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Verpflichtendes Erbe

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Kärnten, das an Kirchen reichste Bundesland Oesterreichs, besitzt, die protestantischen Bethäuser eingerechnet, mehr als 1000 Sakralbauten, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl aus dem Mittelalter stammen. Diesen auf uns gekommenen Reichtum zu bewahren, ist selbstverständliche Pflicht, doch ist die Pflege und Erhaltung der Kärntner Kirchen dadurch erheblich erschwert, als zu den 333 katholischen Pfarrkirchen 600 Filialkirchen gehören und derzeit — zufolge Priestermangels — gegen 80 Pfarren nicht besetzt sind. Dazu kommt, daß ungefähr 300 Kirchen auf Anhöhen oder Bergesgipfeln und mindestens ebenso viele außerhalb geschlossener Ortschaften stehen.

Aus naheliegenden Gründen konzentriert sich die Pflege der Sakralbauten auf die Pfarrkirchen. Hierfür stehen, wenn Eigenmittel fehlen, Beiträge der Diözese oder des Denkmalamtes zur Verfügung. Für die Erhaltung der Filialkirchen dagegen haben die Filialisten allein aufzukommen, wenn nicht seitens des Denkmalamtes Subventionen beigesteuert werden können.

Alljährlich werden hierzulande mindestens zehn Kirchen restauriert, so daß seit Kriegsende mehr als 100 Pfarr- und Zu-Kirchen in neuem Glanz erstanden. Eine Arbeitsleistung, die nur durch das Vorhandensein Jzwöier besonders lei- stungsfähiger und seit Jahrzehnten bewährter Spezialfirmen möglich geworden ist. Beide Firmenchefs sind mehrfache Handwerksmeister und wie die Juniorchefs in allen einschlägigen Fa ehern vom Bundesministerium für Unterricht geprüfte Restauratoren. Beide Betriebe verfügen über vorzüglich aufeinander eingearbeitete Mannschaften, über bestens eingerichtete Werkstätten, eigene Transportmittel und Gerüste. Demzufolge sind sie in der Lage, Gesamtrestaurierungen zu übernehmen, d. h. sie führen alle Maler-, Faßmaler- und Vergolderarbeiten durch, sie restaurieren den Kirchenbau und seine Einrichtung.

Sämtliche Restaurierungsprogramme werden in Kommissionen von den zuständigen Vertretern des bischöflichen Ordinariates und vom Denkmalpfleger festgelegt. Der Beauftragte für bauliche Angelegenheiten des bischöflichen Ordinariates überprüft außerdem die Aufbringung der Kosten und Finanzgebarung derartiger Vorhaben, eine Zusammenarbeit, die sich in der Praxis erfreulich gut bewährt.

Wie angedeutet, bereitet die Erhaltung der Filialkirchen ernste Sorgen. Sind doch ungefähr 100 von ihnen — es handelt sich durchweg um romanische oder gotische Bauten — vom Verfall bedroht. Wenn es auch alljährlich mit Hilfe von Subventionen gelingt, einige der gefährdetsten Kirchen zu retten, reichen die vom Bund und Land beigestellten Subventionsmittel bei weitem nicht, um der sich deutlich abzeichnenden Entwicklung Einhalt zu gebieten. Deshalb ist im Einvernehmen mit dem bischöflichen Ordinariat geplant, einen eigenen Fonds zur Rettung der Filialkirchen zu schaffen, dies um so mehr, als es sich nicht nur um erhaltungswerte Baudenkmäler, sondern vor allem um altehrwürdige Kultbauten handelt, die zufolge ihrer vorzüglich ausgewählten Standorte weithin in die Täler grüßen und die allzu leicht zu Denkmälern des verfallenden Glaubens werden können.

Derzeit gilt die Wahrung der Bausubstanz als vordringlichste Aufgabe! Zu diesem Zweck ist ein Dienst für die Ueberwachung der Kirchendächer eingerichtet worden, durch den Dachschäden festgestellt und behoben werden sollen, ehe der Bau selbst und sein Inventar Schaden erleiden. Gar manche seit langem profanierte Kirche blieb uns erhalten, weil sie ein mit „Steinplatteln” gedecktes Dach besitzt. Derartige Dächer gelten als die haltbarsten und zugleich als die schönsten, weshalb versucht werden mußte, die einst in Kärnten heimische Eindeckungsart neu zu beleben. Seitdem eine Klagenfurter Firma im Plöckenpaßgebiet die erforderlichen Steine bricht und zubereitet, ist sie in der Lage, nicht nur die bestehenden bis zu 500 Jahre alten Steinplattendächer auszubessern, sondern auch Neueindeckungen vorzunehmen. Im vergangenen Jahr hat der bislang mit Holzschindeln gedeckte Dom zu Gurk ein neues Steinplät- teldach erhalten, das ebenso Gefallen findet wie die neuen steinernen Dächer der Pfarrkirche Rechberg oder der Filialkirchen Arndorf bei Maria-Sąal.

