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Die Förderung von Innovationen entscheidend für die Zukunft

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Forschung gehört in Österreich noch nicht zu den großen öffentlichen Themen. Dennoch debattiert man in eingeweihten Kreisen heftig um eine Neugestaltung der Forschungsorganisation. Äußerlich geht es dabei um ein neues Gesetz, um einen neu zu schaffenden „Rat für Wissenschaft und Technik“, um Paritäten in den beiden Förderungsfonds. Auch solche Fragen können brisant sein, doch spricht immerhin einiges dafür, daß die sachliche Vernunft imstande sein wird, sich gegenüber dem politischen Machtpoker durchzusetzen.

Darüber hinaus steht jedoch auch in unserem Lande eine tiefgreifende Zukunftsbesinnung der Forschung noch aus. Über konkrete Langfristzielsetzungen für künftige Forschungstätigkeit in Wissenschaft und Wirtschaft wurde noch relativ wenig nachgedacht. Absehbare Zukunftsprobleme unseres Landes - die in vielen Fällen ja identisch mit denen kleinerer Industriestaaten sind - wurden noch zu wenig mit den vielfachen Forschungsmöglichkeiten an Universitäten, in wirtschaftsnahen Instituten und im Unternehmenssektor verknüpft. Dies nicht zuletzt deshalb, weü es in Österreich als politisch „stillos“ gilt, solche Zukunftsprobleme allzu deutlich auszusprechen.

Eine Analyse der konkreten wirtschaftlichen, sozialen, kommunalen, bildungsmäßigen und sonstigen Probleme Österreichs, die durch Forschung gelöst werden könnten und müßten, steht noch aus. Anstatt dessen hat man sich teils akademisch-abstrakt, teils politisch-emotional bei Symposien und anderen offiziellen Gelegenheiten die Köpfe um eine in der Forschung angeblich fehlende „Sozialrelevanz“ zerbrochen. Dabei ist immerhin die nicht ganz unwichtige Erkenntnis herausgekommen, daß der Modebegriff der „Sozialrelevanz“ zwar keine Leerformel ist, jedoch genauer besehen in ein ganzes Spektrum von „Relevanzen“ aufgelöst werden kann, von der reinen erkenntnisbezogenen über die wirtschaftliche bis zur humanen. Ex-cathedra-Entscheidungen über „Sozialrelevanz“ von Forschungsprojekten dürfte es daher in Zukunft kaum geben. Die konkrete Problemvielfalt, zu deren Lösung Forschung künftig beitragen sollte, ist jedoch bisher erst auf wenigen Gebieten untersucht worden, so etwa in den auf wirtschaftliche Großbereiche spezialisierten Arbeitskreisen des For-schungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft.

Wertvolle ideelle Vorarbeit für eine konkrete Ausrichtung der Forschung, speziell auf wirtschaftliche und technologische Zukunftsprobleme, hat der Wiener Systemanalytiker Johann Mil-lendorfer und sein Team geleistet. Ein von dieser Gruppe in weitgehend neuen Denkansätzen entwickelter „Qualifikationsindex“ für Industriebranchen konfrontiert die Wirtschaft auf meßbare Weise mit ihrem im Prinzip schon lange bekannten Strukturproblem: Österreich setzt die hohe Qualifikation seiner Wissenschafter und Forscher, seine beste Waffe im weltweiten Konkurrenzkampf, zu wenig oder an falscher Stelle ein. Die Industrie stellt heute noch viel zu viele Produkte her, die schon bald von Entwicklungsländern zu wesentlich niedrigeren Lohnkosten produziert werden können. Forschung und Entwicklung stellen für Österreich eine erst halbgenutzte Chance dar: rund 50 Prozent beträgt der von Experten in zahlreichen Branchenanalysen ermittelte Forschungsrückstand unseres Landes.

