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Messefrühling

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Erneut gestiegene Ausstellerzahlen, zunehmende Reichhaltigkeit des Warenangebots und Qualitätsverbesserung sowie eine verstärkte Auslandsbeteiligung werden der Wiener Frühjahrsmesse 1956 ihr besonderes Gepräge geben. Die diesjährige Frühjahrsmesse wird in hervorragendem Maße die Bedeutung der Bundeshauptstadt als Produktions- und Konsumzentrum Oesterreichs sowie eines international anerkannten Messeplatzes in Erscheinung treten lassen. Hatte es in den vergangenen Jahren manchmal den Anschein, als würden die durch die Demarkationslinie hervorgerufenen Schwierigkeiten die Entwicklung der Wiener Messe hemmen, ja vielleicht sogar — wenn auch nur vorübergehend — ihren Wert mindern, so nahm die Wiener Messe nach Wiedererlangung der Freiheit und Souveränität unseres Landes den ihr gebührenden Platz als repräsentative Leistungsschau der gesamtösterreichischen Wirtschaft auch nach außen hin im vollen Umfang ein. Der Tatsache, daß die Wiener Messe, die in den vergangenen Jahren die Last der Besatzung in voller Stärke zu ertragen hatte, sich nicht nur behaupten, sondern, allen Hemmnissen und Schwierigkeiten zum Trotz, ihre Kapazität vergrößern konnte, spricht für die Lebenskraft und absolute Notwendigkeit der Wiener Messe im Dienste der gesamtösterreichischen Wirtschaft. Sie hätte in ihrer organischen Entwicklung auch niemals ihre im In- und Ausland anerkannte Geltung als gesamtwirtschaftliche Marktveranstaltung erlangen können, wenn sie nicht einem echten volkswirtschaftlichen Bedürfnis ihre Gründung und Existenzberechtigung verdanken würde. Die einzigartige geographische Lage Wiens im Herzen Mitteleuropas, verbunden mit günstigen Verkehrsverbindungen, sein entscheidender Anteil an der Gesamtproduktion des Landes, haben hier jene zentrale Leistungsschau entstehen lassen, die, wie keine andere Ausstellung, durch die Reichhaltigkeit des Anbotes einen umfassenden Querschnitt durch die inländische Produktion bietet. Immer war es. wie auch das Beispiel der Wiener Messe erkennen läßt, die lebendige, pulsierende Wirtschaft, die Schwerpunkte und Zentren der Wirtschaftskonzentration bildet. Aller durch die Besatzung auferlegten Fesseln nunmehr ledig, kann die Wiener Messe ihre gesamten Kräfte zum Wohle der gesamtösterreichischen Wirtschaft voll zur Wirksamkeit bringen, wie denn auch die Ostgebiete, die Bundeshauptstadt mit Niederösterreich und Burgenland wieder jene Bedeutung erlangt haben, die ihrer wirtschaftlichen Kapazität zukommt. Mehr denn je wird die Bundeshauptstadt mit den hochindustrialisierten Randgebieten ihre Produktionskraft sowie ihre Funktion als internationales Handels- und Verkehrszentrum in die Waagschale der wirtschaftlichen Entwicklung Oesterreichs werfen können. Die internationale Wertschätzung Wiens als Messeplatz ist auch für die Schwerpunktbildung bestimmter Branchen der Wiener Messe von ausschlaggebender Bedeutung. Im besonderen erhält ja die Wiener Messe ihr Ausmaß und Gepräge durch die Struktur der Wiener Wirtschaft, wobei neben der Industrie speziell das in der Wiener Wirtschaft verwurzelte Gewerbe mit den repräsentativen Sparten, wie Textilien, Lederwaren, Kunstgewerbe, Galanteriewaren und Möbel, in besonderer Mannigfaltigkeit vertreten ist.

