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„Die Grazer Messe ist zu einem internationalen Kontaktpunkt geworden”

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FURCHE: Die Grazer Messe ist längst zur Tradition geworden und auch über die steirischen Landesgrenzen hinaus bestens bekannt% Wie hat sich die Struktur der Grazer Messe seit Bestehen gewandelt und entwickelt?

Dr. HÖLLER: Am 29. September 1906 wurde vom Verein „Grazer Herbstmesse” die erste Messe abgehalten. Diesem Verein gehörten steirische Gewerbetreibende, Unternehmer und Kaufleute an. Auch heute sind die tragenden Säulen der Grazer Messe Gewerbe und Industrie. Als drittes Bein kam die Landwirtschaft dazu. War die Messe damals zur Gründerzeit eine reine Produktenschau, also nur auf den Konsumenten bezogen, ist sie heute eine Informationsstätte für Konsumenten und Produzenten. Der Käufer findet in der branchenspezifischen Gestaltung ein reichhaltiges, leicht überschau- und vergleichbares Sortiment. Der Gewerbetreibende, der Unternehmer finden in der „lebenden” Ausstellungstechnik, das sind Musterwerkstätten, Musterküche, Sonderausstellungen, Anregungen, da diese „Betriebe” immer in Funktion gezeigt werden.

Wirtschaftspolitisch gesehen ist die Grazer Messe zu einem internationalen . Kontaktpunkt, zu einer Drehscheibe der angrenzenden Wirtschaftsräume geworden.

FURCHE: Ist es richtig, daß sich die Grazer Messe seit einiger Zeit bewußt von den sehr spezifischen Fachmessen1 durch ein etwas breiteres Angebot absetzt? Welche Schwerpunkte hat die Grazer Messe?

Dr. HÖLLER: Die Grazer Messe ist seit ihrem Bestehen den Weg einer übersichtlich geordneten Branchenmesse gegangen. Das heißt, sie hat sich- trotz vieler Anfechtungen - nie in zahllose Spezialausstellungen oder, wenn main sagen will, Spezialmessen aufgesplittert. Daß dieser Weg richtig war, zeigt sich jetzt, da viele internationale Messen schwer darum ringen, das durch die Spezialisierung verlorengegangene Terrain im Modell über die Universalmesse wieder zurück- zuerobem. Das Angebot auf der Gra zer Messe war stets derart breit gefächert, daß während der Messe veranstaltete Sonderausstellungen als eigene Spezialmessen hätten bestehen können. Das sagen nicht wir von der Grazer Messe, das haben uns international erfahrene Aussteller und Besucher bestätigt.

Die Schwerpunkte liegen im Frühjahr bei der Eisenindustrie und der Landwirtschaft, im Herbst auf der Baumesse mit Baumaterialien und Baumaschinen. Neben dieser - einzigen - Spezialisierung der Grazer Messe laufen die Sonderausstellungen für die Gastronomie, das Möbelzentrum, das Maschinen- und Werkstättenzentrum, Bürofachausstellungen, eine Urlaubsberatung mit rund 20 Staaten, um nur ein paar Zuckerl aus dem reichhaltigen Korb herauszugreifen.

FURCHE: In welchem Zusammenhang steht das Programm der Grazer Messe mit der Wirtschaftsstruktur der Steiermark?

Dr. HÖLLER: Die steirische, wie auch die gesamte österreichische Wirtschaftsstruktur gründet sich auf die mittelständischen Unternehmer und Gewerbetreibenden. Aus diesem Blickwinkel gesehen paßt sich auch der Konsument in den Rahmen ein. Das Angebot auf der Messe ist daher auf den Mittelstand abgestimmt. Eine Messe lebt von Ausstellern und Käufern.

Ein auf den Bedarf abgestimmtes Angebot erleichtert dem Interessenten den Vergleich und die Auswahl und reizt ihn daher leichter zum Kauf, zumal auf der Grazer Messe die Erzeugnisse der einzelnen Branchen gebündelt dargeboten werden. Aber auch der Gewerbetreibende und der Unternehmer haben die Möglichkeit, neben der Präsentation ihrer Produkte sich über die Entwicklung in ihrer Sparte zu informieren. In weiterer Folge führt das zu einer Standortbestimmung, die durchaus ein Ansporn zu verbesserter Leistung sein kann und damit zur Wirtschaftsbelebung beiträgt.

FURCHE: Welche Impulse konnte die Grazer Messe für die steirische Wirtschaft setzen? Welche für die Handelsbeziehungen mit dem südöstlichen Raum, insbesondere mit Jugoslawien?

Dr. HÖLLER: Die Grazer Messe ist im Lauf der Zeit, wie ich schon vorher gesagt habe, zu einer Drehscheibe internationaler Kontakte geworden. In diese Wirtschaftsgespräche sind die steirischen Wirtschaftstreibenden natürlich stark involviert. Diese Gesprächsrunden, die teilweise auf der Messe direkt geführt werden oder hier ihren Ursprung finden, erfassen einen weiten Einzugsbereich. Er geht vom südlichen Adria-Raum über Westungarn bis nach Mitteldeutschland und in die Schweiz. Als besonderes Beispiel möchte ich die Kontakte zwischen Baden-Württemberg, der Region Friaul-Julisch-Venetien, dem-Ha- fen Triest und Kroatien und Slowenien anführen. Die Steiermark miteingebunden ergeben sich hier Aspekte für ein reges Wirtschaftsleben. Konkret zu Jugoslawien: Zwischen der Steiermark und den jugoslawischen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien wurde ein neues Messeabkommen geschlossen, das den Warenaustausch in beide Richtungen um rund 30 Prozent erhöht.

FURCHE: Welche Entwicklung nahm in den letzten Jahren die Zahl der Aussteller und der Besucher der Grazer Messe? Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Entwicklung?

Dr. HÖLLER: Die Zahl der Aussteller ist natürlich an die vorhandene Platzkapazität gebunden. Die Grazer Messe war jedesmal ausgebucht. Eine Entwicklung ist sehr wohl zu bemerken, und die hat eindeutig eine Stoßrichtung: Immer mehr Aussteller wollen einen Platz. Auch die Zahl der Besucher steigt stetig an. Zur letzten Frühjahrsmesse kamen 380.000. Ein Schluß aus dieser Entwicklung ist leicht gezogen: Der Käufer ist konsumwilliger geworden. Der Verkäufer hat erkannt, daß er heute die Ware dem Konsumenten näherbringen muß und nicht mehr darauf warten kann, daß der Käufer zu ihm kommt. Aus diesen Prämissen ergibt sich für die Zukunft, daß den Messen im Wirtschaftsleben eine noch größere Bedeutung zukommen wird als jetzt.

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