6644863-1958_17_15.jpg
Digital In Arbeit

Der heutige Sakralbau

Werbung
Werbung
Werbung

Die Situation, wie sie sich bei dem Diözesanbau mit Kriegsschluß im Jahre 1945 abzeichnete, war gekennzeichnet durch Zerstörungen, die das Kriegsgeschehen in den östlichen und südlichen Gebieten der Steiermark an Kirchen und kirchlichen Gebäuden angerichtet hatte, weiter durch die Tatsache, daß in den Jahren zwischen den zwei Weltkriegen seitens der damals dafür verantwortlichen Kirchenkonkurrenzauäschüsse sehr wenig an Bauerhaltung veranlaßt worden war, und schließlich durch die dringend notwendig gewordenen Neubauten infolge Entstehens und Anwachsens neuer Siedlungen an Stadtrand- und Industriegebieten.

Dieser schwierigen Situation stand die Diözese Seckau finanziell durchaus nicht mit genügend 6tarken Kräften gegenüber. Die Organisation für die Einhebung der Kirchenbeiträge war wohl in den Kriegsjahren notdürftig aufgebaut worden, aber sie bedurfte eines weiteren Ausbaues, um der Kirche jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie nicht nur für die Sicherung der materiellen Existenz des Klerus benötigte, sondern auch um die so vielfach dringend notwendig gewordene Behebung der Baugebrechen an Kirchen und kirchlichen Gebäuden durchführen zu können. Wenn es trotzdem gelungen ist, in dieser schweren Anfangszeit nach dem Krieg Bedeutendes am Wiederaufbau der vorhandenen Kriegsschäden, an der Sanierung im Bestand von Altbauten zu leisten und selbst mit einigen dringenden Kirchenneubauten zu beginnen, so ist dies neben der sehr maßgeblichen Mithilfe der Bevölkerung der betroffenen Pfarren, besonders den damals für das Bauwesen verantwortlichen Herren der Finanzkammer, Prälat Doktor Möst! und Msgr. Dr. G o g e r — ein eigenes kirchliches Bauamt gab es nicht —, zu danken. In diese „Anfangszeit fallen fast alle Herstellungen und Wiederaufbauarbeiten von den durch den Krieg zerstörten Kirchen, wie Feldbach, Fehring, Straden u. a. An kirchlichen Neubauten wurden begonnen und zum Teil auch vollendet: eine Kirche in Bärnbach, in einer rasch aus dem Boden gewachsenen Industriesiedlung zwischen Voitsberg und Köflach: eine Kirche in Gösting-Graz, dann die bautechnisch interessante Kirche in Donawitz, ein Stahlskelettbau, und schließlich die beiden Notkirchen in Liebenau und Kroisbach.

Mit der fortschreitenden Konsolidierung des ganzen Wirtschaftslebens nahmen auch die Wünsche und Ansuchen um Sicherung des Altbaubestandes, um Restaurierung von Kirchen und Pfarrhöfen sowie auch um Erbauung neuer Kirchen in angewachsenen Siedlungsgebieten immer mehr zu. Dies bedeutete naturgemäß eine größere Arbeitsleistung für die Sichtung,Lieberprüfung und vorausschauende Planung nach den vorgebrachten Ansuchen, so daß es auch in unserer Diözese notwendig wurde, eine eigene Stelle zu schaffen, die sich ausschließlich diesen Bauaufgaben der Diözese widmete. So kam es, daß nach Uebernahme der Diözese durch Exzellenz Dr. Joseph Schoiswohl das Diözesanbauamt errichtet wurde, das ausschließlich für Bauaufgaben der Diözese zuständig und verantwortlich ist. Ein eigener Bausachverständiger ist als Fachkraft diesem Amt beigegeben.

Das neugeschaffene Bauamt suchte von Anfang an eine gewisse Planung und damit auch Einstufung der kirchlichen Bauvorhaben nach deren Dringlichkeit zu schaffen und dies den einzelnen Pfarrseelsorgern verständlich zu machen. Es sollte damit erreicht werden, daß die betreffenden Bauvorhaben auch in der Pfarre entsprechend vorbereitet werden, und insbesondere, daß die Bevölkerung für die Mitarbeit an diesen Bauvorhaben gewonnen werde, denn grundsätzlich muß bei der heutigen Finanzlage der Diözese auf eine aktive finanzielle Mithilfe der Bevölkerung gedrungen werden. Dies sowohl bei Neubauten als auch noch mehr bei Renovierungen. Diese Eigenaufbringung umfaßt in der Regel ein Drittel der gesamten Baukosten Es muß zur Ehre der einzelnen Pfarrvorstände und der Pfarrbevölkerung gesagt werden, daß wohl in den meisten Fällen dieses Drittel willig aufgebracht wird.

