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Oesterreichs Messen im Welthandel

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Internationale Mustermessen sind Schaufenster des von mehr oder weniger zahlreichen Fertigungszweigen für den Inlands-, vor allem aber für den Auslandsmarkt hervorgebrachten Neuen. In der gebotenen Uebersicht über das Neue findet ihre werbliche Anziehungskraft die Begründung, ob es sich nun um Neuheiten der Konsumgüterindustrie, so insbesondere auf dem Gebiete des Geschmackes und des Modischen, um Neuartiges, wie etwa in der Kurz- und Spielwarenbranche, oder um Erfindungen und Verbesserungen auf dem rasch an Boden gewinnenden Technischen der Gebrauchs- und Investitionsgüterindustrie handelt. Darin ist auch das wesentlichste Merkmal gegenständlicher „Messefähigkeit“ zu sehen, das vielfach noch durch die anderen Vertriebsarten nicht zugängliche oder doch sehr erschwerte Möglichkeit der technischen Vorführung (Maschinen, Geräte) oder der wirkungsvollen Zurschaustellung in der vollständigen Garnitur (Möbel, Glas und Keramik), von mangelnder Musterkoffertätigkeit abgesehen, wertvolle Ergänzung erfährt.

Ein breites Sortiment von Neuem im allgemeinen, innerhalb einzelner Branchen im besonderen, bietet dem an zeitlichem Vorsprung interessierten Betrieb den Vorteil der raschen qualitäts- und preismäßigen Orientierung, den er gegebenenfalls höher einschätzt als die Kosten des Besuches der zeitlich meist aufeinanderfolgenden Messen. Selbst das durch Kraftwagen und Flugzeug so sehr erleichterte direkte Aufsuchen der Erzeugungsstätten vermag den Messebesuch nur dort zu ersetzen, wo es sich um ihrer wenige handelt oder die standörtliche Agglomeration sich für das spezifische Interesse als ebenbürtig oder überlegen erweist. Das die Mustermessen beschickende Unternehmen seinerseits kommt an eine beachtliche Anzahl von wirklichen und möglichen Interessenten zu verhältnismäßig niedrigem, wenngleich fixen Aufwand heran, dessen Wirtschaftlichkeit in dem erwarteten Messeumsatz und dem in dessen Gefolge sich einstellenden Verkäufen erhofft wird. Gespräche mit Fachinteressenten, insbesondere mit solchen aus dem Auslande, liefern mitunter Hinweise auf Absatzchancen, die sonst nur auf dem kostspieligen Wege der Marktforschung gewonnen werden können. Daraus und ebensowenig aus den Messebesuchen selbst sollte die Exportwirtschaft auf keinen Fall den irrigen Schluß ziehen, daß anhaltende Exporterfolge der Käuferinitiative überlassen werden und eigene Vertriebsinitiative auf den Auslandsmärkten ersetzen könnten. Im Hinblick auf ihre im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz völlige Unzulänglichkeit und den seit langem befürchteten Konjunkturrückgang, der die Käuferinitiative gewiß nicht beleben wird, soll diese Feststellung nicht unterlassen werden. Die öffentlich ver-lautbarte Tatsache, daß selbst die westdeutsche Wirtschaft 1953 bis 1957 nicht weniger als 10 Milliarden Schilling in ausländischen Fabriken und Handelsunternehmungen investiert hat, kann als Beweis für die von Oesterreichs Konkurrenten vertretene Ueberzeugung von der Unentbehrlichkeit der Markterschließung selbst bei vollkommenstem Erzeugungsapparat gelten. Diese Einsicht sollte auch im Rahmen der Vorbereitung auf die Freihandelszone bzw. den Gemeinsamen Markt nicht außer acht gelassen werden, zumal gerade dann Einbußen innerhalb dieser möglicherweise durch Gewinne außerhalb derselben wettgemacht werden können.

Freilich hatte schon die' in den Nachkriegsjahren notwendig gewordene Neuorientierung des österreichischen Außenhandels, die sich zwangsläufig auch in der der Messen widerspiegeln mußte, an die Wendigkeit des Ex- und Importhandels große Anforderungen gestellt, allerdings nicht, ohne daß diesen die starken Auftriebstendenzen der Weltkonjunktur nachhaltig zu Hilfe gekommen wären.

Zwischen 1949 und 1956 haben die in diesen Jahren auf mehr als das Doppelte gestiegenen österreichischen Ein- und Ausfuhren folgenden Richtungswechsel erfahren:

1949 1956 Einfuhr Ausfuhr Einfuhr Ausfuhr OEEC-Staaten 58,1% 59.9% 71,6% 68,0% Andere europ. Länder 0,9% 1,0% 1,4% 2,9% Die sieben osteuropäischen Staaten 24,0% 25,2% 10,2% 13,5% Uebersee 17,0% 13,9% 16,8% 15,6%

Die Umstellung des österreichischen Außenhandels von den osteuropäischen in überwiegendem Maß auf die westeuropäischen, zum geringen auch auf die überseeischen Märkte, geht daraus deutlich hervor. Für eine derart radikale Neuorientierung mußten auch die österreichischen Messen schon deshalb von besonderer Bedeutung sein, weil gerade sie den freien privatwirtschaftlichen Interessen der westlichen sowie der überseeischen Märkte bei weitem eher zu dienen vermochten als dem auf Rüstungsund Aufbaugüter beschränkten Handelsmonopolen des Ostens. Daran können auch die Aus-stellungscharakter tragenden Länderpavillons dieser Staaten nichts ändern.

