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55 Jahre Grazer Messe

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Am 29. April 1961 öffnet die Grazer Frühjahrsmesse ihre Pforten. Wieder wird sie eine Fülle von Neuheiten aus allen Sparten der Wirtschaft bringen, wenn sie auch, wie jede Früh jahrsmesse in Graz, vornehmlich im Zeichen des Eisens steht. Wieder wartet sie mit interessanten in- und ausländischen Sonderschauen auf, mit denen sie bestimmte Besucherkreise noch zusätzlich anzuziehen weiß, wieder wird sie den Kranz ihrer modernen Hallen um eine neue bereichern. Wer die Grazer Messe zum

Beispiel das erstemal 1948 gesehen hat und wer sie im Herbst 1960 besuchte, der staunte wahrhaftig, wie sehr sich das Bild der Messe von damals zu ihren Gunsten verändert hatte. Da neue Bauten entstehen, neue Pläne ins Auge gefaßt werden, die alle der Ausweitung, der Verschönerung und der branchenmäßigen Zusammenfassung dienen sollen, mag es nicht uninteressant sein, einmal einen Rückblick auf das Werden dieser wirtschaftlichen Großveranstaltung zu werfen.

Aus kleinem Anfang hat sie in einer ruhigen, aber steten Entwicklung Hand in Hand mit einem sehenswerten Auf- und Ausbau eine hohe wirtschaftliche Bedeutung erlangt, dies trotz zweier Weltkriege und einer verheerenden Inflation in den Jahren 1919 bis 1923.

Ihr Geburtstag fällt in das Jahr 1906, also in eine Zeit, in der die Landeshauptstadt der Steiermark durch die Eröffnung der neuen österreichischen Alpenbahnen in die Gefahr einer Verkehrsisolierung geriet Helle Köpfe unter den Grazer Geschäftsleuten berieten zuerst im engsten Kreis verschiedene Maßnahmen, die zu einer Belebung der Wirtschaft in der mit Vor liebe von Pensionisten aufgesuchten Murstadt führen könnte. Sie kamen schließlich zur Ansicht, daß es am günstigsten wäre, auf dem Wege einer Messe aus dem stillen Refugium von Ruheständlern des mittleren und gehobenen Dienstes eine pulsierende, lebendige Stadt zu schaffen, deren Geschäfte und Auslagen zu vermehren, verschönern, zu modernisieren und so neben Stadtpark und Schloßberg neue Anziehungspunkte zu gewinnen.

Diese Ideen waren es, die am 6. Juni 1906 zur Gründungsversammlung des Vereins „Grazer Herbstmesse“ führten. Auf Grund eines Aufrufes der Vereinsgründer traten fortschrittliche Geschäftsleute dem neuen Verein bei und stellten sich auch den Vorbereitungsarbeiten für die erste Grazer Herbstmesse zur Verfügung. Am 29. September 1906 konnte diese erste Grazer Herbstmesse feierlich eröffnet werden. Wohl waren es nur 129 Kaufleute und Handelstreibende, die hier ihre Waren in oft sehr hübsch ausgestalteten Kojen oder Pavillons ausstellten, aber ihr Risiko lohnte sich sehr, zum Ärger jener, die auch nicht das kleinste Wagnis auf sich nehmen und lieber einmal abwarten wollten; denn unter den 80.000 Besuchern dieser ersten Grazer Messe hatten sich doch viele gefunden, die ihren persönlichen oder betrieblichen Bedarf auf der Messe deckten, so daß die geschäftlichen Erfolge der ausstellenden Firmen alle Erwartungen übertrafen und die Zauderer das Nachsehen hatten.

Durch den günstigen Abschluß der Messe angespornt, veranstaltete der Verein „Grazer Herbstmesse“ schon im folgenden fahr die zweite Messe, die nicht minder günstige Wirkungen zeitigte. Den Vogel aber schoß die Messe im Jahre 1908 ab, als das 60iährige Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josefs gefeiert wurde. Zur Eröffnung der Kaiser-Jubiläums- Herbstmesse waren nicht weniger als fünf Minister erschienen und die Besucherzahl überschritt 400.000! Die Grazer Geschäftswelt erzielte Umsätze von 1,5 Millionen Kronen Nach diesem Rekordbesuch waren einige Pessimisten im Verein „Grazer Herbstmesse“ der Meinung, man solle mit der Abhaltung der nächsten Herbstmesse jetzt einige Jahre zuwarten, um einem etwaigen Mißerfolg aus dem Wege zu gehen, aber wieder setzten sich die Optimisten durch: die Herbstmesse wurde auch 1909 abgehalten. Ihr sehr befriedigender Abschluß gab jenen recht, die stets dafür eintraten, die Grazer Herbstmesse zu einer Dauereinrichtung zu machen. Ein diesbezüglicher Antrag wurde auch angenommen. Der große Erfolg der Unterrichts-ausstellung im Jahre 1912, die. in den Rahmen der Messe als Sonderschau eingebaut worden war, veranlaßte die Messeleitung für das Jahr 1914, eine neue Sonderausstellung vorzubereiten, die einzig und allein der Frau gewidmet werden sollte. Die Arbeiten dafür waren fast schon beendet, als die Schüsse von Sarajewo gellten und nicht lange darnach der erste Weltkrieg zum Ausbruch kam welcher der Grazer Messe ein jähes Ende bereitete.

