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Biographie einer Messe

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Die Biographie eines Menschen ist ein wirksamer Weg zur Würdigung «einer Leistung und zur Erkenntnis seiner Eigenart. Dies trifft auch für Institutionen zu, und so will ich heute versuchen, die Bedeutung der Grazer ..Südost- Messe“ als einer wirtschaftsfördernden und absatzsteigernden Einrichtung für unsere Stadt an Hand eines historischen Rückblickes zu beleuchten. Wir werden sehen, wie sehr das Schicksal der „Grazer Messe" mit dem der Stadt verbunden ist und wie die einmal erkannte Bedeutung dem Grazer Messegedanken trotz aller Hindernisse und Unterbrechungen immer wieder zum Durchbruch verhalf.

Die in den Jahren 1828 und 1831 in Paris und Wien durchgeführten ,,Blumenausstellungen'' und ihr internationaler Erfolg erregten die Aufmerksamkeit einiger tatkräftiger heimischer Industrieller. Schon im Jahre 1832 fand auf ihre Initiative das erste „Blumen- und Industriefest“ in Graz statt, das zu einem glänzenden Erfolg wurde und alle Zweige der steirischen Wirtschaft belebte. 1870 wurde dann die „Erste Grazer Landesausstellung“ veranstaltet, deren wirtschaftliches Ergebnis zu einer Wiederholung ermutigte, die nach Grundkauf und Bau einer „Industriehalle“ auf dem heutigen Messegelände am 1. September 1880 in festlicher Weise erfolgte. Diese Ausstellung, die von rund 250.000 Menschen aus allen Teilen der Monarchie besucht wurde, dauerte 33 Tage und brachte den Grazer Handels- und Gewerbetreibenden bedeutende geschäftliche Erfolge.

Der Verein „Industriehalle“, Initiator der beiden Ausstellungen, sah sich allerdings bald unüberwindbaren finanziellen Schwierigkeiten gegenüber, so daß er im Jahre 1901 Gelände und industriehalle der Gemeinde Graz verkaufen mußte.

Nach sorgfältiger Vorbereitung, wobei eine Reihe von Körperschaften wie Handelskammer, Steiermärkische Sparkasse und andere beachtliche Subventionen und die Stadtgemeinde die Industriehalle mit anschließendem Grund zur zer Herbstmesse“ statt. Am 29 September 1906 öffnete die erste Grazer Herbstmesse hre Tore mit allen Zeichen eines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ereignisses 123 Aussteller hatten ihre Kojen zum Teil mit erheblichen Kosten Verfügung gestellt hatten, fand im Jahre 1906 allsgestaltet. keine der oßen Firmen fehlte. die gründende Versammlung des Vereines „Gra- und.rund eine Viertelmillion Besucher strömte in die Industriehalle und den Tndustriepark. Während der Messewoche stand die ganze Stadt im Zeichen dieser gelungenen Veranstaltung: Ein Riesenfeuerwerk, musikalische Wettkämpfe alpenländischer Blas- und Streichkapellen, Maschinschreibkonkurrenzen, Fußball- und Ringwettkämpfe, Motorrad- und Trabrennen, Festvorstellungen im Opernhaus und anderes boten jedem Geschmack ein reichhaltiges Programm. Wesentlich aber war der einhellige Wunsch aller Beteiligten, die Messe zu einer ständigen Einrichtung werden zu lassen.

Um die zur Herbstmesse 1907 angemeldeten 132 Aussteller unter bringen zu können, mußte ein großes Zelt errichtet werden, eine Rinderschau zeigte Vieh aller heimischen Rassen, ergänzt durch einen Landmaschinenmarkt der namhaftesten Erzeugerfirmen; der Vergnügungspark wurde «vom Ausstellungsgelände getrennt, eine Regelung, die sich auch später immer wieder bewährte. Langsam wurde die Messe so zu einer Schau der gesamten steirischen Wirtschaft, wie es den Gründern vorgeschwebt war.

Die am 19. September 1908 eröffnete „Kaisermesse“ stand im Zeichen des Regierungsjubiläums Franz Josefs I. und hatte ihren glänzenden Mittelpunkt in der „Jubiläumsausstellung der Handwerker Steiermarks“ Weit mehr als 400.000 Besucher aus allen Teilen der Monarchie wurden gezählt, und das Grazer Geschäftsleben konnte eine kräftige Umsatzsteigerung nachweisen.

Hatte sich die Grazer Herbstmesse bis zum Jahre 1911 einerseits einen festen Platz im steirischen Wirtschaftsleben errungen und anderseits eine Sicherung der jährlichen Wiederkehr erreicht, so konnte sie nun die Aufmerksamkeit und Beteiligung der übrigen Länder der Monarchie gewinnen. Aussteller- und Besucherzahlen stiegen von Jahr zu Jahr an, und der einsetzende Brauch, auch andere Veranstaltungen zur Messezeit in Graz abzuhalten, verstärkte die wirtschaftliche Ausstrahlung auf unsere Stadt.