Die Einschätzung der Anteile der Mustermessen Wien, Dornbirn, Klagenfurt, Innsbruck und Graz am Welthandel Oesterreichs erweist sich, da Ilmsatzziffern aus naheliegenden Gründen nicht erhoben werden, nur annähernd möglich. Als Anhaltspunkte dürfen immerhin die Zahlen der Aussteller, der prozentuelle ausländische Anteil an diesen, der Zeitvergleich dieser Größen, ferner die aus der Besucherzahl je Aussteller und Messetag entfallende Quote herangezogen werden.

Aussteller* Ausl. Ausst. Besuchsquote 1957 1950 1957 1950 1957

Wien 3518 2292 24% 10% 22,2

Dornbirn 991 613 42% 8% 25,0 Klagenfurt 1193 690** 44% 19% 21,7 Innsbruck 1103 793 46% 29% 19,4 Graz 1108 1212“ 12% 31% 20,4

Mittel der Frühjahrs- und Herbstmessen.1953.

Die wachsende bzw. abnehmende Ausstellerzahl, besonders aber der Zeitvergleich der Auslandsbeteiligung läßt immerhin 'einen gewissen Schluß auf die Wertung der einzelnen Messe im Auslande zu, die, mit Ausnahme der Grazer, eine positive Note trägt. Für den negativen Fall der Grazer Messe ist fraglos die bei der zum Westen abseitigen Lage sowie die unbefriedigende Entwicklung des an sich problematischen Südosthandels verantwortlich, während an dem beachtlichen Fortschritt Dornbirns unter anderem sicherlich auch die vorteilhafte westliche Verkehrslage ihren Anteil hat.

Die Entwicklung der österreichischen Mustermessen erscheint indes nicht nur vom Richtungswechsel des Außenhandels gekennzeichnet, sondern ebenso durch einen branchenmäßigen Strukturwandel, der teilweise zu der auch im Auslande im Fortschreiten begriffenen Fachmesse neigt. So waren im Mittel der Wiener Frühjahrs- und Herbstmesse 1950 die vornehmlich für Mode- und Geschmacksneuheiten sowie für „Novitäten“ repräsentativen Branchen (Textilien, Bekleidung und Schuhe, Gold- und Silberwaren, Uhren, Lederwaren, Spielwaren und Möbel) durch 32 Prozent der Aussteller vertreten, wobei sie mit auch absolut abnehmender Zahl 1957 nur noch mit 21 Prozent teilnahmen. Dagegen konnten die betont technischen Zweige (Maschinen, Haus- und Küchengeräte, Beheizung und Beleuchtung, Elektrotechnik, Radio und Zubehör, das Bauwesen) eine Zunahme von 45 auf 56 Prozent der Ausstellerzahl verzeichnen. Darin findet sich aber die durch Sonderschauen vertretene Fahrzeugindustrie noch nicht inbegriffen. Der offensichtliche Erfolg der Dorn-birner Export- und Mustermesse ist zweifellos in erheblichem Ausmaße ihrer Spezialisierung auf die Textil-, Textilmaschinen- und Zubehörbranchen, die auch dem auffallenden Interesse der ausländischen Aussteller zu begegnen scheint, zuzuschreiben. Bei einem verhältnismäßigen Rückgang des Anteils der Aussteller dieser Branchen von 54 (1950) auf 49 Prozent (1957) hat doch die Ausstellerzahl von 344 auf 488 zugenommen.

Auch der Charakter der Innsbrucker Messe als Fachmesse des Hotel-, Gaststätten- und Fremdenverkehrsbedarfes mit einer landwirtschaftlichen Spezialabteilung hat sich in zunehmendem Maße ausgeprägt. Die Aussteller dieser Branchen konnten ihren prozentualen Anteil von 13,6 Prozent (1950) auf 41,7 Prozent (1957) erhöhen.

Schließlich kommt auch an der Kärntner Messe in Klagenfurt die Spezialisierung als Holzfachmesse darin zum Ausdruck, daß dem Vernehmen nach 50 Prozent der Aussteller der Holzbranche und ihren Hilfszweigen angehören sollen.

Inwieweit die österreichischen Messen, deren Anpassung an die Einzugsgebiete und die Struktur der internationalen Nachfrage nicht übersehen werden soll, künftighin in der Lage sein werden, zum österreichischen Außenhandel maßgeblich beizutragen, ist zuvorderst eine Frage sorgfältiger Beobachtung der Tendenzen des ausländischen Messewesens und der Information. In diesem Punkte könnte der Ausbau der Motivenbefragung des beruflichen Besucherkreises und der Aussteller im Verein mit einer Vervollkommnung der statistischen Erhebungen und ihrer Auswertung wertvollen BeitragJeistea

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