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Rat und Hilfe

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Die Wiedererrichtung der Vorarlberger Arbeiterkammer ging anders vor sich als in „Innerösterreich“: Das Kammergesetz vom 20. Juli 1945 hatte für das Bundesland Vorarlberg keinen eigenen Kammersprengel vorgesehen. Der entsprechenden Novellierung dieses Gesetzes war ein Beschluß der Landesexekutive des ÖGB vorangegangen, die Arbeiterkammer wieder zu errichten. Im Juni 1946 konnte schließlich die erste Vollversammlung zusammentreten. Die Bürotätigkeit wurde in einer fünf Zimmer großen Privatwohnung in Feldkirch aufgenommen. Übrigens unterscheidet sich die Vorarlberger Arbeiterkammer auch dadurch von ihren Schwesterkammern, daß sie nicht in der Landeshauptstadt ihren Sitz hat. Heute verfügt die Kammer außer ihrem Gebäude an ihrem Feldkircher Sitz, in dem außer Büroräumen und Sitzungszimmern auch ein großer Festsaal und der Vollversammlungssaal untergebracht sind, über Amtsstellen in Bregenz, Dornbirn und Bludenz. Die ständig wachsende Zahl von Dienstnehmern und mit dieser ein Ansteigen der Wünsche und Anliegen an die Interessenvertretung hatten diese Neubauten erforderlich gemacht.

Nicht allein zu Rat und Auskunft in Fragen des Arbeits- und Sozialrechtes sowie der Konsumentenberatung stehen den Arbeitern und Angestellten Tür und Tor offen, auch ihren kulturellen Interessen wird Rechnung getragen: So unterhält die Arbeiterkammer neun Standbibliotheken im Lande, und eine weitere in dem alten Stickereizentrum Lustenau soll noch in diesem Jahre eröffnet werden. 45.000 Bände stehen dem Lesepublikum zur Auswahl. 13.000 Personen sind in den Leserlisten eingetragen.

Es ist schwer, die Aufgaben der Kammer zu würdigen. Am fühlbarsten und deutlichsten ist für die Umlagepflichten jedenfalls die Tätigkeit der Kammer auf dem Gebiete des Rechtsschutzes: In den Jahren 1964 bis 1969 sprachen 22.000 Personen vor, um sich in sozialrechtlichen Fragen beraten zu lassen. Der finanzielle Erfolg für die Vorsprechenden betrug 3,5 Millionen Schilling. Wie notwendig die Dienstnehmer ihre Interessenvertretung brauchen, beweist die Zahl der Vorsprachen auf arbeitsrechtlichem Gebiet: Nicht weniger als 12.000 bis 13.000 Personen suchen jedes Jahr das Kammerbüro auf, um dort Rat und Hilfe zu suchen. Die Qualität der Rechtsauskünfte ist wohl dadurch charakterisiert, daß diese auch viele Dienstgeber einholen, um sozusagen auf Nummer sicher zu gehen.

Immer wieder Anlaß zum Einschreiten geben „Eigener Rauch gibt eigenes Recht“ hat nichts an seiner Charakteristik fürs Ländle eingebüßt.

Neben der Industrie ist der wichtigste Erwerbszweig der Fremdenverkehr. Dies bringt neben vielen Vorteilen Nachteile vor allem für jene, die daran nicht direkt partizipieren: am spürbarsten in Form von hohen Preisen; Interventionen allein helfen wenig. Seit Jahren erhebt die Vorarlberger Arbeiterkammer daher die Forderung, daß der Landeshauptmann das Recht erhält, in beschränktem Maße Einfuhrgenehmigungen für Fleisch, Obst und Gemüse für den Fall von Versorgungsengpässen erteilen zu können. Diese entstehen regelmäßig zu Zeiten der Hochsaison, wobei sich gerade die geographisch extreme Lage für Vorarlberg als sehr nachteilig erweist. Bis dato wird seitens der Landwirtschaft diese Forderung, der sich auch die Vorarlberger Handelskammer angeschlossen hat, bekämpft. Gegen Preistreiberei haben sich bisher öffentliche Proteste als wirksamer erwiesen als das Predstreibereigesetz; es bietet nur dann Handhabe zum Einschreiten, wenn der ortsübliche Preis überschritten wird; zumeist ist aber eine rasche Anpassung an den Höchstpreis in einem Ort zu beobachten ... Zu einem der wesentlichsten Aufgabenbereiche der Arbeiterkammer ist die Konsumentenberatung geworden: jährlich werden zwei Ausstellungen über eine bestimmte Warensparte durchgeführt, die den Besuchern eine gewisse Marktübersicht geben und Preisvergleiche ermöglichen sollen. Auf diese Weise soll die Markttransparenz gefördert und der Konsument zu überlegtem Einkaufen angeregt werden. Da diese Ausstellungen jeweils haben doch allein im Vorjahr 8500 Personen Kurse der Arbeiterkammer besucht. In Hinkunft sollen die berufsbildenden Kurse so zusammengefaßt werden, daß sie, organisch aufeinander abgestimmt, Möglichkeiten der Ausbildung für einen bestimmten Beruf bieten und nicht allein Kenntnisse über einen bestimmten Teilbereich vermitteln. Eine in Österreich einmalige Einrichtung ist die Expositur des Abendgymnasiums Innsbruck in Feldkirch, die von der Arbeiterkammer Vorarlberg finanziert wird. Das „Feldkircher Modell“, wie es einmal von einem Beamten des Bundesministeriums für Unterricht bezeichnet wurde, ermöglicht es Vorarlbergern, auf dem zweiten Bildungswege die Reifeprüfung anzustreben. Die Methodik wird als gelenktes Privatistenstudium bezeichnet: die Schüler erhalten samstags von Feldkircher Professoren Unterricht, beziehen Skripten aus Innsbruck und bleiben über die Arbeiterkammer als „Relaisstelle“ mit der „Mutterschule“ in Verbindung. 55 Vorarlberger Dienstnehmer erwarben das Reifezeugnis. Zwei wesentliche Beiträge zu Plänen der wirtschaftlichen Zukunft des Landes seien aber besonders hervorgehoben: Zum einen Male die Stellungnahme zu einem Raumplanungsentwurf von Prof. Wurzer für das Vorarlberger Rheintal, die als Dokument des Ernstes und der Sorgfalt gelten darf, mit dem die Vertretung der Dienstnehmer ihrer Begutachtungstätigkeit nachgeht; zum zweiten das Gutachten zu einer Struktur- und Wachstumsanalyse der Vorarlberger Wirtschaft, die von der Vorarlberger Landesregierung beim Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben worden war.

