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Glasgemälde in Barockbauten

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Es besteht heute vielerorts die Notwendigkeit, die durch die Luftangriffe zerstörten Fenster in den Kirchen wiederherzustellen. Dazu kommt noch das berechtigte Bestreben, die Gotteshäuser in würdiger Art zu verschönern. Damit taucht die Frage auf: Darf man unsere Kirchen, die in ihrer übergroßen Mehrzahl aus dem 18. Jahrhundert stammen, mit modernen Glasgemälden ausstatten?

Der moderne Denkmalsdiutz steht diesem Gedanken heute ablehnender gegenüber als vor 20 Jahren. Niemand kann leugnen, daß die Denkmalschutzbewegung ihre Grundsätze in verhältnismäßig kurzer Zeit schon wiederholt in vielen auftauchenden Fragen geändert hat. So wurde ein prachtvoller Altar Meinrad Guggenbichlers. des größten Barockschnitzers, kurz vor der Jahrhundertwende mit Billigung der Behörden auf den Dachboden verbannt und nun allerdings wieder hervorgeholt. Ähnliches ist nicht nur bei uns geschehen, sondern man ist auch im benachbarten Bayern so vorgegangen.

Angesichts solcher Wandlungen im Urteil und Vorgehen der amtlichen Denkmalpflege erscheint es manchesmal berechtigt, an ihrer Unfehlbarkeit leise Zweifel zu äußern. Gerade von den zünftigen Kunsthistorikern und -ästheten aller Kreise sind seinerzeit ungerechte und vernichtende Urteile über ganze Stilperioden ausgegangen. Das Barock fand man schwulstig, überladen, verkrampft und bäurisch, und weil man dem Rokoko all das nicht nachsagen konnte, erklärte man es für unkirchlich. Es ist bezeichnend, daß erst in allerletzter Zeit ein Werk wie D e c k e r s „Barockplastik in den Alpenländern“, das doch schon längst fällig war, erschienen ist. Heute freilich werden der barocke Raumgedanke, die Farbenfreudigkeit des Rokoko, sowie die Kraft und Innigkeit der Skulpturen beider Stile wieder geschätzt. Ja, man geht nunmehr so weit, zu fordern, daß diese absolut konserviert und unberührt erhalten werden sollen.

Von diesem Gesichtspunkt aus vertritt die moderne Denkmalpflege immer stärker den Standpunkt, keine Glasgemälde in Barockkirchen zu dulden. Praktisch würde dies in der weiten Mehrzahl der Fälle bedeuten, überhaupt keine Glasgemälde mehr in den Kirchen anzubringen. Denn wo in öste'rreich und im süddeutschen Raum zumindest gibt es noch gotische Kirchen, vor allem solche, mit noch alten gotischen Einrichtungen, in die vielleicht Glasgemälde gesetzt werden dürften? Aber selbst in diesen Fällen erhebt sich die Frage nach dem Stil, in welchem die neuen Fenster geschaffen werden sollten. Das Ziel der Kunst ist, zu gefallen und zu schaffen, was schön ist — aber wo ist die Norm, die hier das persönlich subjektive Empfinden vom objektiven, zeitlos gültigen Wert scheidet? Stil ist die jedem Jahrhundert und jedem Menschen in diesem eigene Handschrift. Sie gleichen sich an, schwimmen ineinander und stammen voneinander ab. Ist Matthias Grünewalds schmerzverkrampfter und doch so gewaltiger Gekreuzigter rein gotisch oder gleicht er nicht in vielem einem hautzerfetzten und blutenden Christus des 18. Jahrhunderts und hat nidit sogar Adelharts wuchtiges Kreuz in der Vorhalle des Benediktiner-Kollegs zu Salzburg manches ihm ähnliches?

Werke der Plastik und Malerei geben sich ja oft im gewöhnlichen Sinn stilrein und blieben es, weil Eingriffe an ihnen unmöglich waren und sidi nicht lohnten. Aber wo sind die stilrein erhaltenen und gebliebenen Bauten des gotischen Mittelalters? S t e t-h a i m e r setzte an das romanisch gelassene Langhaus, der Franziskanerkirche in Salzburg seinen herrlichen gotischen Chor, in dem das 18. Jahrhundert einen Hochaltar seines Geschmacks stellte. Das Barock hat zahlreichen gotischen Kirchen einen Mantel nach dem Schnitte seiner Periode übergeworfen oder wenigstens einen solchen inneren Aufputz gegeben. Das alles findet die heutige Denkmalpflege nun nicht bloß interessant, sondern auch — man kann ihr darin ruhig beistimmen — richtig gehandelt. Sobald aber die Gegenwart etwas zum Schmucke einer Kirche tun will, hebt der Konservator drohend den Zeigefinger. Was dem Künstler der vergangenen Jahrhunderte damals gestattet war und heute noch gebilligt wird, soll auf einmal für unsere Zeit verboten sein.

