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Das Haus des Herrn

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In jeder Diözese der weltweiten Kirche muß der Kirchenbau, soll das religiöse Leben des Gottesvolkes nicht schweren Schaden leiden, zu den brennenden Sorgen des Bischofs gehören, ob in der Mission, oder in der über völkerten Metropole der christlichen Länder wird ohne eine ausreichende Anzahl Kirchen, als Zentren der Gnade und des organischen Wachstums des mystischen Leibes Christi, ein lebendiges Christentum des Volkes nicht möglich sein.

Die rasche Verlagerung der Bevölkerungsdichte in neue Siedlungsbezirke, in denen erst seelsorglich Brennpunkte geschaffen werden müssen, stellt die Diözese oft vor ernste Probleme. Wie schwer es gerade in der Großstadt allmählich wird, die zum Kirchenbau notwendigen Plätze zu bekommen, ist kaum bekannt. Unablässig müssen die dafür Verantwortlichen die Stadtplanung und die Bevölkerungsbewegung im Auge behalten, um nicht vielleicht eine letzte günstige Gelegenheit, einen Kirchenbaugrund zu erwerben, zu versäumen.

Die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges und der wirtschaftliche Aufschwung danach machten die zweite Hälfe des 20. Jahhrun-derts zu einer Epoche der Architekten und Baumeister. Mögen im Profanbau sich Grenzen erweitert oder verschoben haben, mag das „Gesicht“ des Bauens sich geändert haben, die Gestalt der Architektur ist doch erhalten geblieben. Für den Sakralbau scheint das nicht mehr im gleichen Ausmaß zu gelten. Und das eben ist das Problem für die Kirche. Ist die „Apertura“ zur Moderne, zum Abstrakten schon zu groß oder noch nicht groß genug? Ist nicht manchmal aus abstrakt schon abstrus geworden? Zumindestens in der darstellenden Kunst? Ernste Fragen, voller Verantwortung für die zuständigen Autoritäten. Ein echter „Verlust der Mitte“ wäre wegen der Folgen für das gläubige Volk sehr bedauernswert.

Der Kirchenbau ist aber nicht nur ein architektonisches und künstlerisches Problem, sondern noch viel mehr ein finanzielles. Die katholische Kirche in unserem Lande ist im Vergleich zu den anderen großen öffentlichen Gemeinschaften gewissermaßen nur ein finanzieller „Kleinhäusler“. Obwohl die Erzdiözese Wien große pekuniäre Opfer für den Kirchenbau bringt, indem sie einen sehr großen Teil Ihres gesamten Jahre9budgets dafür aufwendet, reichen die bereitgestellten Summen immer nur zum Notwendigsten. Es muß sehr gespart werden und viele berechtigte Bauwünsche und längst fällige Instandsetzungen müssen auf spätere Termine verschoben werden. Darf doch nicht vergessen werden, daß nicht nur die kirchlichen Neubauten große Kosten bereiten, sondern daß >auch die ständige Erhaltung von etwa 1500 kirchlichen Gebäuden, Kirchen, Pfarrhöfen usw., für die Erzdiözese eine gewaltige finanzielle Last bedeutet. Es kann aber mit Genugtuung gesagt werden, daß es kaum eine Periode in der Geschichte ' der Erzdiözese Wien gab, in der so viele Kirchen und andere kirchliche Gebäude errichtet wurden als in der letzten Zeit nach dem zweiten Weltkrieg.

Seit dem letzten Bericht In der „Furche“ über den Kirchenbau in der Erzdiözese Wien (Sonderbeilage Nr. 20, 1963) wurden bis heute insgesamt elf Kirchen — teilweise mit Pfarrhöfen und Pfarrheimen — fertiggestellt, im Rohbau errichtet oder zu bauen begonnen. Da die Architekten selber über die einzelnen Bauwerke berichten, kann eine kurze Übersicht genügen.

In der Siedlung Schwarzlackenau In Flo-ridsdorf befand sich längere Zeit eine Notgottesdienststätte aus Holz. Da sie baufällig geworden war, mußte sie durch eine neue Kirche ersetzt werden. Weil das pfarrliche Leben schon aufgebaut war, wurde auch der Pfarrhof mit Seelsorgeräumen geschaffen.

Ebenfalls in Florldsdorf, in der Siemensstraße, steht eine neue demontable Kirche und ein Seelsorgehaus. Ein erstmaliges Experiment mit einer abtragbaren Kirche, das erst bei einem Wiederaufbau an anderer Stelle zeigen wird, ob es ganz gelungen ist. Der Architekt hat für seine Idee den Staatspreis bekommen.