Wenn von der Finanzierung der Bauvorhaben in der Diözese die Rede ist, darf nicht unerwähnt bleiben, daß sowohl die Landesregierung als auch die Stadt Graz sich für die Wünsche der Diözese nach beitragsmäßiger Mithilfe bei kirchlichen Bauherstellungen nicht ablehnend gezeigt haben. Eine solche Förderung von Seiten der öffentlichen Hand liegt ja schon begründet in dem Interesse der Oeffentlichkeit an einem sauberen Ortsbild, das ja hervorragend durch das Kirchengebäude geprägt wird, und dadurch in der Förderung des Fremdenverkehrs, um gar nicht davon zu sprechen, daß ja auch die Tätigkeit der Kirche auf anderen Gebieten der Oeffentlichkeit budgetäre Ersparungen bringt (Schule, Tätigkeit der Schwestern in Krankenhäusern), die solche Förderungsbeiträge der öffentlichen Hand durchaus rechtfertigen.

Trotz all dieser Mithilfen von Seiten der öffentlichen Hand und der einzelnen Pfarrgemeinden sind die dem bischöflichen Bauamt zur Verfügung stehenden Mittel immer noch nicht ausreichend, um allen nur dringendst gemeldeten Herstellungen und Restaurierungen an Kirchen und Pfarrhöfen gerecht zu werden und auch noch wenigstens ein bescheidenes Programm von notwendigen Neubauten auszuführen. Ganz und gar müssen derzeit finanzielle Förderungen von Pfarrheimen und Kindergärten unterlassen werden„ weil die Mittel einfach nicht reichen. Diese letzteren seelsorglich so erwünschten Bauten müssen zur Zeit in ihrem ganzen Umfang den Pfarrgemeinden aufgelastet werden. Wie weit hier die Inanspruchnahme der kirchlichen Aufbauanleihe möglich und erwünscht sein wird, muß wohl erst die weitere Entwicklung in der Zukunft zeigen. Was bisher in der Diözese auf dem Baugebiet geschaffen wurde, geschah nur mit den eigenen Mitteln der bischöflichen Finanzkammer.

An Neubauten wurden seit Bestehen des Bauamtes fertiggestellt die Kirche in Knittelfeld (Arch. Prof. Dr. Zotter), der Pfarrhof in Liebenau (Ing. Bogner), die Kirche in Schirmitz-bühel (Arch. Dr. Schuster), weiter sind in Bau die kirchliche Anlage in Wetzelsdorf (Arch. Lebwohl), die kirchliche Anlage in Stainach im Ennstal (Arch. Kirchner), die Pfarrhöfe in Donawitz, Trieben und Schutzengel in Graz (alle Ing. Bogner), schließlich das Kirchlein in Greith (Arch. Weber) und der Pfarrhof in Gußwerk (Arch. Weber). Ebenfalls in Bau ist eine Kirche in Hönigsberg (Arch. Koch). Alle diese begonnenen Bauten sollen womöglich im Jahre 1958 zur Fertigstellung gelangen.

Vorgesehen sind eine Kirche in Rohrbach an der Lafnitz, einem Ort zwischen Hartberg und Friedberg mit einer aufstrebenden Holzindustrie, eine Kirche im Kurort Laßnitzhöhe bei Graz, eine Kirche in Aumühl bei Kindberg, eine Kirche in Graz-Andritz und eine Kirche in Kapfenberg ' — ' Heilige Familie; Weiter sollen, wenn die Mittel vorhanden sind,“auch die Notkirchen in Kroisbach und Liebenau durch definitive Kirchenbauten ersetzt werden.

Hier darf wohl noch ein Wort zu der Problemstellung des Sakralbaues schlechthin gesagt werden.

Wenn man von der geringen Zahl der klassizistischen Kirchen absieht, so ist als letzte gültige Stilepoche im Sakralbau das Spätbarock anzusprechen. Seither schlägt das Pendel vom sterilen Eklektizismus bis zu den kühnsten Stahlskelettbauten der Neuzeit aus, ohne noch eine einheitliche Form gefunden zu haben. Einerseits Sind wir durch eine Vergangenheit mit großartigen Kirchenbauten belastet, anderseits von den Möglichkeiten der Technik und ihrer neuzeitlichen Baustoffe überwältigt. Wir haben nicht die Selbstsicherheit des Barocks, die seine Schöpfungen mit sicherem Gefühl an und in gotische Kirchen gestellt hat. Wir leben in einem Zeitalter des Rationalismus, der in seiner Wahrheitssuche und Einfachheit oft hart an die Grenzen der Phantasielosigkeit vordringt.

