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Die Wiener Messe -Instrument der freien Wirtschaft

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Erst vor wenigen Tagen sind die letzten Hammerschläge an den zwei neuen Ausstellungshallen verklungen, die zur diesjährigen Wiener Frühjahrsmesse auf dem Rotundengelände errichtet wurden. Die beiden neuen Hallen, von denen die eine mit einem Flächenausmaß von 8000 m“ zu den größten Einrichtungen dieser Art in ganz Europa zählt, sollen der Raumnot steuern, unter welcher die Wiener Messe von Jahr zu Jahr mehr zu leiden hatte. Sie sind ein Beweis dafür, daß die Bedeutung der Wiener Messe ständig zunimmt, ein Umstand, der für unsere Wirtschaft und in Sonderheit für den österreichischen Handel höchst erfreulich ist.

Erinnern wir uns doch an die Zeit, als zum ersten Male in Wien eine Messe abgehalten wurde. Damals — man schrieb das Jahr 1923 — befand sich die österreichische Wirtschaft in einer ähnlichen Situation wie heute. Nach dem Ende eines Weltkrieges sah sich Oesterreich genötigt,, die durch den Krieg und seine Folgen zerrüttete Wirtschaft wieder neu zu organisieren, unterbrochene Geschäftsverbindungen neu anzubahnen und sich auf die durch die politischen Veränderungen geschaffene Situation umzustellen. Es hat damals nicht an Skeptikern gefehlt, die der Wiener Messe ein klägliches Fiasko voraussagten. Sie haben unrecht behalten, und der gesunde Optimismus der Initiatoren der Wiener Messe, ihr Glaube an die wirtschaftliche Lebensfähigkeit unseres Landes, ihre Tatkraft und ihr kommerzieller Weitblick haben gesiegt.

Auch die schmerzlichen, das Gefüge unseres1 Staates erschütternden Ereignisse der letzten 15 Jahre vermochten der Wiener Messe nichts anzuhaben. Schon in verhältnismäßig kurzer Zeit nach dem Kriegsende flatterten wieder die Fahnen vor den Messehäusern, und mit der fortschreitenden Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nahm auch die Ausstellerzahl ständig zu. Als Barometer für die Stellung der Wiener Messe im internationalen Handelsverkehr mag die Entwicklung der Beteiligung ausländischer Ausstellerfirmen gelten. Waren es bei der Frühjahrsmesse 1952 schon fast 900 Auslandsfirmen, die ihre Exponate zeigten, so wurde int Herbst des gleichen Jahres die Tausendergrenze bei den ausländischen Ausstellern überschritten, während gleichzeitig Einkäufer aus 45 europäischen und außereuropäischen Staaten erschienen waren. Diese Zahl hielt sich auch im darauffolgenden Jahr;- bei der Frühjahrsmesse 1954 erhöhte sie sich sogar noch auf 1260, bei der Herbstmesse auf 1300!

Das stetig wachsende Interesse des Auslandes findet sein Gegenstück in der Inlandsbeteiligung. Die Wiener Messe ist zu einem Begriff geworden, der sich im Wirtschaftsleben des europäischen Raumes im Laufe der Jahrzehnte fest verwurzelt hat.

Es wäre allerdings ein Fehler, wollte man die Bedeutung und den Erfolg der Wiener Messe ausschließlich ur nach den jeweiligen Umsatzziffern beurteilen. Jeder Kaufmann weiß aus der Erfahrung seines eigenen Betriebes, daß sein Geschäft in einem Jahr mehr, im anderen weniger abwirft. Nicht anders verhält es sich beim Messegeschäft. Es hängt von vielen Voraussetzungen wirtschaftlicher und politischer Natur ab, wie es sich in den einzelnen Jahren entwickelt. Die große Linie ist hier allein entscheidend für die Beurteilung, und da zeigt gerade der Aufschwung der Wiener Messe in den letzten Jahren, daß sie ihre Position vollkommen behauptet. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für' eine günstige Entwicklung ist aber unleugbar die möglichste Beseitigung von Hemmnissen und Schranken in den internationalen Handelsbeziehungen. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, daß das Messegeschäft wie jede Markttätigkeit um so lebhafter sein kann und sein wird, je freier die Wirtschaft ist, denn ein freier Markt ohne freie Wirtschaft ist undenkbar. Man kann daher wohl mit Recht von der fortschreitenden Liberalisierung des internationalen Handelsverkehrs einen günstigen Einfluß auf die Entwicklung der Wiener Messe auch für die Zukunft erwarten.

Die österreichische Wirtschaft hat sich in der Wiener Messe einen großen zentralen Markt geschaffen, der dem Güteraustausch im Inland und mit dem Ausland dient. Die Vorteile einer solchen Zentralisierung sind für jeden volkswirtschaftlich geschulten Menschen klar und entkräften jeglichen Gedanken an eine egoistischen Bestrebungen entspringende Monopolisierung. Deshalb mag es nicht unberechtigt .sein, wenn aus Wirtschaftskreisen gewichtige Stimmen vor einer Zersplitterung im Messewesen warnen, weil wir eine repräsentative Gesamtschau für das ganze Land brauchen. Damit soll beileibe nicht etwa ausgesprochen werden, daß der Bundeshauptsatdt ein Exklusiv-recht für die Abhaltung von Messen zugestanden werden müsse.' Es ist aber sicherlich nur zum Wohle unserer Gesamtwirtschaft gemeint, wenn ernsthafte Fachleute zu weiser Beschränkung bei der Abhaltung von Messen und ähnlichen Verkaufsausstellungen raten, da unser Land für spezialisierende Äufsplitterungeii zu klein ist! Verschiedentlich wurde die Richtigkeit dieser Ansicht auch schon durch praktische Erfahrungen da und dort bestätigt.

Die Wiener Frühjahrsmesse 1955 fällt in eine wirtschaftliche Hochkonjunktur, die verheißungsvoll für die weitere Entwicklung Oesterreichs ist. Sie wird auch heuer wieder eine Schau der Produktionsleistungen unseres Landes auf allen Gebieten bilden, sie wird aber auch unseren. Handelspartnern Gelegenheit geben, ihre Erzeugnisse bei uns zu präsentieren. Wollen wir hoffen, daß sich der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung auch sichtbar in den Erfolgsziffern der Messestatistik zeigt.

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