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Die Wiener Herbstmesse im europäischen Messekalender

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Die Wiener Herbstmesse wird — wie bereits manche Anzeichen im Straßenbild vorher verraten — dem Leben der Stadt wahrend dieser Zeit ein besonders lebhaftes und buntes Gepräge verleihen.

In Wirtschaftskreisen gilt der Termin der Wiener Herbstmesse allgemein als Auftakt der geschäftlichen Herbst- und Wintersaison. Dies bezieht sich namentlich auf die jahreszeitlich orientierten Branchen, in erster Linie auf dem Gebiete der Mode, des Sports sowie des auf den Weihnachtsverkauf hinzielenden Spielwarenhandels. Darüber hinaus liegt die Bedeutung der schier unübersehbaren Mannigfaltigkeit des Gebotenen darin, daß alle ausgestellten Erzeugnisse direkt oder indirekt der Befriedigung des menschlichen Bedarfes in seinen immer vielfältiger werdenden Formen in jeweils weiterentwickelter, oft verbesserter Ausführung dienen sollen.

Dieses Hauptziel einer großzügigen Messeveranstaltung findet seine Bestätigung in der starken Beachtung, die Hunderttausende von Messebesuchern den Ausstellungsobjekten immer wieder zollen. Auch beim Einzelkonsumenten erfüllt die Messe eine instruktive Funktion, die keinesfalls bloßer Schaulust gleichzusetzen ist. Daher wird der Aufmerksamkeit und Urteilsbildung des einzelnen im Besucherstrom seitens der Aussteller allmählich berechtigte Wertschätzung entgegengebracht; denn man erblickt im interessierten Beschauer von heute den Kunden von morgen, den man somit ebenso gediegen beraten wird, wie man um wirkungsvolle Verhandlungen mit. Einkäufern bemüht ist. In diesem Sinne hat auch die Mcssclcitung alle Aussteller nachdrücklich aufgefordert, ihre Stände im Hinblick auf einen zufriedenstellenden und gediegenen Kundendienst personell äußerst sorgfältig zu besetzen. Ms weitere Werbcmaß-riahrrieh wurde seitens der Wiener Messe-AG. eine . verstärkte Plakatwerbung veranlaßt durch. Anbringung von kartonierten Messe-plakatcnan den Bordwänden der Aussteller-lastkräftwagen in der Zeit vom 17. August bis 13. September (außer der bisher üblichen Anbringung an Plakatwänden, Kandelabern und so fort). Ferner veranstaltet der Hauptverband der Wiener Messcinteressenten einen Ausstellerwettbewerb mit dem Ziel, das werbliche Niveau und die absatzfördernde Wirkung der Messestände zu heben. Die von einer Spezialjurv in diesem Wettbewerb prämiierten Aussteller erhalten Preise, die vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, der Gemeinde Wien und dem Wirt-schaftsförderun<rsinsritut der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien gestiftet worden sind

Die Wiener Messe hat in den wenigen Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ihr Ansehen als gesamtösterreichischer Markt, aber auch als Mittler im Außenhandel zurückerlangt. Die von Jahr zu Jahr größer werdende Beteiligung des In- und Auslandes als Messeaussteller zeigt, daß das Interesse der Wirtschaft an der Wiener Messe ständig wächst. Diese große Nachfrage nach Ausstellungsraum macht den weiteren Ausbau des Messegeländes im Prater, das in der Ausdehnung der bebauten Fläche heute mit an der Spitze der europäischen Messen steht, notwendig. Bereits auf der vergangenen Frühjahrsmesse fand der sehr attraktive neu erbaute Erfinderpavillon starke Beachtung. Zur Herbstmesse wurde eineweiterereprä-sentative und moderne Halle fertiggestellt, die mit einer Länge von 80 Metern auch eine ansehnliche Größe aufweist. Beim Entwurf dieser Halle wurde auf alle Erfahrungen im Ausstellungsbetrieb hinsichtlich Dimensionen, Belichtung und Lüftung Rücksicht genommen. Das neue Objekt bildet die architektonische Abgrenzung der Ostseite der Blumen- und Grünanlagen, die seit 1951 für die Abhaltung gartentechnischer und künstlerischer Ausstellungen und

als beliebter Erholungsort der Messebesucher in Verwendung stehen.

Erstmals für Herbst dieses Jahres wurde von zwölf europäischen Messen in zehn Ländern ' .eine gemeinsame Einkäuferwerbung durchgeführt. Damit hat die von der Wiener Messe angeregte Gemeinschaftswerbung zu einem durchschlagenden Erfolg geführt. Der Vorteil dieser völlig neuartigen Messeintcr-

essentenwerbung liegt vor allem darin, daß den Einkäufern aus Uebersee vier verschiedene Reiserouten vorgeschlagen werden.

