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50 Jahre Wiener Messe

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Die Gründung einer Wiener Messe wurde schon vor dem zweiten Weltkrieg einer Erwägung unterzogen, es kam aber nicht dazu, weil kein ausgesprochenes Bedürfnis vorlag. In dem großen Bereiche der alten österreichisch-ungarischen Monarchie ergaben sich wirtschaftliche Verhältnisse und Beziehungen auf Grund einer jahrzehnte-, ja, jahrhundertealten Entwicklung. Produktion und Absatz waren im großen und ganzen geregelt, was die Bevölkerung und die Wirtschaft Wiens brauchte, wurde von den Kronländem des großen Reiches bezogen, die ihrerseits wieder von Wien mit Erzeugnissen der Indu strie und des Gewerbes beliefert wurden. Exportorientierte Betriebe beteiligten sich an der damals wirtschaftlich überragend bedeutungsvollen Leipziger Messe, die Gründung einer Wiener Messe stellte unter diesen Voraussetzungen keine unbedingte Notwendigkeit dar und es blieb daher bei Gesprächen.

Ganz anders aber war dann die Situation nach dem Zusammenbruch und dem Zerfall des großen Wirtschaftsraumes der österreichisch-ungarischen Monarchie. Es entstanden auf ihrem Boden eine Reihe von Nationalstaaten, die sich in ihren Autarkiebestrebungen durch Handelsbeschränkungen und Zollschranken abschlossen. Die in Jahrhunderten entstandenen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen waren zerstört und von dem großen Reich mit 60 Millionen Einwohnern blieb ein „Deutsch-Österreich“ mit 6 Millionen Einwohnern, von denen ein Drittel in Wien wohnte. Es war naheliegend, daß man damals vielfach an der Lebensfähigkeit der jungen österreichischen Republik zweifelte. Da aber vollzog sich das große österreichische Wunder. Trotz der Folgen des militärischen und wirtschaftlichen Zusammenbruches, trotz Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und Inflation, begann das österreichische Volk mit dem Wiederaufbau und versuchte man alte Wirtschaftsbeziehungen wieder aufzunehmen und neue Handelsbeziehungen zu finden.

In dieser Zeit fanden sich im Verein „Österreichisches Handelsmuseum“ in der Berggasse mutige Männer, Wirtschaftspioniere, die, ungeachtet der in jeder Beziehung schwierigen Verhältnisse, an die Gründung einer Wiener Messe schritten. In der Zeit vom 11. bis 17. September 1321 fand die erste Wiener Internationale Messe statt. Das Wagnis war gelungen!

Und jetzt — ein halbes Jahrhundert später — steht die Wiener Messe in der vordersten Linie der großen, internationalen Messen, und man könnte sich die Wiener Messe aus dem österreichischen Wirtschaftsleben nicht mehr wegdenken. Handel und Wandel blüht im Gefolge der Messeveranstaltungen. Schon viele Wochen, ja Monate vor einer Wiener Messe sind unzählige Menschen mit den Vorbereitungsarbeiten zur Beschickung derselben, mit der Herstellung von Messe- mustem und Ausstellungsgut beschäftigt, und in den Tagen vor Eröffnung der Messe sind tausende Arbeiter mit der Ausgestaltung und Einrichtung der Messekojen beschäftigt. Es ist aber nicht nur die Wirtschaft von Wien, die davon profitiert. Die Wiener Messe erfüllt eine Aufgabe im Interesse der gesamten Wirtschaft Österreichs. 650 Firmen aus den Bundesländern sind beispielsweise an der bevorstehenden Wiener Herbstmesse beteiligt und erwarten geschäftliche Kontakte mit in- und ausländischen Interessenten. Der Zustrom von Fremden, die nach Österreich zum Besuch der Wiener Messe kommen, bringt Geld ins Land. Die auf der Messe abgeschlossenen Ge schäfte geben Zehntausenden von Arbeitern und Angestellten Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten.

Wenn man von den Aufgaben spricht, die die Wiener Messe im Dienste und im Interesse der österreichischen Wirtschaft erfüllt, muß auch die wirtschaftlich hoch bedeutsame Teilnahme der Landwirtschaft an der Wiener Messe erwähnt werden. Seit dem Jahre 1923 wird regelmäßig durch die niederösterreichische Landes-Landwirtschaftskammer die Beteiligung der Landwirtschaft organisiert, und bei jeder Messeveranstaltung finden spezielle Lehrschauen und Sonderausstellungen statt, die stets durch ihre thematische Bedeutung und architektonisch ausgezeichnete Gestaltung so aufgebaut sind, daß sie lehrhaft wirken für die vielen Besucher der Wiener Messe aus bäuerlichen Kreisen, aber gleichzeitig auch bei der städtischen Bevölkerung, bei den Konsumenten Interesse und Verständnis für wichtige Probleme der Landwirtschaft wachrufen.

Eine weitere wichtige Aufgabe im Interesse der österreichischen Wirtschaft ist es nicht nur, die Anbahnung von Kontakten und Handelsbeziehungen zu ermöglichen, sondern auch die in der Wirtschaft tätigen Menschen mit dem Fortschritt der Zeit, mit technischen Neuerungen, Erfindungen und neuen Produktionsmethoden bekanntzumachen und so auf diese Weise einen wertvollen Beitrag zur technischen und kommerziellen Rationalisierung der Betriebe und Produktivitätssteigerung zu leisten.

