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Der Altar - Herz der Kirche

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Das architektonische Problem, das heute bei Planung und Bau einer Kirche auftaucht, ist die Schaffung eines Raumes, in dem den Laien das Gebet ermöglicht wird, der sie zum Beten anregt. Diese erste Forderung muß grundsätzlich erfüllt werden, da sonst eine würdige und notwendige Vorbereitung der Laien zur Teilnahme an dem großen Mysterium, dem heiligen Meßopfer, gestört oder gar unmöglich wird. Daß alle notwendigen Nebenfunktionen des Kultraumes, wie zum Beispiel die Anlagen für die religiösen Gebräuche, nicht ausgeschaltet werden sollen, wird heute wieder besonders erkannt. Es bleibt jedoch auch heute, wie in allerletzter Vergangenheit, die wesentliche Aufgabe des Kirchenbauers, zu erkennen, daß es darum geht, der betenden Gemeinde ein Haus zu bauen. Die grundsätzlichen Forderungen hierzu werden ihm von der Liturgie gestellt. Der Kirchenbauer muß also gewissermaßen die katholische Gemeinde unserer Zeit ummauern. Er muß sie einschließen in ein echtes, würdiges und vor allem auch sauber und demütig gebautes Zelt, in dem Christus einzieht und im täglichen Meßopfer die Anwesenheit des Herrn erneuert wird. Der katholische Kultraum unterstreicht durch Form und Anlage heute besonders stark, daß hier die christliche Welt mit der Ewigkeit über dem Opferaltar seine Verbindung erfährt. Der Altar im modernen Gotteshaus muß demnach den erhabensten Platz in der .Gesamtanlage erhalten, denn nur so kann er als die eigentliche Schwelle,! die zur Verbindung von hüben und drüben! wird, gelten. Architektonische Irrlehren, von übertriebener Sachlichkeit und von mißverstandenem Funktionalismus beeinflußt, haben auch den Kirchenbau der Gegenwart nicht unberührt gelassen. Die Gefahr ist dabei immer sehr groß, daß die heilige Handlung des Meßopfers einer profanen Funktion gleichgesetzt zum Ausdruck gebracht wird. Die Tatsache, daß Christus im Kultraum anwesend ist, also wohnt,

muß der Baumeister erfühlen, denn nur so kann er dieser Gegenwart des Herrn bei der Gestaltung des Gotteshauses menschenmöglichst gerecht werden. Und so wird seine hohe Aufgabe und auch die aller mitwirkenden und mitschaffenden Künstler keine freie sein. Baumeister und Künstler müssen sich in das hohe Konzept der Liturgie einordnen. Die Freiheit der Künstler im Gotteshaus ist geistig gebunden. Der Baumeister wird natürlich alle architektonischen Mittel anwenden und die Gesetze des Bauens auch voll und ganz im modernen Kirchenbau beachten. Darüber hinaus wird er jedoch immer noch sehr Bedeutendes aussagen müssen, um seiner hohen Aufgabe gerecht werden zu können. Strenge und Langeweile, bedingt durch den Einfluß mißverstandener Sachlichkeit, bis zur ärmlichsten Nüchternheit und architektonischen Armut herabgesunken, führt nun in letzter Zeit langsam auch im katholischen Kirchenbau zu einem noch sehr bescheidenen Umbruch. Gerade der katholische Mensch empfindet in seinem Gotteshaus der letzten Zeit die Nüchternheit und Leere stark. Nun, wir wissen, daß dem Künstler durch keine Visionen bei seinem Werke geholfen wird. Nur der tiefe Ernst, eine echte Hingabe und christliche Demut können ihn stärken und ihn vor unehrlicher "Arbeit bewahren. Der katholische Kultraum darf nicht industrialisiert werden und rein äußerlich nur zu kühnen technischen Form- gebilįen ,entwickelt t.jverdqp, j denen, die geistige Substanz, der m y s t i s c h e K u l t g e d a n k e, versagt bleibt. Diese Bauformen betonen viel zu sehr ihre technischen Funktionen, ohne auf den tiefen geistigen Kern, der ja das Bedürfnis zur Errichtung des Gotteshauses allein auslöst, genügend Bedacht zu nehmen. Mögen unsere Künstler heute endlich wieder auf das „Ausgefallene" und „Sonderliche" verzichten und die echte Einfachheit und saubere, phantasievolle Form pflegen und zur Geltung bringen.

Auch die gegenstandslose Kunst verliert im katholischen Gotteshaus ihren Sinn. Jedenfalls beweist ja gerade die Baukunst, daß eine

Zweckerfüllung, auch in geistiger Hinsicht, beim Bau eines Hauses nicht gegenstandslos erreicht werden kann. Im Gotteshaus, wo absoluter Gegenständlichkeit gedient wird, schließt sich gegenstandslose Kunst von selbst aus.