Wenn es richtig ist, daß sich die Stilepochen teilweise wiederholen, so befinden wir uns in der Kunst in einer archaischen Epoche, in der nicht, selten das Primitive herrscht. Wenn die frühchristlichen Basiliken den römischen Markthallen in der Form ähnlich waren, so ist man heute des öfteren versucht, dasselbe vom zeitgenössischen Kirchenbau in bezug auf den Industriebau festzustellen. Bei der romanischen Basilika jedoch hat sich das Bauwerk über seine ursprüngliche Zweckbestimmung, durch seine Verwendung, durch die Verfeinerung des Grundrisses und der Fassaden, erhoben. Niemand würde mehr die Basilika in Trier mit einer Markthalle vergleichen. Gelingt diese Metamorphose beim neuzeitlichen Sakralbau, der sich an ein anderes Bauwerk anlehnt, nicht oder nicht überzeugend, so ist es kein moderner Kirchenbau, sondern eine modische Nachahmung. Das Modische kopiert den Zeitgeschmack, ohne etwas Gültiges auszusagen. Dies war in allen Kunstepochen der Fall. Das Moderne setzt sich mit den Problemen der Gegenwart ausdrucksvoll auseinander. Dabei geht das Ringen, auch verantwortungsbewußter Künstler, mit sich selbst und ihren Auftraggebern, bekanntermaßen oft bis zur gegenstandslosen Darstellung. Dies gilt hauptsächlich für Plastik und Malerei. In der Architektur ist der Sprung vom Gegenständlichen zum Ungegenständlichen kaum wahrscheinlich; außer es tritt der seltene Fall ein, daß bei einem Bauwerk seine Formen von seiner ursprünglichen Zweckbestimmung derart abstrahiert werden, daß es zum gegenstandslosen plastischen Gebilde wird. Wie gesagt, nicht wahrscheinlich, jedoch eine mögliche Gefahr für den Kirchenbau.

Es mag gewiß zu einer der verantwortungsvollsten und schwersten Bauaufgaben gehören, einen Tisch, an dem- ein Opfer dargebracht und das Mahl des Herrn gereicht wird, zum Mittelpunkt eines Bauwerkes zu machen. Denn auf dem Altar ist Christus selbst, der sich als Grund-und Eckstein bezeichnet hat.

Das Grundproblem besteht im Kirchenbau, noch mehr als. bei jeder anderen Bauaufgabe, in dem ewigen Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt, zwischen der Funktion eines Versammlungshauses mit den geistigen Forderungen eines Kultbaues.

Die Ausdrucksmöglichkeiten einer Kirche sollen darüber- hinaus gehen, daß das Mauerwerk nur als Stütze betrachtet wird, welche eine Last trägt, oder die Funktion des Daches nur darin zu sehen ist, daß die Witterungseinflüsse nicht eindringen. Diese Ausdrucksmöglichkeiten kön- „ nen sehr vielfältig sein. Sie können vom Grundriß, über nicht allzu profanierende Baustoffe bis zur künstlichen Beleuchtung im Inneren, durch die große Wirkungen erzielt werden können, reichen. Das ganze Bauwerk soll eben ausdrücken : Hier ist das Haus des Herrn, hier kannst du Zuflucht suchen, hier sollst du beten! Sicher keine Reichte Forderung für den Baukünstler. Sie konnte in der Gotik, durch das Vorhandensein der Bauhütten, in der gläubig demütige Handwerker geeint waren, und durch das Bestehen einer selbstverständlichen Anteilnahme der Gemeinde leichter verwirklicht werden als heute, da lediglich ein Architekt nicht immer vor Gott demütige Handwerker dirigieren soll.

Es ist ein Verdienst der erwachten liturgischen Bewegung, die Altaridee mit der Raumeinheit und in weiterer Verfolgung dieses Gedankens mit der Gemeinde eng verbunden zu haben. Diese Konzeption haben sich Architekten bereits in der Weise zu eigen gemacht, daß sie die Kommunionbank unmittelbar an den Altar anschließen ließen.

Die Forderungen der Liturgie, die in unserer Zeit Pius Parsch grundlegend erweckt hat, sollen Richtlinie für jede Planung sein. Diese Forderung muß vom Grundriß bis zum Tabernakel durchlaufen, ob es sich um eine lange Prozessionskirche oder den offenen Ring eines Zentralbaues handelt. Eine Kirche kann nicht ihren Sinn und Zweck erfüllen, wenn sie liturgisch falsch geplant ist. Daher ist die Zusammenarbeit von Theologen und Künstlern Vorbedingung für das Gelingen des Werkes. Vor allem die Bestimmungen für die Altarzone mit Stufenanlage, Stipes, Mensaplatte, Tabernakel und Kreuz sind klar umrissen, werden aber nicht immer richtig durchgeführt.

Nach der langen Stagnation des Kirchenbaues in Oesterreich seit 1938 sind ab 1945, wie schon eingangs erwähnt, auch in der Diözese Seckau viele Kirchen erbaut und erneuert worden. Dabei ist oft auch dem Umstand Rechnung getragen worden, daß in Gegenden, wo die Gläubigen wegen der allzu großen Entfernung nicht in die zuständige Pfarrkirche gelangen konnten, neue Kirchen zu den Gläubigen gekommen sind. Viele dieser Gotteshäuser haben Ausstattungen zeitgenössischer Künstler. Architekten, Maler und Plastiker haben trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten Werke geschaffen, die tief ins Religiöse eindringen. Damit haben sie versucht, neben dem Priester den Glauben zu interpretieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung