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Messeplatz Bundeshauptstadt

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Aus der Geschichte der Stadt Wien erfahren wir, daß sie immer mehr und mehr zu einem Wirtschaftsplatz geworden ist, dessen Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinausgingen. Die Entwicklung hat damit den Wiener Raum zu einem bestimmenden Faktor unseres wirtschaftlichen und politischen Daseins gemacht.

Dieser Wiener Raum hatte die Funktion des Zentrums eines Großreiches. Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie verlor er diese Funktion, und es bestand nun die Gefahr, daß er zu einem Ballast werden könnte. Wir erinnern uns noch alle an das verächtliche Wort vom „Wasserkopf Wien”. Diese Gefahr beseitigt zu haben, verdanken wir dem Weitblick einer Stadtverwaltung, die erkannte, daß der Wiener Raum keineswegs funktionslos geworden ist, sondern nach wie vor als bedeutendes Zentrum der österreichischen Wirtschaft mit leistungsfähigen Betrieben aller Sparten erhalten bleiben müsse, da diese große Stadt eine gut funktionierende und wachsende Wirtschaft braucht, um ihre immer größer werdenden Aufgaben erfüllen zu können.

Dieser Erkenntnis entsproß die Idee zur Gründung einer Messe. Wer vermag heute noch abzuschätzen, welcher Mut dazu gehörte, in einer Zeit wirtschaftlicher Not eine Messe zu gründen. Manche warnten, als 1920 die ersten Vorbereitungen zur Messegründung eingeleitet wurden. Nicht geringer war die Energie, unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges an die Wiedererrichtung der Wiener Messe zu schreiten. Reichtum an Initiative und Enthusiasmus beseelten jene, die trotz der Not der Zeit kühn an die Arbeit gingen.

Rückschauend auf die nun 47jährige Existenz der Wiener Messe können wir feststellen, daß Wien und die Messe eine unauflösliche Einheit geworden sind. Wenn die Stadt Wien an der Wiener Messe mehrheitlich beteiligt ist, so stellt das nur die Rechtsform dieser Einheit dar. Der Vorrangstellung, die Wien als Bundeshauptstadt im gesamtösterreichischen Rahmen einnimmt, entspricht natürlich auch die Bedeutung der Wiener Messe als Zentralinstitution der gesamtösterreichischen Wirtschaft.

Die Wiener Messe verdankt dem Verständnis und der weitgehenden Förderung der Stadt Wien jene Aufwärtsentwicklung, durch welche sie eine Spitzenstellung im Kreis der Weltmessen erreichte weniger oder gar nicht aktuell erscheinen lassen.

Dies trifft um so mehr zu, als Wachstumsverlangsamungen in den hoch entwickelten Wirtschaften nach aller bisherigen Erfahrung niemals rasch und in spektakulärem Ausmaß eintreten, sondern nur als langsamer, schleifender Prozeß ablaufen, solange weltweit annähernd Vollbeschäftigungsbedingungen gegeben sind.

Die kurzfristigen Konjunkturschwankungen verdecken deshalb meist die Änderungen des Wachstumstrends und lassen diese erst deutlicher hervortreten, wenn die Trendänderung schon seit Jahren wirksam geworden ist. Für Österreich trifft dies ebenso eindeutig zu, wie für einige andere westeuropäische Industrieländer.

Ein wichtiger Grund für die Wachstumsverlangsamung sind die Änderungen auf den internationalen Märkten für österreichische Exportgüter. Die Verkäufermärkte für Kohle, Eisen und Stahl, Papier, Holz, teilweise für Erzeugnisse der Schwerchemie, des Stahlbaues und der elektrotechnischen Schwerindustrie wandelten sich zu Käufermärkten und verlangsamten nicht nur die Expansion der betroffenen Zweige, sondern engten auch deren Ertragserwartungen stark ein. In der gesamten österreichischen Außenwirtschaft haben sich die Tendenzen um das Jahr 1960 geändert. Die Gütereinfuhr nimmt seither rascher zu als der Export. (Die gegenläufigen Veränderungen im Vorjahr waren nur konjunkturell bedingt.) Das Wachstum des österreichischen Exports bleibt hinter der Entwicklung des Welthandels zurück.

Die österreichische Wirtschaft hat sich nicht rasch genug den Änderungen und neuen Entwicklungen auf den internationalen Märkten angepaßt. Eine bedeutende Ursache für die Anpassungshemmnisse liegt in der in Österreich verwurzelten Mentalität, welche die Mobilität der Arbeitskräfte und die Risikofreude der Unternehmer lähmt. Am Anfang einer wachstumsfördernden Strukturpolitik wird demnach die Wettbeweirbspolitik zu stehen haben und die Einsicht, daß langfristige Sicherheit in einer modernen, weltoffenen Wirtschaft niemals durch bedingungslose Verteidigung besetzter Positionen erreicht werden kann, sondern nur durch eine rasche und elastische Anpassung an die sich dauernd ändernden Märkte der Weltwirtschaft und Österreichs. Österreich muß mit dem Weltmarkt verflochten bleiben und sich daher auch dem ausländischen Wettbewerb stellen. Die Teilnahme an der Integration der großen europäischen Märkte ist deshalb eine vordringliche Aufgabe der Wirtschaftspolitik.

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