Die Rundreisekombination in der Nord Süd-Richtung führt, am 2. September beginnend, von Stockholm über' Utrecht, Frankfurt, Wien, Bari und endet am 15. September in Agram. Die West-Ost-Route beginnt am 12. September in Marseille, läuft über Bari, Agram und schließt am 21. Sep-

tember in Saloniki. Für Besucher aus dem Orient besteht aber auch die Möglichkeit, über Izmir am 12. September die eben genannten Messen in der Ost-West-Richtung zu bereisen und in Marseille am 25. September die Heimfahrt anzutreten.

Die vierte Rundreisekombination berührt in der Zeit vom 10. bis 16. September nur drei Messestädte, und zwar Straßburg, Köln und Gent. Durch diese Rundreisekombinationen erhält der Einkäufer einen umfassenden Ueberblick über die Liefermöglich-kei'ten mehrerer Länder, wie er ihn ohne die Messeveranstaltungen sonst wohl nicht geboten werden könnte. Die hohen Reisekosten, die der Besuch einer europäischen Messe dem überseeischen Einkäufer bisher verursachte, werden durch den größeren Nutzeffekt der neuartigen Rundreisekombinatioh weitaus besser ausgewertet und dürften in Zukunft SO manchen Auslandinteressenten, dem die Reise zu einer oder zwei Messcveranstaltungen nicht lohnend erschien, nun zum Messebesucher werden lassen.

Diese Rundreisekombinationen sind ein mustergültiges Beispiel wirtschaftlicher Zusammenarbeit Europas zugunsten eines größeren, eines europäischen Marktes.

Als Werbemittel für diese Messerundreisen wurde ein vierfarbiger Prospekt geschaffen, der die vier verschiedenen Reiserouten mit einem genauen Terminplan auf zwei kleinen Europakarten zeigt und auf der Rückseite die wichtigsten Angaben über die zwölf Messen bringt. Dieser Prospekt wurde in großer Auflage von allen Messen an ihre Auslandsinteressenten versandt.

Für die richtige Eihschätzung der Bedeutung unserer heimischen Messeveranstaltungen aufschlußreich sowie zur Illustration einsetzender Kommunikation im europäischen Messenbereich dienlich erscheint uns abschließend ein Interview, das der Präsident der Wiener Messe-AG., Minister außer Dienst Dr. h. c. Eduard Heini, über seine Messebesuche in Mailand und Hannover gewährt hat: „... Wenn man die modernen Warenmessen aus ihren Anfängen in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg kennt, so kann man heute nur voll Anerkennung über die Entwicklung sprechen, welche die führenden, vielfach erst nach 1918 gegründeten Messen genommen haben. Mailand und Hannover sind ja bekanntlith noch viel jünger Und verfügen demzufolge über sehr moderne Anlagen und Einrichtungen. Der Kontakt zwischen den einzelnen großen Messen ist heute intensiver als früher. So wie zahlreiche Aussteller aus Europa und Uebersee zur Messe nach Wien kommen, gehen österreichische Firmen hinaus auf die wichtigsten Auslandsmessen. Wir haben in Mailand und Hannover diese österreichischen Aussteller im Oesterreich-Pavillon und in den Branchengruppen besucht und sehr bald die Ueberzeugung gewonnen, daß Oesterreich mit seinen Erzeugnissen Anklang findet und konkurrenzfähig ist.

Die von österreichischen Firmen im Ausland gesammelten Erfahrungen kommen ihnen dann als Aussteller bei der Wiener Messe zugute, wissen sie doch, in welche Richtung die technische Entwicklung des Auslandes geht und wie die wirtschaftlichen Verhältnisse sich draußen gestalten.

Es hat heute durchaus den Anschein, als ob sich nicht nur die internationalen Messen, sondern auch die einzelnen Länder nähergerückt wären. Die Messen waren ja schon in der Vergangenheit Schrittmacher einer internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Heute zielen die Länder Europas auf eine völlige Beseitigung aller Hindernisse hin, die dem freizügigen Warenaustausch im Wege stehen. Wenn es auch noch Jahre dauern wird, bis dieses Ziel erreicht ist, so ist bereits heute zu erkennen, welche großen Aufgaben den Messen dann als Konzentrationspunkte von Angebot und Nachfrage gestellt sein werden.“

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