Mit diesem Standpunkt zeigt sich der Denkmalschutz vielleicht formalistisch erstarrter als es die Stilperioden aller vergangenen Zeiten gewesen sind. Es ist richtig, daß die Barockzeit keine gemalten Glasfenster kennt, aber daraus ergibt sich noch lange nicht der Schluß, daß man nun heute in ein barockes Gotteshaus keine solchen hineinsetzen dürfe. Das Barock hatte nicht bloß die Kunst der Glasmalerei vergessen und konnte keine solchen Fenster mehr anfertigen. Es erkannte nicht einmal ihren Wert. Deshalb hat es sich die Freiheit genommen, sie sogar aus den Kirchenbauten vergangener Zeiten zu entfernen. So kamen, um nur ein Beispiel zu nennen, die herrlichen alten Fenster des Münchener Frauendomes einst ins Unterdach, von wo man die in Kisten verpackten Scheiben erst bei der vorletzten Restaurierung wieder hervorgeholt hat. Die Künstler der Barockzeit handelten so. weil die strengen Linien und oft tiefen Farben der alten Gläser dem Grundzuge des Barockmenschen widersprachen und — wie es einmal von einem Zeitgenossen ausgedrückt wurde — man ..die Liechten in das Gotteshaus bringen wollte“. Aus diesem Bestreben einer grundlegenden

Forderung ihrer Epoche gerecht zu werden, schreckten sie selbst — man möchte es so bezeichnen — vor künstlerischen Brutalitäten nicht zurück. Denn letzten Endes war die Entfernung der alten Glasfenster aus den gotischen Kirchenräumen doch eine Beraubung dieser, während es sich heute bei der Anbringung von Glasgemälden in den Kirchen der Barockzeit um eine Bereicherung handelt.

Kirchen sind zunächst keine Museen für tote Gegenstände oder Mausoleen voll kühlen Moderduftes, sondern Räume des pulsierenden Lebens und Erlebens. Wenn man nun den Chor eines so geschlossen wirkenden Bauwerkes, wie es der Bamberger Dom ist, in letzter Zeit neu ausmalen ließ, warum soll dann eine Barockkirche keine Glasgemälde erhalten dürfen? Neulich wurde allen Ernstes und tadelnd bemerkt, daß solche an sich gewiß schön sind, aber nicht zu einer bestimmten Kirche paßten, weil diese die vom Architekten beabsichtigte Stimmung eines edlen frühklassizistisdien Kirchenraumes fühlbarerweise beeinträchtigten.

Allerdings muß man bei der Beschaffung von neuen Glasfenstern im Geiste der alten handeln, was jedoch nicht heißt, ihnen sklavisch ihre Schnörkel abzugucken. Was in das Gotteshaus kommt, muß zu seiner Würde und dem bereits Vorhandenen stimmen, ohne ihm gleichen zu müssen, so wie Rokoko absolut keine schematische Symmetrie, sondern ausgewogene Harmonie und Gleichgewicht bedeutet. Noch vor 50 Jahren wurden unglücklicherweise in mehr oder weniger gotisch gebliebene Kirchen Fenster mit dunklen Teppichmustern gegeben. Kein vernünftiger Mensch wird das heute mehr vertreten. Weshalb sollen in Barockkirchen nicht Fenster moderner Form angebracht werden? Oder meint man, die Lösung sei besser, wenn Rocaillen und Kartouschen ah äußere Umrahmung gegeben werden, während die von ihnen umschlossene Gruppe doch ganz klar zeigt, daß ein solches Glasgemälde dem vergangenen oder jetzigen Jahrhundert angehört?

