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Digital In Arbeit

Zwölf Oscars für's Ländle

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Eine der größten Unsicherheiten der Wirtschaft resultiert der- zeit aus dem ständig vorgebrachten Wunsch der Gewerkschaft nach Einführung der 35-Stunden-Wo- che. Die Handelskammer Vorarl- berg hat deshalb gemeinsam mit der Industriellenvereinigung eine PR-Aktion unter dem Motto „Ar- beitszeit ist wertvoll" gestartet. Zwei Ziele werden damit verfolgt:

• Zum einen soll die Diskussion in den Betrieben und in der Öffent- lichkeit den Gewerkschaftsverant- wortlichen deutlich machen, daß die Einführung der 35-Stunden- Woche kein vordringlicher Wunsch der Arbeitnehmer ist.

• Zum zweiten soll für flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung in der Öffentlichkeit geworben werden.

Mit dieser Aktion begeben wir uns bewußt über eine gezielte Öf- fentlichkeitsarbeit auf die Suche nach Verbündeten, da wir der Überzeugung sind, daß die lei- stungsbereiten und tüchtigen Mit- arbeiter in unseren Betrieben vor die Wahl gestellt, mehr verdienen zu können oder wegen einer Ver- kürzung der Arbeitszeit Lohnein- bußen in Kauf nehmen zu müssen, lieber auf zusätzliche Freizeit ver- zichten und dafür die Gewähr haben, daß sie ordentlich entlohnt werden. Es ist im übrigen nur möglich, über eine Strategie der Reallohnerhöhung das akute Grenzgängerproblem in den Griff zu bekommen, was aber auf der anderen Seite einen Stop bezie- hungsweise einen Abbau an der Front der Lohnnebenkosten be- dingt.

Der Produktionsfaktor Arbeit - und mit ihm die Qualifikation un- serer Mitarbeiter - zählt immer mehr zu den wichtigsten Ressour- cen, über die ein Unternehmen beziehungsweise die Wirtschaft insgesamt verfügt. Der anhaltende Mangel an qualifizierten Arbeits- kräften, an dem Vorarlberg seit Jahren schon laboriert, ist ein sicht- barer Ausdruck dafür, welch ent- scheidende Bedeutung dem Human- kapital zukommt.

Und weil wir davon überzeugt sind, daß die Jugend (siehe Seite 17) die weitere Entwicklung und das Wohlergehen unseres Landes prägt, haben wir das Thema der Berufs- wahlvorbereitung zu einem der Arbeitsschwerpunkte der Handels- kammer gemacht. Eine professio- nell angelegte Hilfestellung bei der Berufswahl ermöglicht nämlich die frühzeitige Feststellung beruflicher Neigungen und Fähigkeiten von Jugendlichen, die sich dann auf- grund derartiger Beratungen für einen Beruf entscheiden können, der chancenreich ist und auch Freu- de am Arbeitsplatz vermittelt.

Genau diese Philosophie stand Pate für die gemeinsam mit dem Land gegründete Berufs- und Bil- dungsinformationsstelle (BIFO Vorarlberg), mit der wir im Vorjahr rasch und unbürokratisch eine Ini- tiative und einen Sofortstart für eine qualifizierte Berufsinforma- tion gegeben haben.

In Vorarlberg wird außerdem - wie kaum in einem anderen Bun- desland - durch ein wohlausgewo- genes, auf den Bedarf der Wirt- schaft abgestimmtes und flexibel gestaltbares Weiterbildungssystem versucht, dem Mangel an qualifi- zierten Mitarbeitern entschieden den Kampf anzusagen.

Derzeit werden vom Land ge- meinsam mit der Universität Inns- bruck verschiedene Universitäts- lehrgänge geführt. Für Maturan- ten, die sich weiter beruflich spe- zialisieren wollen, gibt es in Vor- arlberg HTL- beziehungsweise HAK-Kollegs. Im WIFI wiederum führt die Handelskammer seit Jah- ren schon Werkmeisterschulen für Berufstätige, deren Angebot eben- falls flexibel auf die Bedürfnisse der Weiterbildungswilligen bezie- hungsweise der Wirtschaft ange- paßt werden kann.