Nachdem alte Verluste wettgemacht und das Gelände von Jahr zu Jahr verschönert werden konnte, brachte das Jahr 1914 nach langer Zeit wieder Reserven in der Gebarung. Die Schüsse von Sarajewo unterbrachen jäh den hoffnungsvollen Aufstieg. Der Krieg und der Zusammenbruch der Monarchie machten eine Abhaltung derartiger Veranstaltungen unmöglich, und als der Verein Ende 1918 wieder zusammen trat, sah er sich völlig geänderten Umständen und einer gänzlich ungewissen Zukunft gegenüber. Nach Gründung der neuen „Grazer Messe Genossenschaft m. b. H.“ und langwierigen Verhandlungen über Form und Finanzierung der zukünftigen Messe gelang es dem Verein, am 24. September 1921 die erste Grazer Nachkriegsmesse als ' reine Warenmustermesse zu eröffnen. 568 Aussteller, Sonderschauen, vor allem der Landwirtschaft, und ein reichhaltiges Ver- anstaltungsprogramm, rechtfertigten die zuversichtliche Feststellung, daß die Messe den Anschluß an die Vorkriegsentwicklung gefunden habe. Der Umfang der Auslandsabschlüsse wies damals bereits deutlich nach dem Südosten — Jugoslawien und Italien lagen vor Bulgarien, Ungarn und Rumänien an der Spitze —, eine Tatsache, die damals nur von wenigen Weitblickenden erkannt wurde. Dieses Versäumnis, vor allem aber die politische Unsicherheit der Ersten Republik, und endlich die Weltwirtschaftskrise führten dazu, daß die Grazer Messe in den folgenden Jahren kaum über den steirischen Raum hinausdrang und mit ständigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Unter anderem war es damals auch Bürgermeister Muchitsch, der für den Weiterbestand der Messe energisch eintrat und eine Liquidation durch Steuerverzicht verhindern half. 1928 erreichte die Grazer Messe nochmals einen Höhepunkt (die Stadt feierte damals ihren 800. Geburtstag), und hier tauchte erstmals der Gedanke einer Frühjahrsmesse auf, die als Sonderschau der Energiewirtschaft abgehalten wurde. Das Jahr 1938 verwies dann durch die angeordnete Umbenennung in „Grazer Herbstschau- und Ausstellungsgenossenschaft" die Messe scheinbar endgültig auf den Platz eines Provinzmarktes, der Kriegsausbruch endlich vereitelte jede weitere Abhaltung.

Wie an vielen anderen Stätten österreichischer Wirtschaft sah es 1945 auch bei der Messe aus:

Das Gelände glich einer Kraterlandschaft, und alle materiellen Werte waren vernichtet. Geblieben war nur der Wille, wieder von vorne anzufangen, und der Glaube an die Möglichkeit dieses Unterfangens. Allen Schwierigkeiten zum Trotz wurde dann am 9. Oktober 1948 nach mehr als zehnjähriger Pause die erste „Grazer

Herbstmesse“ eröffnet. Der starke Besucherandrang und die große Zahl der Abschlüsse zeigten, daß der Gedanke richtig gewesen war, trotz der bedrängten Lage auf allen Gebieten die Messe abzuhalten. Sonderschauen und gleichzeitige Kongresse gaben den unterstützenden Rahmen. Durch planmäßige und zielbewußte Arbeit konnten in den folgenden Jahren Schritt für Schritt die Beziehungen zum Ausland — vor allem nach dem Südosten — ausgedehnt und das äußere Bild der Messe erneuert und erweitert werden. 1950 wurde die alte Industriehalle im neuen Gewand zweckmäßig und schön wiederaufgebaut, und 1952 gelang es, ein größeres angrenzendes Grundstück zu erwerben, auf dem seither die Landwirtschaft in allen ihren Zweigen Platz gefunden hat. 1954 wurde das Nordportal errichtet, das bald zum Wahrzeichen der Grazer Messe dienen sollte.

Das bisher größte Bauprojekt, die zweigeschossige Möbelhalle mit zirka 40.000 Kubikmeter umbautem Raum entstand 1955, weitere, größtenteils in Stahlbau ausgeführte Hallen für verschiedene Branchen folgten in den nächsten Jahren, und 1960 schufen sich die eisenerzeugenden und -verarbeitenden Firmen Steier- marks im Zentrum des Ausstellungsgeländes ein repräsentatives Schaufenster. Die Zahl der Aussteller stieg von 652 im Jahre 1948 auf 1200 aus 20 Nationen im Jahr 1960 — eine stolze Entwicklung! 1953 erhielt die Messe den programmatischen Titel „Grazer Südost-Messe“, mit dem sie der Richtung ihres Strebens auch äußerlich Rechnung trug. Der Versuch einer Frühjahrsmesse im Jahre 1949, vor allem, um die Landwirtschaft besser bedienen zu können, erwies sich als Erfolg, der alle Einwände zerstreute und sich seither jährlich bestens bewährte.

In diesem historischen Rückblick habe ich darauf hinweisen können, welchen Gewinn die Grazer Messe für die Stadt Graz bedeutet, wenn sich diese Erkenntnis auch erst allmählich durch-

setzte. Als Bürgermeister unserer Stadt kann ich aber nochmals betonen, wie sehr uns der Erfolg der Grazer Messe am Herzen liegt und mit wieviel Interesse wir ihr Wachstum, ihre Blüte und ihre Ausstrahlung verfolgen. Es wurde schon oft auf die ungünstige wirtschaftspolitische Lage von Graz hingewiesen. Die Grazer Messe, die mit dem „Eisenkern“ einen Mittelpunkt und mit dem Namen „Südost-Messe“ ein Ziel bekommen hat, ist ein nicht mehr wegzudenkender Helfer in dieser schwierigen Situation der zweitgrößten Stadt unserer Republik.

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