Trat schon zum Herbsttermin auf der ersten Wiener Messe im souveränen Oesterreich das' Ausland stark in Erscheinung, so wird die Frühjahrsmesse 1956 die traditionelle Funktion der Bundeshauptstadt als Mittler zwischen Ost und West besonders deutlich erkennen lassen. Als Exportmesse begründet, hat die Wiener Messe im Sinne der ihr gestellten Aufgabe als Förderer des österreichischen Außenhandels eine außerordentlich wichtige Funktion zu erfüllen, der diesmal besondere Bedeutung zukommt. Mehr denn je müssen unsere Anstrengungen auf Steigerung unserer Ausfuhr mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gerichtet sein. Hier wird sich die Wiener Messe wieder als wirksames Instrument der Exportförderung erweisen. Messe und Export haben im Wirtschaftsablauf eine einander ergänzende Funktion. Die Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs im vorigen Jahr hatte eine neuerliche Steigerung des Außenhandelsvolumens zur Folge und brachte vor allem eine weitere Expansion der Importe mit sich, mit der die österreichische Ausfuhr trotz steigender Tendenz nicht Schritt halten konnte. Diese Entwicklung kommt in der österreichischen Handels- und Zahlungsbilanz deutlich zum Ausdruck. Einer österreichischen Gesamteinfuhr in der Höhe, von 23.069 Millionen Schilling standen im Vorjahr Ausfuhren im Werte von nur 18.170 Millionen Schilling gegenüber. Der Abgang in der Handelsbilanz erreichte daher die beträchtliche Höhe von 4,S Milliarden Schilling. Während jedoch das Handelsbilanzdefizit des Jahres 1954 durch die weit höheren Ueberschüsse in der Dienstleistungsbilanz (Fremdenverkehr) gedeckt und die Zahlungsbilanz mit 1,2 Milliarden Schilling aktiv gestaltet werden konnte, ist dies im abgelaufenen Jahr nicht mehr der Fall, da die' Ueberschüsse aus dem Fremdenverkehr kaum mehr als 2,5 Milliarden Schilling betragen dürften. Da Importbeschränkungen von der österreichischen Wirtschaft sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse der Konsumenten weder gewünscht noch angestrebt werden, müssen wir vielmehr bemüht sein, einen natürlichen Ausgleich des Außenhandels durch stärkste Intensivierung des Exports und durch kluge Ueber-legungen beim Import zu finden. Es gilt also .angesichts einer verschärften internationalen Konkurrenz im Kampf um ausländische Absatzmärkte nicht zu erlahmen, besonders wenn es sich darum handelt, neue Märkte zu erschließen. Die Wiedererlangung unserer staatlichen Unabhängigkeit und damit unserer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schuf die Voraussetzungen für eine möglichst baldige Normalisierung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zu den ost- und südosteuropäischen Staaten, die einst als traditionelle Handelspartner Oesterreichs im Vordergrund unserer Handelsbilanz standen. Als Beweis für die Exportintensität der Wiener Firmen kann die Tatsache gelten, daß die Wiener Handelskammer im vergangenen Jahr 90.000 Ursprungsnachweise, sei es in Form eines Ursprungszeugnisses oder einer Fakturenbestätigung, ausgestellt hat.

Durch die Liberalisierung begünstigt, wird die Wiener Messe in noch stärkerem Maße als bisher als Bindeglied zwischen der österreichischen Wirtschaft und dem Ausland ihre Funktion ausüben. Die Messe wird auch deutlich erkennen lassen, daß die österreichischen Qualitätserzeugnisse den Wettbewerb mit den ausländischen Fabrikaten in keiner Hinsicht zu scheuen brauchen und den inländischen Besuchern, aber auch dem ausländischen Publikum ein eindrucksvolles Bild von der Schaffenskraft der österreichischen Unternehmer, dem Fleiß und der Tüchtigkeit unserer Arbeiterschaft bieten. Der einstige vom Verkäufer von Mangelwaren beherrschte Markt gehört der Vergangenheit an. Die Nachfrage wird heute vom Käufer bestimmt, der die Warenfülle sorgfältig prüft und aus dem großen Angebot der inländischen Produktion und des Auslandes nur das auswählt, was in der Qualität am besten und im Preis am billigsten ist.

So wie jede Wiener Messe ihre besonderen Spezialitäten hat, so wird auch die Wiener Frühjahrsmesse 1956 einige bemerkenswerte Sonderausstellungen aufweisen. Auf dem Rotundengelände werden die „Internationale Automobilausstellung“ und die Sonderschauen „Technik im Haushalt“ Zentren des Messeinteresses werden.

Die landwirtschaftliche Musterschau auf dem Rotundengelände mit ihrer Sonderausstellung „Planen, bauen, wirtschaften“, mit der umfangreichen und zahlreiche Neuheiten aufweisenden Maschinen- und Geräteschau sowie mit einer 2F6 Stück umfassenden Mastrinderschau bildet die sinnvolle Ergänzung des Ausstellungsprogramms der Wiener Frühjahrsmesse.

Alles in allem gesehen wird die Internationale Wiener Frühjahrsmesse 1956 im Zeichen der Zuversicht und des Vertrauens in die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes stehen und einen weiteren Beitrag zur Sicherung unseres erreichten Lebensstandards und der internationalen Verständigung im Sinne des■.- friedlichen Wettbewerbes leisten.

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