Ernste Baugebrechen, häufig durch schlecht fundierte Mauern verursacht, erfordern rasch einsetzende Sanierungsmaßnahmen.’ Wohl die schwierigste Arbeit dieser Art ist in der ehemaligen Stiftskirche von Ossiach geleistet worden. Ihr einsturzgefährdeter Vierungsturm steht heute, ausreichend fundiert, auf einem Stahlbetonrost.

Unvergleichlich größer ist die Gefahr, die den hölzernen Einrichtungen der Kärntner Kirchen durch die Anobien erwuchs. Nur selten trifft man hierzulande in einem Gotteshaus Schnitzaltäre, die nicht vom Holzwurm befallen sind. Zu ihrer Bekämpfung ist in langjährigen Versuchen ein wirksames System entwickelt worden, durch die die im Holz befindlichen Anobien getöfet und ein Neubefall der Plastiken verhindert wird. Nach dem angedeuteten Verfahren wurden die frühbarocken Apsidenaltäre des Gurker Domes gerettet und zahllose Kircheneinrichtungen saniert. Gegenwärtig befinden sich in den Werkstätten der erwähnten Firmen wertvolle Schnitzaltäre aus den Pfarrkirchen von Haimburg, Kirchbach und St. Leonhard im Lavanttal. Vom echten Hausschwamm bleiben Kirchenbauten glücklicherweise meist verschont. .Dennoch wäre ihm beinahe die urtümliche aus Holz erbaute Kirche der Hl. Dreifaltigkeit am Gray zum Opfer gefallen; sie wurde buchstäblich ja letzter Minute vor dem Einsturz bewahrt.

Bei Innenrestaurierungen wird größter Wert auf die Behandlung der Wände gelegt. Nicht minder große Mühe wird beim Freilegen der ursprünglichen Polychromierung an den Steinteilen, an Gewänden, Diensten und Rippen angewendet. Zartes Rot wiesen die Steine der Pfarrkirche von Villach auf; in der Völkermarkter Pfarrkirche fand sich ein ähnliches Rot, und hier zeigte sich, daß auch ein nur geringfügiges Abweichen vom Vorgefundenen Steinton die farbige Harmonie gestört hätte, denn an den Gewölben traten spätgotische Rankenmalereien zutage, die auf den roten Steinton genauestens abgestimmt waren. Ueberraschend reiche Farbklänge verdanken wir der Restaurierung der Rippenwerke in den Pfarrkirchen von Kötschach, Radsberg, Ebendorf und Rechberg sowie der Filialkirche Rottenstein bei Mieger. Freilich überwiegt die Zahl der einfarbigen, ocker oder grau gehaltenen Rippenwerke, wie sie in den Pfarrkirchen von Heiligenblut, St. Veit a. d. Glan, St. Leonhard i. L., Lieding u. a. gefunden wurden. Entscheidend ist, daß lasurhaft zarte Farbschlemmen den Stein in seiner Wirkung steigern, wodurch sich die Rippenfigurationen vorteilhaft vom Weiß des Gewölbegrundes abheben.

Während der Färbelung von Kirchenwänden stößt der Restaurator in Kärnten meist auf mittelalterliche Fresken, mitunter auch dann, wenn die betreffenden Kirchen in der Topographie als barocke Bauten angeführt sind. Gut ein Dutzend derartige Fälle sind seit 1945 zu verzeichnen. So prangen, um nur ein Beispiel zu nennen, an den „im 16. Jahrhundert errichteten” Langhauswänden der Pfarrkirche von Maria-Gail Wandgemälde aus dem späten 13. Jahrhundert, anderseits zieren das gotische Presbyterium der Deutschritterordenskirche zu Friesach Fresken vom Ende des 12. Jahrhunderts. Insgesamt gelang es seit Kriegsende, gegen 120 mittelalterliche Gemälde freizulegen; öfter fand man mehrere Gemäldeschichten übereinander. In der Pfarrkirche von Metnitz waren es, ein in Oesterreich einzigartiger Fall, deren fünf. Als besonders erfreuliche Funde seien hier die neuentdeckten Gemälde des Meisters Thomas von Villach in den Pfarrkirchen von Tiffen und Radlach erwähnt. £m weiteres, offensichtlich. von eine# k and stammendes Genfälde an dernWdseitigen Außenwand der Pfarrkirche von Arnoldstein ließ sich wegen seines Erhaltungszustandes nicht mehr freilegen.