den Frachtaufkommens dringend geboten ist. Verschiedentlich haben sich Vorarlberger Gemeinden zur Zusammenarbeit entschlossen, so zum Beispiel im Bereich der Abwasserbeseitigung und der Trinkwasserbeschaffung. Eine Fülle von Problemen, wie etwa der Bau wirksamer, zentraler Müllbeseitigungsanlagen, harren der Verwirklichung und sollen auf regionaler Basis gelöst werden. Auf verschiedenen Gebieten wurden auch schon einige Einrichtungen geschaffen beziehungsweise Konzepte in Verwirklichung genommen, die raumplanerischen Vorstellungen entsprechen, so zum Beispiel auf dem Gebiete des Berufsschulwesens oder auf jenem der Krankenanstalten. Das Land hat in den letzten Jahren drei Berufsschulen, und zwar in Lochau, Bregenz und Dornbirn errichtet und in Betrieb genommen. Weitere Berufsschulen werden in Bludenz, Hohenems und Feldkirch entstehen. Am letztgenannten Ort wurde auch der Grundstein zum Bau eines Landesunfallkran-kenhauses, das zusammen mit einem städtischen Krankenhaus errichtet werden soll, gelegt. Gleichzeitig erfolgt aber auch eine Generalsanierung der Landes-Heii- und Pflegeanstalt Valduna. Beide zuletzt genannten Bauvorhaben belasten das Landesbudget mit über 2^0 Millionen Schilling. Verschiedene wichtige zentrale Einrichtungen, wie etwa das Landesgericht, die Finanzlandesdirektion, die Handelskammer, die Arbeiterkammer, der Sitz des Bischofs, des ORF-Landesstudios sowie das Wirtschaftsförderungs-institut befinden sich nicht in der Landeshauptstadt, sondern in anderen Städten des Zentralraumes. Diese Tatsache kommt einer künftigen Regionalstadt Rheintal insofern entgegen, als damit bereits eine Verteilung von Schwerpunkten besteht, die der im Zentralraum zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung angepaßt ist und sogar zu einer gewissen kommunalen Arbeitsteilung, die nach den Vorstellungen mancher Raumplaner noch stärker akzentuiert werden soll, führte. Fragen der Raumplanung stellen sich der Vorarlberger Landesregierung auf vielen Gebieten der Tagespolitik. Sie hat sich bisher schon bei ihren Entscheidungen in den für die Zukunft des Landes wichtigen Fragen von der Notwendigkeit einer bestmöglichen Gestaltung des Vorarlberger Lebensraumes leiten lassen und wird dies auch weiterhin nach besten Kräften tun.

Verstöße gegen den Lehrlings- und Jugendschutz; So wurden im Vorjahr Fälle bekannt, in denen Jugendliche im Hotel- und Gastgewerbe 80 und mehr Stunden in der Woche arbeiteten.

Ein sehr hoher Prozentsatz der Schulabgänger tritt in Fabriken als Hilfsarbeiter ein. Um einen Anreiz zur Absolvierung einer Lehre zu bieten, gewährt die Arbeiterkammer Ausbildungsbeihilfen. Trotz staatlicher Studienbeihilfen, auf die gesetzlicher Anspruch besteht, gewährt auch die Arbeiterkammer Hochschülern Stipendien; desgleichen erhalten auch die Besucher Höherer Lehranstalten Studienbeihilfen.

Wohlbekannt ist bei den Umlagepflichtigen auch die Einrichtung der Wohnbaudarlehen, die seit kurzem auch Wohnungsmietern gegeben werden, die sogenannte verlorene Baukostenzuschüsse zu leisten haben. Diese Darlehensaktion wird hierzulande besonders geschätzt, weil sehr viele Dienstnehmer Eigenheime errichten; der alte alemannische Spruch in allen vier Städten des Landes gezeigt werden, ist diese gewiß öffentlichkeitswirksame Form der Konsumentenberatung sehr aufwendig und mit vielen organisatorischen Mühen verbunden. Auch die Teilnahme der Arbeiterkammer an der Dornbirner Messe zielt auf eine Stärkung des Bewußtseins der Konsumenten, eine bedeutende wirtschaftliche Macht zu sein.

Ebenso in rechtlicher Hinsicht steht die Arbeiterkammer den -Konsumenten bei, wenn es gilt, sie vor Übervorteilung zu schützen beziehungsweise Härtefälle, die sich durch unüberlegte Abschlüsse von Kaufverträgen ergeben haben, zu bereinigen. Die Tätigkeit der Vorarlberger Arbeiterkammer auf kulturellem Gebiet wurde mit der Erwähnung der Standbibliotheken bereits gestreift. Zur Zeit gehen die Bemühungen darum, das Kursprogramm der Volkshochschule der Arbeiterkammer den zeitlichen Erfordernissen anzupassen, womit keineswegs das bisher Geleistete geschmälert werden soll,

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