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Sensation im Dom: Eine Messe

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Zehntausende Katholiken, möglicherweise aber auch Angehörige anderer Konfessionen, aus dem In- und Ausland, hatten - wie die Agentur „Mission Europa" am 265. des Jahres 2030 berichtete - keine Kosten gescheut, um einem der seltensten Ereignisse in Österreich beizuwohnen. Es war gelungen, einen südamerikanischen Priester einzuladen, der im Dom eine Messe feierte. Die internationalen Medien werteten die Sensation durchwegs mit dicken Schlagzeilen. Die spontan gebildete Gruppe „Pro Mis-sa" forderte in diesem Zusammenhang in einer Demonstration, daß künftig solche Meßfeiern wenigstens einmal jährlich stattfinden sollten.

Im Inneren des Domes bot sich ein ungewohntes Bild. Die Monitoren, Vitrinen und museumsdidaktischen Apparaturen waren aus dem Mittelschiff entfernt worden, so daß der Raum den überraschenden Anblick seiner ursprünglichen Wirkung bot. Auch der Touristenführungsbetrieb war eingestellt. Die meditative Ruhe, die dadurch entstand, wurde nur durch das Gemurmel der Besucher beeinträchtigt, die die Kirche dichtgedrängt füllten.

Die Älteren unter ihnen erinnerten sich mit feuchten Augen ihrer Jugendzeit und erzählten mit gedämpfter Stimme, daß es damals noch tägliche Meßfeiern gab. Jüngere lauschten diesen Berichten mit Skepsis, hatten jedoch in Büchern davon gelesen und waren gespannt auf die erste Life-Messe ihres Lebens. Daß eine Messe hohen Seltenheitswert bekommen wird, hatten gegen Ende des 20. Jahrhunderts die damals noch amtierenden Bischöfe mehrmals sorgenvoll betont.

Ein alter Mann hatte sogar ein Gebetbuch mitgebracht und summte sehr leise eine Melodie, die von einem gewissen Österreicher namens Schubert stammen sollte. Einige Umstehende schüttelten mißbilligend den Kopf, und eine Dame bemerkte zu ihren mitgebrachten Kindern, daß es unvorstellbar sei, wie in diesen vergangen Zeiten der Gesang ohne Verstärker und Schlaginstrumente möglich war. Jedenfalls war die erwartungsvolle und teilweise erinnerungsträchtige Spannung schon vor Beginn der Messe ungewöhnlich groß.

Die Assemblage im Altarbereich war von jener raffinierten Einfachheit, die die Hand eines Star-Architekten vermuten ließ. In der Mitte stand ein weißgedeckter Tisch, darauf zwei Kerzen und in der Mitte ein Kreuz. Dazu paßte später die Kleidung des Zelebranten. Sie war der aus der Historie bekannten römischen Casula nachempfunden. Besonders auffällig war jedoch, daß der Priester schon bei seinem Erscheinen in der Sakristei einen sogenannten Talar trug, ein langes schwarzes Kleidungsstück, vermutlich von einem teuren Designer entworfen, gewiß in der Bewegungsfreiheit nicht übermäßig praktisch, die Feierlichkeit und Herausge-hobenheit der Person jedoch eindrucksvoll unterstreichend.

In das erwartungsvolle Schweigen beim Antritt Pater Don Pasquales an den Altar fielen plötzlich völlig ungewohnte Töne. Es war die Orgel, ein kompliziertes, auf der Empore des Doms montiertes altes Instrument, welches die Besucher bisher zwar stets gesehen, aber noch nie gehört hatten. Der archaische Klang war bewegend. Die Kommentatoren der 75 internationalen Rundfunkanstalten, die das seltene Ereignis übertrugen, versuchten ihren Hörern mit längeren historischen Exkursen zu erklären, welche Entwicklung seinerzeit zum Bau und Betrieb von Orgeln geführt hatte.

Gerade die Einfachheit der nach-konziliaren Liturgie, die der Priester feierte, erweckte ungeahnte Gefühle. Zwar wurden die Gebärden und Segensformeln durchaus verstanden. Die Antworten, die einige der heiligen Grußformeln erheischten, fielen verständlicherweise spärlich aus, weil nur ganz wenige Alte auf Worte wie „Der Herr sei mit euch!" oder „Erhebt die Herzen!" eine passende Ergänzung wußten. Im Laufe der Messe und mit Hilfe verteilter Texte spielte sich jedoch die Teilnahme der Gemeinde allmählich ein.

Zur Wandlung läuteten die Glokken. In der ganzen Stadt entstand dadurch Aufmerksamkeit. Polizisten und einige Gutinformierte teilten den Fragenden mit, daß heute im Dom eine Messe gefeiert werde. Einige fragten „Was ist das?" und brachten die Auskunfterteilenden damit in Verlegenheit.

Es wäre natürlich sehr erfreulich, wie eine Blitzumfrage der Medien bestätigte, wenn künftig wieder öfter mit solchen Messe-Ereignissen gerechnet werden könnte. Voraussetzung wäre ein österreichischer Priester. Es meldeten sich auch bereits mehrere potente Sponsoren, welche die Ausbildung und Weihe eines solchen Mannes im Ausland unterstützen wollten. Angeblich scheitert jedoch die Kandidatur bisher am Zölibat.

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