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Die Verbundenheit der Handelskammer- Organisation mit der Wiener Messe ist traditionell und ruht auf der soliden Basis sachlicher Notwendigkeit. Messen sind heute, wie eh und je, sehr wesentliche Impulse für die Wirtschaft, Kristallisationspunkte der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Werbung, der gegenseitigen Anregung der Produzenten und des Gedankenaustausches zwischen Erzeugern und Kunden. Den Handelskammern als Interessenvertretung der Wirtschaft kann daher die Gestaltung und Entwicklung, der Erfolg oder Mißerfolg der Messeveranstaltungen unseres Landes keineswegs gleichgültig sein. Sie haben vielmehr jedes Interesse daran, daß die Messen ihren Dienst an der Wirtschaft voll erfüllen und notwendige Anpassungen an den steten Wandel der wirtschaftlichen, aber auch soziologischen Struktur nicht übersehen.

Für die ausstellenden Unternehmungen wieder bedeutet das Teilnehmen an einer Messeveranstaltung erhöhte Anstrengungen in mehrfacher Hinsicht. Es geht ihnen überdies nicht darum, bloß zu repräsentieren und sich mit sichtbarem Stolz erreichter Erfolge zu erfreuen. Messen sind für sie ein Anreiz, immer wieder Neues und Besseres anzubieten. Hinter jeder „Messeneuheit“ steht ein beträchtlicher Einsatz technischen und kaufmännischen Potentials. Die in ihrer umfassenden Breite bisher noch nie erreichte Grundlage unseres Wohlstandes, die wir heute in Österreich feststellen können, ist eine Frucht dieser ständigen Bemühung der Wirtschaft um bessere Leistung.

Die Wiener Internationale Messe spielt im österreichischen Messewesen naturgemäß eine hervorragende Rolle. Allein die Tatsache, daß rund 30 Prozent der Betriebe auf Wiener Boden und ein weiterer hoher Prozentsatz in unmittelbarster Umgebung der Bundeshauptstadt liegen, würde die Bedeutung dieser Messe hinreichend darlegen. Dazu kommt, daß die Wiener Messe von Anbeginn in besonderem Maße um Kontakte mit dem Ausland bemüht war. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie galt es, die ausländischen Geschäftsverbindungen der österreichischen Wirtschaft neu zu knüpfen und der Welt zu beweisen, daß auch das kleine Österreich hochwertige Industrieerzeugnisse liefern konnte.

Diesen Export anzukurbeln, war eine Lebensfrage für Österreich, und die neu gegründete Wiener Messe hatte dabei eine unentbehrliche Aufgabe. Nach 1945, als unter nicht weniger schwierigen Bedingungen um die Wiedereinschaltung der österreichischen Wirtschaft in die Weltwirtschaft gerungen werden mußte, stellte die Wiener Messe erneut ihre Anziehungskraft für in- und ausländische Aussteller unter Beweis. Die oft zitierte „Brückenfunktion“ Österreichs und seiner Hauptstadt wurde von der Messe in besonderem Maße wahrgenommen und findet in der steigenden Zahl ausländischer Interessenten aus allen Teilen Europas ihren sichtbaren Ausdruck. Der geänderten Lage der Weltwirtschaft entsprechend, treten dabei mehr und mehr überseeische Staaten und vor allem Entwicklungsländer in Erscheinung, die noch vor zehn oder fünfzehn Jahren überhaupt keinen oder keinen nennenswerten Warenaustausch gekannt haben.

Es ist ein wichtiges Element der Zusammenarbeit zwischen der Handelskammerorganisation und der Wiener Messe, gerade dieses Interesse des Auslandes an der Wiener Messe zu fördern. Damit meine ich, nicht nur Aussteller, sondern auch echtes Fachpublikum für diese Leistungsschau der österreichischen Wirtschaft zu gewinnen. Die Leiter der nunmehr schon rund 90 Außenhandelsstellen der Bundeskammer halten mit nahezu allen österreichischen Messen Kontakt, besuchen sie anläßlich ihrer Sprechtage und der Außenhandelstagungen und stehen bei diesen Besuchen der Wirtschaft für Aussprachen zur Verfügung. Die Unterstützung, die die österreichischen Messen, insbesondere die Wiener Messe, durch diese „Pioniere der österreichischen Wirtschaft im Ausland“ erfährt, die in ihren Betreuungsländern unausgesetzt fachliches Interasse an dieser Veranstaltung wek-

ken, läßt sich naturgemäß zahlenmäßig schwer abschätzen. Für die Stellung und Bedeutung Österreichs am Weltmarkt ist diese Tätigkeit aber von unschätzbarem Wert. Ebenso bedeutet die Gelegenheit, sich an Ort und Stelle über Möglichkeiten und Modalitäten des Geschäftsverkehrs zwischen Österreich und den Betreuungsländern der Handelsdelegierten zu unterrichten, eine erhebliche Erleichterung für die in- und ausländischen Messeteilnehmer und damit einen wertvollen Dienst der Handelskammerorganisation an Messe und Wirtschaft.

