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Know-how fürs Ländle

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Eine bildungspolitische Bombe hat unlängst das neu formierte Führungsgespann in der Vorarlberger Arbeiterkammer, Präsident Josef Fink und Kammeramtsdirektor Heinz Peter, hochgehen lassen: „Vorarlberg, braucht eine Fachhochschule nach bundesdeutschem Muster“, brachten die Arbeiterkämmerer als Vorschlag in die im Ländle seit einigen Monaten voll entbrannte Technologie- und Innovationsdiskussion ein.

Die Kammer-Funktionäre stützen ihre Forderung, die eine neue Kategorie innerhalb der gängigen Denkmuster verkörpert, vor allem mit drei Argumenten ab. „Vorarlberg hat beinah doppelt so dichte internationale Handelsverflechtungen wie Österreich im

Gesamtdurchschnitt; diesem extremen Wettbewerbsdruck auf den weltweiten Exportmärkten wird auf Dauer nur standzuhalten sein, wenn Bildungsinstitutionen und Betriebe gemeinsam zu einer groß angelegten Qualifikations-Offensive ansetzen, die den Mitarbeitern das notwendige Know-how für die Herausforderungen von morgen vermittelt“, verweist Peter auf den keineswegs rosigen Ist-Zustand.

Wie der aussieht? In Vorarlberg ist — nicht zuletzt bedingt durch die j ahrzehntelange textile Monostruktur - das Verhältnis von Hüfsarbeitern zu qualifizierten Fachkräften dreimal so ungünstig wie aus gesamtösterreichischer Sicht. „Verschärft wird die Lage dadurch“, formuliert Präsident Fink Argument Nummer drei, „daß in Vorarlberg Hochschulen oder universitäre Einrichtungen nur als .Spurenelemente' existent sind, bis vor kurzem gänzlich fehlten.“ In der Tat sind die stärksten „hausgemachten“ Kaliber in Sachen Büdung jene jungen Leute, die jährlich von den zwei Höheren Technischen Lehranstalten im Ländle (Bregenz und Rankweü) ausgemustert werden: „Der Qualifikations-Level der Ingenieure in spe ist aber gerade aus technologischer Perspektive unbefriedigend, und von der für die Lehrpläne zuständigen, schwerfälligen Bundesbürokratie sind so bald nicht die dringenden Neuerungen und Adaptionen zu erwarten“, begründet etwa der Kammeramtsdirektor sein Plädoyer für eine Fachhochschule, die seiner Uberzeugung zufolge das Bildungsvakuum zwischen Höherer Technischer und Technischer Universität trefflich ausgleichen würde. Nicht als Uni im klassischen Sinn, sondern als flexible Einrichtung.

Diese Uberzeugung konnten sich Fink und Peter an Ort und Stelle holen, nämlich bei Lokalaugenscheinen an Fachhochschulen in Baden-Württemberg, die zudem einen ganz besonderen Vorzug aufweisen: ihre „Symbiose“ mit der Steinbeis-Stiftung, für viele Fachleute das Synonym für technologische Innovation schlechthin.

„Dies ist aber nur die eine Hälfte der Wechselbeziehungen: Nicht minder intensive Kontakte pflegen diese Fachhochschulen zu der auf Markterfolg angewiesenen freien Wirtschaft, wodurch deren Absolventen bereits ein ausgesprochenes .Wirtschafts-Feeling' besitzen, wenn sie den Schritt in den Arbeitsalltag mit seinen härten Spielregeln tun“, streicht Peter ein weiteres großes Plus des Schultyps heraus. Für Vorarlberg hatte die AK ein solches Modell für die Fachrichtungen Automations-, Elektronik- und Computertechnologie moniert, über acht Semester laufend, in die zwei Praxissemester integriert gehörten.

Fink und Peter haben sogar schon präzisiert, wie die Geburtshilfe für ihr Liebkind zu berappen wäre: „Die Teilprivatisierung der Vorarlberger Kraftwerke AG kann in keinem Fall mehr Sinn erhalten, als wenn ein großer Teü des Erlöses für die Installierung einer solchen Fachhochschule gewidmet würde.“

Beherzt aufgefangen hat den von der Arbeiterkammer zugespielten Ball bislang noch kein maßgebliches Visavis. Dies vor allem aus zwei Gründen: Zum einen scheinen die Kammer-Schätzungen, man könne eine solche Fachhochschule für 300 bis 400 Millionen Schilling (gut die Hälfte des voraussichtlichen Privatisierungserlöses) aus dem Boden stampfen, zu optimistisch. Landesregierung und andere Stellen, die das Projekt vorsichtig zu ventilieren begannen, gehen von einem Starterfordernis von rund 500 Millionen aus.

Zum zweiten wäre die „Vorlaufzeit“, also jene Frist, bis zu der die ersten Fachhochschul-Inge-nieure ausgemustert werden könnten, mit mindestens acht bis neun Jahren eine fast inakzeptable Durststrecke für jene Wirtschaft, die lieber heute als morgen ihren technischen Brain-Trust aufstocken würde. „Realpolitisch müssen wir einer aufgewerteten HTL, deren Abschlußniveau anzuheben ist, schon aus dieser zeitlichen Überlegung den Vorrang einräumen; eine tolle Geschichte, die wir langfristig im Auge behalten müssen, ist dieser Kammer-Vorschlag aber unbestritten“, kommentiert die Arbeitgeber-Seite vorerst die Idee.

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