Ein neuer Schritt zur beruflichen Höherqualifizierung ist das im vorigen Jahr realisierte Vorarlberg- Technikum, welches HTL-, aber auch AHS- beziehungsweise HAK- Absolventen die Möglichkeit eröff- net, ein Technikstudium zu absol- vieren, das in etwa den Anforde- rungen einer deutschen Fachhoch- schule entspricht. Schließlich för- dert das Land im Neutechnikum Buchs aus Vorarlberg stammende Studenten, die eine exzellente Tech- nik-Ausbildung erhalten und auch in Vorarlberger Unternehmen be- schäftigt werden könnten.

Natürlich ist auch das WIFI der Handelskammer, das in Vorarlberg als das führende Institut der Er- wachsenenbildung gilt, mit seinem umfangreichen Aus- und Weiter- bildungsprogramm ein hilfreicher Partner der Wirtschaft in allen Fragen der beruflichen Höherqua- lifizierung. Übrigens: Eine erst kürzlich in ganz Österreich durch- geführte Befragung bescheinigt dem Vorarlberger Wirtschaftsför- derungsinstitut, daß es in der Wei- terbildung absolute Spitzenquali- tät bietet. Von den 18 „Oscars", die bei dieser gesamtösterreichischen Befragung von WIFI-Teilnehmern vergeben wurden, sind zwölf dem WIFI der Vorarlberger Handels- kammer verliehen worden.

Große Beschäftigungslücken gibt es in Vorarlberg nach wie vor auch im Bereich der Gastarbeiter (siehe Purtscher-Inter- view Seite 15). Da- bei könnten durch die E inf ührung des Saisonnierstatuts nach Schweizer Vorbild neue Wege beschritten wer- den. Eine befriste- te Beschäf tigungs- bewilligung mit der Auflage der Wiederausreise nach deren Ablauf und ohne Recht auf Familiennach- zug wäre ein möglicher Schritt zur Lösung der akuten Beschäftigungs- problematik zum Nutzen der ge- samten Bevölkerung ohne zusätzli- che Belastung der Infrastruktur.

Als Ersatz für fehlende inländi- sche Fachkräfte sollten darüber hinaus ausländische Leiharbeiter engagiert werden dürfen. Und schließlich sollen Asylwerber gleichfalls eine mit der Erledigung ihres Ansuchens befristete Beschäf- tigungsbewilligung bekommen, wobei diese Maßnahme allenfalls auf Fachkräfte beschränkt werden könnte.

Um im internationalen Wettbe- werb erfolgreich zu sein, spielen mehr und mehr auch die sogenann- ten neuen Technologien eine ent- scheidende Rolle. Dabei kann sich der Beitrag der Handelskammer zur Technologiepolitik im Lande durchaus sehen lassen. So hat bei- spielsweise die Handelskammer Vorarlberg im Jahre 1979 als erste Kammer überhaupt ein Referat für Forschimg und Entwicklung errich- tet, das in der Folge zum Handels- kammer-Technologie-Service (HTS) ausgebaut wurde und nun- mehr in das Vorarlberger Techno- logie-Transfer-Zentrum (VTTZ) in- tegriert worden ist. (Siehe FUR- CHE-Dossier 38/1988)

Im WIFI selbst wurde als An- sprechpartnerin Sachen Technolo- gie eine eigene Technikergruppe gebildet, die neben Bildungsaktivi- täten vor allem Beratungsaufgaben wahrzunehmen hat. Darüber hin- aus wurde gemeinsam von Land und Handelskammer ein Innova- tionspreis dotiert, der zu einer Ver- besserung des Innovationsklimas im Lande beitragen soll.

Schließlich wurde mit der erst kürzlich gegründeten Bodensee- Technologie-Kooperation (BTK) ein Dienstleistungsangebot ge- schaffen, um den Technologietrans- fer über die Staatsgrenzen hinweg zu beleben.

Der Autor, Senator h. c, ist Präsident der Handelskammer Vorarlberg.

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