Dabei ist modern nicht im Sinne eines kubistischen Surrealismus zu verstehen, sondern von einer Linienführung,'die bei aller schlichten Einfachheit groß wirken kann und auf diese Weise verbunden mit einer warmen Farbengebung auch dem gewöhnlichen Kirchenvolk gefällt. Auch dieses nämlich, und nicht bloß der Konservator und Künstler, hat in der Kirche mitzureden. Gerade die gewöhnlichen Leute sind in ihrem gesunden Urteil im Laufe der Jahrzehnte gleich geblieben. Sie waren in ihrem Innersten einst gegen die Regotisierungen, wenngleich sie sich durch Höhergestellte und anscheinend Gescheitere bereden ließen, ihr gutes Geld für derlei Verwüstungen herzugeben. Sie vertrauten zu viel und sahen zumeist erst post festum, daß man ihnen die schönen barocken Altäre gegen eine erbärmliche Stangengotik genommen und anstatt des echten Goldglanzes nur mattes ölgold oder gar Goldbronze geboten hatte.

Niemand kann bestreiten, daß Glasgemälde einen Schmuck jeder Kirche bilden. Das Feuer ihrer flüssigen Farbenlichter, das von ihnen ausgehend im Räume und auf den Bänken spielt, fühlt der Besucher 'zu allererst und schon lange, noch bevor er die übrigen Einzelheiten an den Wänden und auf den Altären gewahr wird. Barock und noch mehr Rokoko sind Farbe und Wärme, sind Licht und Leben. Nicht ohne Grund stehen die Wieskirche, Ottobeuren. Weltenburg Vierzehnheiügen, Banz, Wilhering, Melk und Göttweig und viele andere ihnen ebenbürtige Bauten im katholisch-süddeutschen und österreichischen Raum. Einen Prandtauer. Lukas von Hildebrand, Fischer von Erlach, Johann Michael Fischer, Balthasar Neumann, die Gebrüder Zimmermann und Asam, um nur einige zu nennen, vermag ein Nordländer schwerlich in seinem Letzten zu verstehen. In deren Bauten leuchtet von allen Kuppeln und Wänden die Farbe. Die Kirchen sind in erster Linie ein malerischer Akkord aller Lichter des Regenbogens und erst in zweiter Linie ein gelöstes architektonisches Problem. Eine unerhörte und oft unmöglich scheinende Pracht der Farbe sowie ein reicher Schimmer von Licht und Gold.ist in diesen Gotteshäusern verschwenderisch ausgestreut und das nicht nur in großen und gewaltigen Kirchenbauten, sondern oft schon in einfachen Pfarrkirchen und kleinen Kapellen. Wer daher meint, Glasgemälde widersprechen als zu luxuriös einer gewöhnlichen Landkirche oder Bergkapelle, der verkennt völlig den Geist jener Zeit, die auch das gewöhnliche Volk zur Hingabe des Letzten für das Haus des Herrn begeisterte.

Nicht weil Glasgemälde ihrem Farbgefühl oder Stilempfinden widersprachen, haben Barodt und Rokoko seinerzeit die farbigen Glasfenster sogar aus gotischen Kirchen entfernt, sondern weil sie ihnen zu dunkel erschienen, zu steif und zu streng. Glasgemälde, die in Kirchen des 18. Jahrhunderts gesetzt werden, müßten daher hell und licht sein, aber doch satt und warm in der Farbe, im Glase gefärbt und nicht auf Glas gebrannt. Die Darstellungen von Einzelfiguren oder losen Gruppen müßten von durchsichtigem Blank- und Antikglas, aber nicht von Kathedralglas umgeben sein. So ähnlich, wie man eben gute moderne Fenster machen würde. Gemäßigt modern kann auch die Zeichnung sein. Das Volk fragt nicht nach dem Stil eines Kunstwerkes, das tut nur der Gebildete. Für das Volk ist entscheidend, ob es ein Kunswerk verstehen kann und wie dieses auf sein Herz und Gemüt wirkt. Ihm gefallen unter allen Umständen farbige Glasgemälde und es bleibt in seinem Urteil meist unbeirrter als offizielle Kreise, deren Anschauungen sich beinahe in jedem Menschenalter geändert haben.

Außerdem erhebt sich die Frage, mit welchelm Recht man dem Volk die Freude an Qlasgemälden auch in Barockkirchen nehmen will. Dabei ist zu bedenken, daß wir einem bereits seit Jahrzehnten berühmt gewordenen österreichischen Kunstgewerbe im Inland selbst Schwierigkeiten bereiten würden.

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