( Beide Kirchen sind schon geweiht und dienen ihrem Zweck.

In Hainburg an der Donau wurde gemeinsam mit der Spitalverwaltung eine Kapelle für das Spital gebaut, die aber groß genug ist, um auch der pfarrlichen Seelsorge — die Pfarrkirche ist etwas entfernt — zu dienen. Auch dieses Gotteshaus wird bereits benützt.

Am 25. Juli d. J. wurde die neue Kirche in Fels am Wagram geweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die frühere Kirche mußte wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Nur das Presbyterium konnte stehenbleiben und wurde harmonisch mit dem Neubau vereint.

Noch zwei Kirchen in Niederösterreich werden im Herbst geweiht werden können. Neu-Guntramsdorf und Spillern, zwei Orte, die von der Mutterpfarre enfernt liegen und groß geworden waren, haben sich so viel eigenes kirchliches Leben erworben, daß der Bau der Kirchen notwendig und ratsam schien.

Dem Baufortschritt entsprechend muß nun das Bauvorhaben der Diözese im 14. Wiener Gemeindebezirk, am sogenannten „Baumgartner Spitz“, Erwähnung finden. Die dichte Besiedlung dieses Wohngebietes rief längst nach einem Seelsorgezentrum. Eine kleine Holzbaracke, in der der Gottesdienst gehalten wird, ist gänzlich unzulänglich. Hoffentlich kann die Fertigstellung der Kirche noch heuer erfolgen.

Die nun folgend aufgezählten Bauten wurden erst in diesem Jahre begonnen:

Im 2. Bezirk, ziemlich weitab von der Pfarrkirche Donaustadt und von der Pfarre Am Schüttel, wächst ganz eingeschlossen von Wohnblocks der Gemeinde Wien und einem großen Eigentumswohnhaus des Wiener Diö-zesanfonds für Familienhilfe eine Kirche empor, die nicht mit der Wucht und der Höhe der Umgebung konkurrieren will, die Saalkirche in der Machstraße.

Dann der Kirchen- und Pfarrhofbau — beide bilden eine architektonische Einheit — am Puchsbaumplatz in Wien X. Nachdem der langgesuchte Bauplatz vorhanden war, konnte das wegen der direkten Verbindungsstraße zu dem ungeheuer dicht verbauten Komplex des Eisenstadtplatzes wichtige Bauwerk begonnen werden.

In Wien-Fasangarten, wo Pfarrhof und Pfarrheim schon in den Vorjahren entstanden, war der Wunsch der Pfarrgemeinde nach der eigenen Kirche sehr stark geworden. An Stelle der vom Pfarrhof etwas abgelegene und als zu klein empfundenen Invalidenhaus-Kirche wird nun die neue Pfarrkirche gebaut

Die Pfarrexpositur Unter-St.-Veit will auch schon seit Jahren die zu kleine alte Dorfkirche vergrößern. Der Umbau, der eine Neubau ersetzt, wird in den nächsten Tagen beginnen, die notwendigen Abbrucharbeiten sind im Gange.

Neu-Perchtoldsdorf, eine Siedlung, für die ein eigenes Gotteshaus notwendig geworden war, möge die Reihe der Pfarren beziehungsweise Orte, die die Freude hatten, eine neue eigene Kirche erstehen zu sehen, beschließen.

Neue Pfarrhöfe wurden oder werden seit dem letzten „Furche“-Bericht in Wien-Kagran, Neueriaa, Hochneukirchen, Krumbach und Zwingendorf gebaut. Dabei ist zu beachten, daß bei den elf geschilderten Kirchenbauten auch fünf Pfarrhöfe mitgebaut wurden.

Last not least sei noch auf das größte Bauvorhaben der Erzdiözese Wien hingewiesen, das vor eineinhalb Jahren glücklich vollendet werden konnte, das zweite Knabenseminar in Sachsenbrunn.

Mag die kirchliche Bautätigkeit in unserer Erzdiözese wirklich rege und groß sein, so wird es doch noch sehr lange dauern, bis die notwendigsten schon geplanten Bauanliegen durchgeführt sein werden. Daher wird der Wunsch, daß für den Bischof und seine Priester das Wort der Schrift „zelus domus tuae comedit me“ gelte, sehr am Platze sein.

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