Das Gotteshaus ist zuerst Gebrauchsgegenstand, das heißt Ort, wo sich die Christen zum Gottesdienst versammeln und das heilige Opfer darbringen, die Wortverkündigung entgegennehmen und die Sakramente und Gnadenmittel der Kirche empfangen. All diesen Gegebenheiten muß das moderne Gotteshaus besonders gerecht werden. Dies bedeutet sinngemäß auch eine Aussage, und so muß im katholischen Kultraum alles auch zum Wort Gottes gemacht werden. Die Kunst darf dabei nicht gegenstandslos beiseitestehen. Das Wort des Priesters erfährt seine bedeutende und fruchtbringende Unterstützung durch die Werke aller im Kultraum schaffenden Künstler.

Das Gotteshaus ist auch Symbol und verkörpert eine Idee. Gemäß dieser Idee stellt das Gotteshaus die mystische Verbindung Christi mit seiner Kirche dar.

Diese grundsätzlichen Tatsachen müssen den Kirchenbauer bei seiner schöpferischen Arbeit leiten. Die Loslösung seiner Arbeit von diesen Grundsätzen führt unweigerlich zu negativen Ergebnissen, welche bestimmt nicht in genügendem Maße unserer Kirche dienen können. Der Kirchenbaumeister muß seine Kulträume liturgisch, Schließern’-und io- trotzdem geistig weit öffnen. Er muß den Kirchenraum formen, so daß; sich die Gemeinschaftsfeiern würdig vollziehen können. Im modernen katholischen Gotteshaus muß der Gemeinde alle Möglichkeit gegeben werden, damit sie sich um das Meßopfer scharen kann; denn die Gemeinde von heute bilden nicht mehr die Zuschauer, welche ihren Platz um einen Schauplatz einnehmen. Heute feiert die Gemeinde das Meßopfer anteilnehmend mit. Diese Erkenntnis ist wohl für den modernen Kirchenbau die entscheidendste Tatsache, welche in erster Linie die Anlage und die Ueberbauung dieser wesentlich beeinflußt. Es ist das Primäre und Ausschlaggebende, von dem sich alles weiterentwickelt und ausrichtet. Es ist natürlich, daß die Entwicklung der Bautechnik auch in vollem Maße ihren Einfluß auf die Gestaltung und Formgebung unserer Gotteshäuser ausgeübt hat. Gerade die katholische Kirche bemühte sich in allen Zeiten ihrer Existenz, dem Fortschritt ln der Baukunst führend gerecht zu werden, ohne dabei aber an ihrem geistigen Ausgangspunkt zu rütteln.

Um auf die Formensprache des heutigen modernen Kirchenbaus einzugehen, bedarf es wohl noch an Zeitablauf, um konsequent eine noble Beurteilung zu wagen. Wir wissen, daß wir in einer Zeit leben, welche uns ihreh technischen Fortschritt in rasendem Tempo aufzwingt. Wir erkennen, daß uns über alle Maße die Zeit und Muße fehlt, um uns für hohe Aufgaben, wie dies zum Beispiel die Errichtung einer, wenn auch kleinen Kirche darstellt, richtig sammeln und vertiefen zu können. Unsere Werke verwenden die Baustoffe von heute und wagen kühne Konstruktionen. Sie sehen sich irgendwie alle ähnlich. Wir sehen zuviel und zu schnell, und weil wir alles und zu vieles sehen (Zeitschriften der ganzen Welt enthüllen Unbekanntestes aus aller Welt, Fernsehen usw.), können wir die Eindrücke nicht mehr abwehren und überlasten unsere fruchtbare Aufnahmefähigkeit. Eine gewisse, bedauerliche Internatio- nalisierüng hat die fruchtbare Erbmasse der Bodenständigkeit, wie sich diese immer im gesunden Handwerk und der Eigenwilligkeit der verschiedenen Länder und Völker zeigte, fast ausgemerzt. Gerade im Kirchenbau der Gegenwart sind diese Phänomene besonders stark wahrnehmbar. Dazu kommt wohl noch eine besondere Sucht, beim Bauen durch Außerordent liches an gewagten Formen die Aufmerksamkeit au erregen, wofür die Presse und Kunstkritik dann Sorge trägt.

Der katholische Kirchenbau in Oesterreich ist von den genannten Einflüssen zum größten Teil etwas verschont geblieben. Er hat sich allerdings dafür in der positiven Entwicklung nicht genügend vorwärtsbewegt. Mit den zunehmenden neuen Bauaufgaben unserer Kirche wird die Entwicklung des modernen Kirchenbaues auch sehr bald in Oesterreich seinen Lauf nehmen, und es wäre nur zu wünschen, daß diese Entwicklung nicht zu sehr ungesunden und artfremden Einflüssen erliegt, da sonst ein Kirchenbau, architektonisch wahrscheinlich recht interessant, entsteht, der nicht ganz die Mission und Aufgabe seiner eigenen Kirche erfüllt.

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