Eine Messeveranstaltung und die auf ihr erzielten Umsätze sind selbstverständlich von der jeweils herrschenden Wirtschaftslage beeinflußt. Die Wiener Messe kann keine Konjunktur erzeugen, wohl aber ist sie imstande, der Wirtschaft kräftige Impulse zu verleihen.

In guten und schlechten Zeiten hat die Wiener Messe ihre Aufgaben im Interesse der österreichischen Wirtschaft erfüllt und einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung internationaler Handelsbeziehungen geleistet. Die große, internationale Bedeutung der Wiener Messe kommt dadurch zum Ausdruck, daß an jeder Wiener Messe rund 2300 ausländische Firmen beteiligt sind und daß in der Halle der Nationen rund 20 ausländische Staaten mit offiziellen Kollektivausstellungen teilnehmen. £>ie Wiener Blesse ist zur Brücke zwischen West und Ost geworden, denn Aussteller und Besucher aus dem Westen und Übersee treffen einander auf der Wiener Messe mit den Repräsentanten der Ostblockstaaten. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß immer mehr sogenannte Entwicklungsländer versuchen, internationale Kontakte durch die Wiener Messe zu finden.

Im Verlaufe der fünf Jahrzehnte hat sich bei der Wiener Messe ein gewisser Strukturwandel ergeben. Sie ist, wie zur Zeit ihrer Gründung, wohl eine universelle Messe geblieben, aber durch eine streng branchenmäßige Gliederung und die Veranstaltung zahlreicher Fachausstellungen wird den Interessen und Wünschen von Ausstellern und Einkäufern Rechnung getragen.

Die Leitung der Wiener Messe war in all den Jahren stets bemüht, den Erfordernissen der Zeit zu entsprechen und alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Wiener Messe nach wie vor ihre Aufgaben im Interesse der österreichischen Wirtschaft erfüllen kann.

besteuerung der Amerikaner die Warenflut vieler Staaten, die bisher die Neue Welt beliefert haben, nach anderen Zielen gelenkt werden wird. Nach Zielen, an denen sich österreichische Firmen bisher gut behauptet haben und um die es nun zu einem mörderischen Konkurrenzkampf kommen dürfte.

Wir dürfen nicht erwarten, daß die Sympathie, die man vielfach unserem neutralen Land entgegengebracht hat, auch dann noch ausschlaggebend sein wird, wenn andere Lieferanten prompter und billiger sind. Die schwere Aufgabe, vor der hier die Exportwirtschaft steht, zeichnet sich ab: womöglich noch rationeller zu produzieren, die Bemühungen im Ausland zu verstärken und innerbetrieblich jede Möglichkeit einer Produktionssteigerung auszunützen.

Die rückläufigen Exportzahlen führen bei steigenden Importen zu einer erheblichen Vergrößerung des Außenhandelsdefizits. Der ausgleichende Faktor ist allein der Fremdenverkehr, dem — entsprechend dieser wichtigen volkswirtschaftlichen Funktion — zur Verbesserung seiner Konkurrenzsituation wesentlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt werden müßte.

Wie ja überhaupt die anzustrebenden Maßnahmen zur Rationalisierung und Produktionssteigerung nicht nur von den Unternehmern getragen werden können, sondern vom Staat unterstützt — zumindest aber nicht zunichte gemacht werden sollten. Unsere Steuergesetzgebung und die Summe der unproduktiven Lohnnebenkosten bilden schwere Hindernisse für jeden Betrieb.

Besonders gehandikapt sind die Wiener Wirtschafttreibenden. Nicht nur, daß sie im Wettbewerb mit den benachbarten Konkurrenten durch eine U-Bahn-Steuer ins Hintertreffen geraten sind, nicht nur, daß es fast unmöglich ist, Betriebserweiterungen vorzunehmen und dafür auch das benötigte Personal zu erhalten — sehen wir uns doch nur in dieser Stadt um:

Worüber sich jeder Verkehrsteilnehmer gelb und grün ärgert, worüber die Touristen verwundert den Kopf schütteln, .das _bringt manchen Wiener Unternehmer vor schier tm- lösbare Schwierigkeiten. Die Behinderungen im Straßenverkehr sind in diesen Monaten zu einer echten Gefahr für den Betriebsablauf zahlreicher Firmen geworden. Hat man zunächst beim U-Bahn-Bau nur die Anrainer im Auge gehabt, die unter den Aufgrabungen vor ihren Betrieben stark zu leiden haben, so stellt sich jetzt heraus, daß so gut wie jedes Unternehmen, das Transporte durchzuführen, Waren auszuliefern und Zustellungen zu besorgen hat, arg in Mitleidenschaft gezogen wird.

Fahrzeuge und -lenker — das erstere nur eine Geldfrage, das letztere ein noch viel schwierigeres Personalproblem — schaffen mit gleichem Zeit- und Materialaufwand nur noch einen Bruchteil der Leistung, die sie noch vor zwei Jahren vollbringen konnten.

Das alles wird leicht vergessen, wenn man in der Messewoche nur die großen Leistungen unserer Wirtschaft bewundert, ohne zu be-

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