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Volksfest oder Fachschau?

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Als bedeutendste österreichische Messe im zweiten Halbjahr fand vom 8. bis 12. September die Wiener Internationale Herbstmesse statt. Auf dem rund 400.000 Quadratmeter großen Areal waren 1942 österreichische und 1184 ausländische Aussteller vertreten. Während bei den inländischen Ausstellern das Bundesland Wien mit 1071 Ausstellern das weitaus größte Kontingent stellte, war bei den Ausländern die BRD mit 836 eindeutiger Spitzenreiter vor Italien (246).

Hier spiegelt sich deutlich die Außenihandelssituation Österreichs wieder, dessen bedeutendster Handelspartner, die Bundesrepublik, auf dieser Messe einfach präsent sein muß; aber auch das übrige Ausland war stärker vertreten als zuletzt, was nicht zu verwundern ist, da doch in praktisch allen Industriestaaten die Parole „Exportoffensive“ ausgegeben wurde.

Da die Wiener Messe durch die vor einigen Jahren erfolgte Verkürzung von acht auf fünf Tage an Völksfestcharakter verloren hatte, versuchte man heuer durah kundenbezogene Ausstellungen und Veranstaltungen wieder an Boden zu gewinnen. Das Fadhpublikum wind zu einem Großteil ohnehin durch die immer zahlreicher werdenden Fach- und Speziaimessen angesprochen; die Wiener Messe — diesen Eindruck mußte man als Besucher gewinnen — soll wieder etwas mehr in Konsumentennähe rücken.

Nur so läßt sich zum Beispiel der große Erfolg der Sonderschaü „Treffpunkt Gewerbe“ erklären, wo auf rund 6000 Quadratmeter etwa 140 Aussteller aus 45 Branchen eine Selbstdarstellung des Wiener Gewerbes veranstalteten. Besonderes Interesse fanden die dreizehn „lebenden Werkstätten“. Es scheint bereits sichergestellt zu sein, daß man künftig an eine regelmäßige Beteiligung des Gewerbes denken wird. Hier war offensichtlich in den letzten Jahren ein echtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entstanden, handwerkliche Tätigkeiten „aus erster Hand“ beobachten zu können/Unter anderem waren Hutmacher, Graveure, Drechsler, Kürschner, Spengler und Schuhmacher vertreten, und man darf annehmen, daß es nicht, nur die Kinder waren, die vielleicht zum ersten Mal Gelegenheit hatten, derartige Handarbeiten „live“ zu sehen.

Reges Interesse herrschte auch bei der Landwirtschaft, die nicht nur durch Aussteller vertreten war, sondern auch ein gezieltes Programm im Rahmen der Internationalen Landtechnischen Fachtagung 1976 vorlegte.

Ähnliche Trends zeigten sich auch bei den Elektrowaren (Farbfernsehgeräte, Kassettenrecorder, Haushaltsgeräte), wo das Publikum nicht nur allgemeines Interesse zeigte, sondern -auch eine zunehmende Präferenz für höhere Qualitäten erkennen ließ (was auf ein gutes Weihnachtsgeschäft schließen läßt).

Inwieweit derartige Messeveranstaltungen als Konjunkturbarometer herangezogen werden dürfen, ist eine heikle Frage. Die Wiener Herbstmesse jedoch hat die ohnehin bekannte Lage bestätigt. Der anhaltende reale Anstieg der Masseneinkommen läßt die Konsumneigung der Haushalte wieder steigen, während bei den Investitionsgütern nur eine schrittweise Aufwärtsentwicklung festzustellen ist. Die Messe — so betonen Experten aus dem In- und Ausland — spiegelte die schrittweise Aufwärtsentwicklung der österreichischen Konjunktur. Die meisten Branchen berichteten wohl von einem regeren Kaufinteresse als bei den vergangenen Ausstellungen, doch registrierten vor allem die deutschen Aussteller in Österreich noch weit mehr Zurückhaltung als etwa bei den letzten bundesdeutschen Messen.

Bemerkenswert aber, daß zahlreiche Aussteller übereinstimmend von der intensiven Informations-nachfrage beeindruckt waren, die auf ein gutes Nachmessegeschäft schließen läßt. So war denn auch die Stimmung weder pessimistisch noch euphorisch, sondern schlicht „zufriedenstellend“.

Bleibt nur noch die Frage, ob es eine Messe für den Konsumenten oder für den Händler war? Wahrscheinlich für beide; denn die Veranstalter zeigten deutlich ihr Bestreben, einen Mittelweg zwischen Volksfest und reiner Fachmesse zu finden. Daß man mit dem Ergebnis dennoch nicht ganz zufrieden war, zeigt die wieder neu aufgeworfene Frage nach einer Umwandlung in eine reine Fachmesse, wozu der Präsident der Wiener Handelskammer, Dittrich, eine Antwort offenließ, aber betonte, daß man in nächster Zeit darüber diskutieren solle. Spätestens im Frühjahr wird man sehen, in welcher Richtung Schwerpunkte gesetzt wenden sollen.

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