Gegenüber den Fresken treten die Tafelgemälde rein zahlenmäßig auffallend stark zurück. Dennoch besitzt manch kleine Kirche gotische Tafelgemälde von hoher künstlerischer Qualität. Derartige Gemälde werden in den Werkstätten des BDA in Wien restauriert. Nachdem das durch Feuchtigkeit geworfene und gesprungene, aus Innernöring stammende Kreuzigungsbild (Mitte’15. Jahrhundert) „geheilt” aus Wien zurückkehrte, begann die Arbeit an dem berühmten Beweinungsbild von Abtei (Meister Thomas von Villach), an dessen Farbschichte sich Blasen gebildet haben. Zwei weitere Gemäldetafeln, eine von des Meisters Hand, die zweite aus seiner Werkstätte, beide von der Filialkirche St. Thomas am Walde bei Villach, sind dieser Tage in den Werkstätten in Wien eingetroffen. Barocke Oelgemälde dagegen werden in Kärnten restauriert und der Arbeitsgemeinschaft der Akademischen Restauratoren übergeben. Vor wenigen Monaten kam während der Arbeit an einem verschmutzten Altarbild aus der Schloßkapelle von Bleiburg die Signatur Tiepolos zum Vorschein.

Von den ungefähr 60 gotischen Flügelaltären des Landes sind 14 in den Jahren seit Kriegsende unter den Händen eines weiteren Spezialisten in ihrer ursprünglichen Schönheit wiedererstanden. Der Gemeindeabteilung der Kärntner - Landesregierung, die diese Aktion finanziert, sei für die Rettung unersetzlichen heimischen Kunstgutes auch an dieser Stelle gedankt.

Nicht nur an gotischen Flügelaltären, auch an mittelalterlichen Glasgemälden ist Kärnten das reichste Bundesland Oesterreichs. Alle während des Krieges ausgebauten Gemäldezyklen sind mit Ausnahme der Scheiben der Pfarrkirche von Gaisberg restauriert und wieder eingebaut. Jener Meister, der im Kriege die Bergung der Glasgemälde durchführte, restaurierte und baute die Zyklen von Friesach-Pfarrkirche (etwa 1290), Lieding-Pfarrkirche (Ende 14. Jahrhundert), Ma- ria-Höfl-Filialkirche (um 1425) und Viktring- Pfarrkirche (Ende 14., Anfang 15. Jahrhundert) wieder ein. Außerdem schuf er von dem ältesten österreichischen Glasgemälde der im Diözesanmuseum verwahrten, überaus kostbaren Magda- lenenscheibe (um 1175) aus Weitensfeld eine Kopie, die heute in der Filialkirche St. Magdalena die Stelle des Originals einnimmt.

Steinplastiken und Stuck behandelt ein vom Bundesministerium für Unterricht geprüfter Bildhauer-Restaurator; er arbeitet derzeit am früh- barocken Stuck des sogenannten Knappensaales im ehemaligen Stift zu Ossiach; die Restaurierung des zarten spätbarocken Stuckdekors der ehemaligen Stiftskirche steht bevor.

Wenig bekannt ist der Besitz an wertvollen Textilien. Allein das bischöfliche Diözesanmuseum besitzt eine einzigartige Sammlung alter Meßgewänder. Unvergleichlich kostbarer aber sind die aus dem 13. Jahrhundert stammenden Glockenkaseln und Pluviale des Stiftes St. Paul i. L. Während solcherart verwahrte, nicht mehr benützte Stoffe weitgehend vor Schäden geschützt sind, ist die Abnützung weiterhin in Verwendung stehender, jahrhundertealter Textilien erheblich. Bei dem ungefähr lOXlOm großen, 1458 datierten Gurker Fastentuch drohten die hinten aufgesetzten Flicken das Tuch zu zerreißen. In jahrelanger, unsagbar mühevoller Arbeit ist das berühmte Hungertuch gerettet worden. Zur Zeit ist die Restaurierung des 1502 datierten, mit hochwertigen Bildern geschmückten Fastentuches der Haimburger Pfarrkirche im Gange.

Schließlich gilt es — bei Bedarf —, neue Kirchenbänke, Beichtstühle und Beleuchtungskörper durch entsprechende Form- und Farbgebung der bestehenden Hąpnonie einzufügen.

Außerhalb der Kirchen und Kirchhofmauern geht das Bestreben des bischöflichen Ordinariats und des Denkmalamtes dahin, die schönen, alten Pfarrhöfe — von jedem Fremden als solche zu erkennen — vor entstellenden Umbauten zu bewahren, zu verhindern, daß „Stadtrandvillen’’ diese charaktervollen Bauten verdrängen.

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