Kreditwirtschaft, das internationale Geschäft auszuweiten, sind ein gern gewählter Ausgangspunkt für den Versuch, Wien auf seine Eignung als internationaler Finanzplatz zu überprüfen.

Unter einem internationalen Finanzplatz kann man den Standort von Institutionen des Geld-, Kredit- und Kapitalverkehrs sowie finanzieller Dienstleistungen verstehen, die in bedeutendem Umfange Geschäfte für ausländische Kundschaft durchführen. Ein leistungsfähiger Bankenapparat, der international im Geldhandel, im Kredit- und Emissionsgeschäft tätig ist, ist ebenso wie eine entwik-kelte Aktien- und Rentenbörse unabdingbar für einen gut ausgebildeten funktionsfähigen Kapitalmarkt. Daneben gehören Kapitalanlage-, Holding- und Finanzierungsgesellschaften ebenso zu einem internationalen Finanzplatz wie international tätige Großfirmen, vor allem multinationale Gesellschaften.

Wo diese ökonomischen Grundvoraussetzungen mit günstigen politischen, sozialen, rechtlichen, steuerlichen, währungspolitischen und infrastrukturellen (Telefonnetz, Flugverbindungen und so weiter) Umweltbedingungen zusammentreffen, kann die Rolle eines internationalen Finanzplatzes erhalten oder erworben werden.

Es darf nicht übersehen werden, daß nicht nur der Kreditapparat an der Entwicklung des Finanzplatzes mitarbeitet, sondern auch der Kreditapparat von einem entwickelten Finanzzentrum seinerseits Impulse empfängt; in dynamischer Wechselwirkung mit der Entwicklung der gesamten Wirtschaft könnte eine Belebung des österreichischen Geld- und Kapitalmarktes (und damit der österreichischen Wirtschaft) erfolgen.

Das Bild von den durchaus günstigen Möglichkeiten wird jedoch durch mangelnde infrastrukturelle Komponenten getrübt.

So fordert der Bankenapparat seit Jahren mehr Flexibilität betreffend das Steuer- und devisenrechtliche Instrumentarium. Die anpassungsfähige Politik der Luxemburger Behörden hat zum Beispiel weit über 3000 Holding-Gesellschaften in das kleine Fürstentum gebracht. Hier könnte -infolge des annähernd gleichen europäischen Steuerniveaus - nur durch eine Sonderbehandlung derartiger Gesellschaften Abhilfe geschaffen werden. Eine entsprechende Abänderung des österreichischen Abgabenrechtes, die - wie etwa in Luxemburg -lediglich eine geringe jährliche Pauschalsteuer vorsieht, könnte dem Staat sogar zusätzliche Steuereinnahmen garantieren, ohne das inländische Steuergefüge (da ja nur Einkünfte aus dem Ausland privilegiert wären) zu stören.

Wie das Beispiel der Schweiz zeigt, muß eine Liberalisierung im Geld-und Kapitalverkehr unter Berücksichtigung bestimmter Kautelen kein Störfaktor der inländischen Wäh-rungs- und Stabilitätspolitik sein.

Dazu kommt, daß der österreichische Kapitalmarkt - am internationalen Standard und an diesen Ansprüchen gemessen - relativ unterentwik-kelt ist. Vor allem der Aktienmarkt und der Geldmarkt sind eng und beschränkt, was vor allem an der geringen Zahl der Marktpartner liegt. Wie in den letzten Tagen bekannt wurde, erwägt die Notenbank eine Reduktion der Gewährung von reinen Finanzkrediten seitens der heimischen Banken an Ausländer. Diese Maßnahme -die angeblich die Verschuldenskapazität Österreichs belaste - würde nicht nur die Marktposition der österreichischen Kreditinstitute auf dem Euro-Markt schwächen, sondern auch einen Rückschritt in der Entwicklung Wiens zum internationalen Finanzplatz darstellen.

Der Staat sollte sich die Chance, ein internationales Zentrum spezifischer Finanzdienstleistungen zu bauen, nicht entgehen lassen. Der Liberalisierungsgrad des Geld- und Kapitalverkehrs genügt nicht. Vor allem muß die völlige Freiheit in allen nicht inlandwirksamen Transaktionen gesichert werden und auch der langfristige Kapitalverkehr sollte keinen Beschränkungen unterworfen werden.

Ein weiterer Ansatzpunkt wäre eine substantielle Minderung der Doppelbesteuerung der Aktien, wodurch eine stimulierende Wirkung auf das österreichische Börsegeschehen eintreten würde und auch für den Ausländer interessante Aspekte eröffnet würden.

Daß der Kreditapparat bereit ist, an dieser Entwicklung mitzuarbeiten, hat er bereits bewiesen, doch kann nur die Zusammenarbeit aller betroffenen Stellen langfristig das Konzept des „Finanzplatzes Wien“ verwirklichen.

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