Da sich die Rezession, wie alle Konjunkturphänomene, auf Österreich mit einiger Verzögerung ausgewirkt hat, beginnt auch erst jetzt die Diskussion um nötige Strukturverbresserung voll einzusetzen. Die Bundesregierung hegt weitreichende Pläne zur „Innovationsförderung“. Es sollen solche Investitionen begünstigt werden, die

strukturverbessernd wirken, die also mit Forschung und Entwicklung verbunden sind: Produktionseinrichtungen für neue Produkte, Pilotanlagen für neue Verfahren. Der österreichische Forschungsrat, durch übergroße Zurückhaltung bisher ziemlich unbeachtet geblieben, hat erst kürzlich der Bundesregierung eine Denkschrift präsentiert, in der daran erinnert wird, daß „Innovationsförderung“ ohne kräftige Ausweitung der Forschungsund Entwicklungsförderung und ohne Einbeziehung der nachgelagerten wirtschaftlichen Umsetzungsphase illusorisch bleiben muß. Die Regierung blieb nicht unbeeindruckt, sie erwägt eine Aufstockung der Forschungsförderung, mindestens im Bereich der Wirtschaft.

Das Thema „Innovationsförderung“ wird von der allgemeineren Diskussion um die Zukunft der Weltwirtschaft überlagert. Horst Knapp hat gegen Millendorfers These von der sich abzeichnenden wirtschaftlichen

„Tendenzwende“ hauptsächlich den Einwand erhoben, daß die Anzeichen höchstens auf eine allmähliche Tendenzänderung hindeuten. Dieser These ist leider auch die Unterstützung aller jener sicher, die sich aus Bequemlichkeit gegen den Gedanken wirtschaftlicher Strukturänderungen wehren, dadurch aber wahrscheinlich den An-

schluß an die Zukunft verpassen werden.

In einem im Vorjahr von der UNO herausgegebenen Bericht „Die Zukunft der Weltwirtschaft“ hat der amerikanische Nobelpreisträger W. Leontief eine Reihe von wirtschaftlich-technischen Trends herausgearbeitet, aus denen sich eine wahrscheinliche Zukunftssituation für die Industrieländer ergibt: Bis zum Jahr 2000 wird das Nationalprodukt dieser Länder mit allmählich sinkenden Raten weiterwachsen. Da sich jedoch Energie-und Rohstoffpreise bis zum Jahr 2000 verdoppeln bis verdreifachen, die Preise für Industriegüter dagegen etwas sinken werden, und da ferner bis zu 2 Prozent des Bruttonationalpro-dukts für Umweltschutz investiert werden müssen, werden die Konsummöglichkeiten der Bevölkerung auch bei gestiegenem Einkommen schrumpfen.

Zur gleichen Schlußfolgerung gelangt auch eine Studie des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse in Laxenburg (IIASA). Die Folgerung liegt auf der Hand: Auch für Österreich wird der künftige Lebensstandard davon abhängen, wie weit es uns gelingt, die Produktstruktur der Industrie durch stärkere Entwicklung von höchstqualifizierten Produkten, die auch Energie und Rohstoffen ge-

genüber höheren Tauschwert besitzen, zu verbessern. Verstärkte Forschung und Entwicklungen sind aber nicht nur zur Verbesserung des österreichischen Warenexports, sondern auch zur Steigerung der „Technologie-Ausfuhr“ notwendig. Wenn die von den UN geplanten Entwicklungsstrategien für die Dritte Welt zu gewissen Erfolgen führen sollen, muß eine ganze Reihe von Problemen der Entwicklungsländer durch die Beistellung von wissenschaftlichem Know-how aus Industrieländern gelöst werden. Diese Probleme reichen von der Bodenmelioration und -bewässerung („grüne Revolution“), der Züchtung von neuen Tier- und Pflanzenrassen bis zu technischen Konzepten für Maschinen und Anlagen.

Für die österreichischen Technologen, die an Universtitäten oder in Unternehmen tätig sind, wird es eine vordringliche Aufgabe sein, sich vorausschauend mit solchen konkreten Problemen zu befassen und Lösungen dafür zu entwickeln.

In vielen Fällen wird dies nur im Rahmen längerfristig angelegter Großprojekte geschehen können, an deren hohem Risiko sich auch die öffentliche Hand in gestiegenem Maße wird beteiligen müssen. Es wäre daher Zeit, die abstrakte Zukunftsdiskussion durch konkrete Problemanalysen zu ersetzen und sich durch die Debatte um forschungsorganisatorische Fragen, so wichtig diese auch sein mögen, vom grundlegenden Faktum nicht ablenken zu lassen, daß die Forschungsförderung im österreichischen Staatshaushalt noch nicht jenen Stellenwert einnimmt, der ihr im Hinblick auf die für Österreich zukunftsentscheidende Bedeutung der Innovation für unser Land zukommt.

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