Im Jahre 1918 starb die alte Donaumonarchie, aber am Leben blieb der Verein Grazer Herbstmesse". Seine Leitung war fest entschlossen, die Grazer Messe in Form einer Warenmustermesse Wiedererstehen zu lassen. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten des Reiseverkehrs, der Ernährung, der unguten politischen Verhältnisse, trotz der noch schwierigen Beschaffung der notwendigen Geldmittel und der Geldentwertung war es im Oktober 1919 schließlich so weit, daß der Verein „Grazer Herbstmesse“, der sich inzwischen in eine Genossenschaft m. b. H. verwandelt hatte, am 24. September 1921 die erste Nachkriegsmesse mit 568 Ausstellern eröffnen konnte. Die katastrophal fortschreitende Inflation und die zahlreichen Streiks brachten es allerdings mit sich, Jaß die zweite Nachkriegsmesse nur noch $42 Aussteller zählte. Neue der Messe auferlegte Steuern und Abgaben und die Auswirkungen der Zusammenbrüche großer Banken führten schließlich zu einer schweren Krise, ja, die Messe stand buchstäblich vor dem Konkurs, der nur im letzten Augenblick durch die Aufbringung neuer Geldmittel vermieden werden konnte. Nach der Stärkung ihrer finanziellen Basis ging es mit der Messe rasch wieder aufwärts. Aussteller- und Besucherzahlen stiegen von lahr zu Jahr, so daß ihr die Weltwirtschaftskrise und die politischen Unruhen des Jahres 1914 nichts mehr anhaben konnten. Erst nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges verfiel sie wieder in Agonie, aus der sie erst zehn Jahre später, am 9. Oktober 1948. erwachte.

Die erste Messe nach dem zweiten Weltkrieg,

die buchstäblich aus dem Boden des durch Bombentreffer fast gänzlich zerstörten Messegeländes gestampft wurde, zählte bereits 652 Ausstellerfirmen, und der Besucher waren so viele, daß im folgenden Jahr zum erstenmal bereits zwei Grazer Messen, eine im Frühjahr und eine im Herbst, abgehalten wurden. Die

Herbstmesse 1959 konnte schon 8 57 Aussteller buchen, und diese Zahl stieg allmählich bis rund 1200. Kein Wunder, daß die Messeleitung nun mit wahrer Begeisterung an den modernen Wiederauf- und Ausbau schritt. Entzückende Gartenanlagen und staubfreie Wege wurden geschaffen, die alten Holzbauten verschwanden allmählich, neue Hallen in Beton, Glas und Eisen wuchsen zur Höhe, die Drähte für Telephon. Licht- und Kraftstrom wurden in die Erde verlegt, an Stelle des schon baufällig gewordenen Gebäudes, in welchem die Messegaststätte untergebracht war, steht heute gleichsam als Eisenkern der Grazer Messe die im Vorjahr erbaute Stahlhalle, eine schon durch ihre Konstruktion sehenswerte Halle, in der auf jeder Grazer Frühjahrsmesse die eisenerzeugenden und eisenverarbeitenden Firmen ihre Qualitätserzeugnisse ausstellen.

Aber die Leitung der Grazer Messe begnügte sich nicht, auf den ‘Lorbeeren, die sie sich um den staunenswerten Auf- und Ausbau erworben hat, nun eine Zeitlang auszuruhen.

Im Jahre 1953 nahm die Grazer Messe den Titel ..Südost-Messe" an, um schon in ihrem Namen das Ziel ihres unentwegten Strebens zu offenbaren, nicht nur ein Schaufenster der heimischen Wirtschaft und ein Treffpunkt ausländischer Firmen zu sein, sondern auch ein großer Umschlagplatz für den gesamten Handelsverkehr zwischen Nord-, Mittel- und Westeuropa und den im Süden und Osten gelegenen Staaten Europas zu werden. Aus dieser Blickrichtung heraus begrüßt es die Grazer Südost-Messe ganz besonders, daß die nachbarlichen Beziehungei» zwischen Österreich und Jugoslawien in def letzten Zeit eine erfreuliche Auflockerung erfahren haben und daß sich im Zuge dieser günstigeren Atmosphäre nun auch die Handelskammern von Kroatien und Slowenien entschlossen haben, auf der Grazer Südost-Messe, zu deren Stammgästen Jugoslawien mit seiner Kollektivschau schon seit mehr als einem Dezennium zählt, nun auch selbst einen repräsentativen Pavillon für eine Sonderschau zu erbauen. Neben Jugoslawien werden auch mehrere ungarische Firmen und noch viele andere aus mehr als einem Dutzend fremder Staaten auf der Grazer Südostmesse erscheinen und damit den Beweis liefern, daß die Bedeutung dieser Messe schon weit über die österreichischen Grenzen hinaus anerkannt und gewürdigt wird.

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