Diese Bereitschaft der Handelskammern zu positiver Mitarbeit an der Wiener Messe ist kürzlich mit der Errichtung eines eigenen Pavillons der Wiener Handelskammer auf dem Messegelände deutlich geworden. Der gefällige, moderne und überaus zweckmäßig gestaltete Bau bietet nicht nur für Ausstellungen einen idealen Rahmen. Hier stehen den Handelsdelegierten für ihre Sprechtage geeignete Büroräume zur Verfügung, ebenso den Experten der Handelskammer, die in allen handels- und zollpolitischen Fragen Auskünfte erteilen. Dolmetscher vervollständigen den Mitgliederdienst der Wiener Handelskammer in ihrem Informationspavillon auf dem Messegelände. In diesem Zusammenhang verdienen aber auch noch zahlreiche andere Aktivitäten der Kammerorganisation Erwähnung. Die Ausstellungen, die etwa die Kammer Niederösterreich seit Jahren jeweils einem Gewerbezweig widmet, sind hier ebenso zu nennen wie der seit 1957 eingerichtete Verpackungs-Informationsstand des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Bundeskammer. Selbstverständlich berät auch die gesamte Kammerorganisation mit allen ihren Fachverbänden, Gremien und Innungen stets in besonderen Fachfragen die Messeleitung. Das Messegeschehen ist wie das Wirtschaftsgeschehen überhaupt in steter Bewegung, und die rasante technische Entwicklung ebenso wie die Entwicklung der Weltwirtschaft bringen Situationen und Probleme, die oft nur durch gewissenhafte Überlegung und auf Grund eingehender Erfahrung richtig zu lösen sind.

Vom Standpunkt der Wirtschaft und ihrer Interessenvertretung soll hier der Wunsch unterstrichen werden, die Messeleitung möge sich dieser Bereitschaft der Handelskammer zur Beratung und konstruktiven Mitarbeit auch in Zukunft bewußt bleiben. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß in nicht allzu ferner Zeit besondere Belastungsproben nicht nur für die Wirtschaft, sondern für alle ihr dienenden Einrichtungen eintreten, die sich aus der zunehmenden Integration Europas ergeben. Überall werden höchste Leistungen und bestmögliche Dienste gefordert werden. Ein Ausruhen auf Erreichtem und Geleistetem ist daher jetzt schon ein höchst gefährliches Unterfangen.

Die österreichische Wirtschaft hat ihre Aufgaben und Chancen erkannt und nicht erst jetzt begonnen, daraus die notwendigen Folgerungen zu ziehen; sie rationalisiert, überprüft ihre Erzeugungsprogramme und paßt sich den Entwicklungen an. Es mag sein, daß im Rahmen dieser Besinnung auch die Frage der Messebeteiligung unter die Lupe genommen und in dem einen oder anderen Fall auch mit fast selbstverständlich erscheinenden Gewohnheiten gebrochen wird, wenn sie kritischer Beurteilung nicht mehr standhalten. Zwischen Repräsentationswert und tatsächlicher Absatzförderung wird in Zeiten größter Anspannung möglicherweise schärf- stens unterschieden werden müssen und auf das eine verzichtet, wenn es nicht in ausreichendem Maße mit dem anderen verknüpft erscheint.

Auch führende Messen mit weitem Einzugsbereich sind von einer realistischen Überprüfung dieser Art nicht ausgenommen. Ständige Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Bedürfnissen ihrer Kunden und stetes Bemühen um Leistungssteigerung liegen wie bei jeder anderen Unternehmung auch in ihrem eigenen Interesse.

Auch die Wiener Messe gibt sich mit ihrem gegenwärtigen Erfolg — ausverkaufte Standflächen und hohe Besucherzahlen — nicht zufrieden. Auch nicht mit dem Gedanken, daß sie als größte Messeveranstaltung Österreichs und — wie sie nach der Gründung der Europäischen Freihandelszone nicht ohne Stolz erwähnen durfte — des ganzen EFTA-Be- reiches über eine gesicherte Anziehungskraft verfügt. Der starke Aufschwung, den die internationalen Fachmessen in den letzten Jahren genommen haben, ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß im Messewesen schon beim gegenwärtigen Stand der Integrationsentwicklung neue Tendenzen fühlbar werden. Noch ausgeprägter könnten .sie deutlich werden, wenn Österreich in eine engere Verbindung zum Gemeinsamen Markt gelangt.

Rechtzeitig alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen, gilt für uns alle, wenn wir auch alle wieder an künftigen Erfolgen teilhaben wollen.

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