6689027-1962_29_19.jpg
Digital In Arbeit

Warenbrücke Österreichs

Werbung
Werbung
Werbung

Die 1949 gegründete Dornbirner Messe ist ein Symbol für die Entwicklung dieses Bundeslandes von einem im alten Österreich kaum beachteten Gebietsanhang zu einem selbständigen politischen und wirtschaftlichen Faktor. Wären auch die nur in Großstädten vorhandenen Bedingungen für ein weltmännisches Kulturleben gegeben, dann wäre dem Aktivismus unserer österreichischen Alemannen auch ein Bereich erschlossen, für den sie, wie fälschlich angenommen wird, keine musische Ader haben sollen. Die Bregenzer Festspiele, die während der Messewoche beginnen, sind aber eine außerordentliche Leistung ihrer Organisationsgabe, die mehr verrät als eine nur kommerzielle und technische Begabung. Der Weg Vorarlbergs führte jedenfalls in einer Generation vom abseitigen Bestandteil einer gefürsteten Grafschaft mit der Hauptstadt Innsbruck zu einem sehr eigenwilligen, fortschrittlichen und auf seine Rechte stolzen Bundesland, dessen Regierung nach dem Ausspruch seines Landeshauptmannes Ulrich 11 g ein guter Kunde der höchsten Gerichtshöfe geworden ist.

In einem solchen föderalistischen Klima konnte sich auch die Vorarlberger Wirtschaft freier als je zuvor entfalten. Sie hat mit ihrem Pfund, das jedem anderen Bundesland auch gegeben ist, in bestem Sinne gewuchert, und niemand war nach dem zweiten Weltkrieg überrascht, eine Einladung zu einer neuen Messe zu erhalten, die ihren Standort in Dornbirn, der an Einwohnerzahl und Fabriksniederlassungen führenden Kleinstadt, hat. Heute ist der Name Dornbirn nicht nur allen Industriellen, Kaufleuten, Gewerbetreibenden und Landwirten in Österreich ein Begriff für ein Angebot von Qualität in den zwölf Messehallen, Dornbirn repräsentiert in diesen Tagen ganz Vorarlberg, in dem jeder dritte Bewohner an einem Arbeitsplatz steht, das die höchste Steuerquote pro Kopf an den Bund entrichtet und den durch Fleiß, Tüchtigkeit und Weitsicht errungenen Wohlstand sichtbar zeigt. Dieses Land der Alemannen hat uns wahrhaftig bewiesen, daß nicht nur der Geist, sondern auch die materielle Wertschöpfung ihr ausgewogenes Maß von persönlicher Freiheit und Einsatzfreude braucht, um zu gedeihen.

Die Dornbirner Messe, von allen Bundesländern mit Vorarlberg und Wien an der Spitze beschickt, mit einem treuen Stamm von ausländischen Ausstellern aus sechzehn Staaten Europas und der Übersee, hat ihre Existenzberechtigung mehr als je. Sie ist eine glanzvolle regionale Schau der wirtschaftlichen Leistung, darüber hinaus das vielgenannte Schaufenster Österreichs nach dem Westen und ein internationaler Handelsplatz geworden. Am Gelände inmitten der Stadt wurde in zwei Abschnitten aufgebaut. Die 1953 eröffnete Halle bietet Vorarlberg gleichzeitig den größten Kundgebungssaal des Landes, der Massenveranstaltungen erst möglich gemacht hat. Die glückliche Idee, Messebauten auch für andere Zwecke zu errichten und dadurch ertragsfähig zu machen, wurde auch 1958 beachtet, als mit der zweiten Großhalle ein Bürohochhaus, ein Erweiterungstrakt für die Bundesrealschule mit Realgymnasium und eine neue Geschäftsstraße entstanden. Hier haben die Planer nicht nur an die Messe, sie haben auch an ihre Stadt gedacht, die hier einen modernen baulichen Schwerpunkt erhielt. Schon aber wird über eine weitere Neugestaltung dieses zentralen Viertels beraten, um die kommenden Aufgaben der Messe zu lösen und damit auch der von allen Gemeinden des Landes am schnellsten wachsenden Stadt zu dienen. So ist es gelungen, den städtischen Haushalt auf andere Probleme auszurichten, die sich der Gemeinde stellen, und den Komplex am Messegelände und seiner nächsten Umgebung in vorbildlicher Gemeinschaftsarbeit auszugestalten.

Die Dornbirner Messe hat mit ihrer Aussteller- und Besucherwerbung, die vielfach eigene Einfälle und Methoden auswertet, Vorarlberg als klassisches Textilland in Europa In einem räumlichen Umfang bekannt gemacht, der den heute von der Integration kommenden Notwendigkeiten schon frühzeitig entsprach. Jähr-lich lädt die Messe die Journalisten Europas als

Gäste ein, um sie über das jeweils aktuelle Programm zu unterrichten. Heuer waren es beinahe hundert Berichterstatter der Tages- und Fachpresse, des Rundfunks und des Fernsehens, die im Juni nach Vorarlberg kamen, um sich Informationen zu holen. Je einen Tag widmeten sie der Baumwollindustrie, der Wirkerei sowie der Strickerei, die ihre neuen Kollektionen unter dem Motto „Vorarlberg präsentiert 1963“ auf drei Modeschauen zeigten. Nur durch eine ausdauernde Systematik ist es Dornbirn gelungen, für seine Messe die größten Chemiefaserfabriken zu interessieren und in der neuen Halle die künstlichen Fasern in einmaliger Auswahl und Vollständigkeit aufzulegen. Die Dornbirner Chemiefaserschau ist die bedeutendste auf dem Kontinent geworden, weshalb sie heuer auch mit dem ersten Chemiefaserkongreß Österreichs verbunden werden kann.

Mit Recht kann sich daher die Dornbirner Messe als Warenbrücke von Österreich zu den beiden Freihandelszonen betrachten, die sowohl Aussteller entsenden als auch Einkäufer heranbringen. In Vorarlberg, dessen Landesgrenzen zu vier Fünfteln auch Staatsgrenzen sind, kennt man. so paradox es klingt, überhaupt keine wirtschaftlichen Grenzziehungen mehr, man denkt und handelt über den engen Landstreifen hinaus, ist weltverbunden und doch gut österreichisch gesinnt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung