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Die wadisenden Türme

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Wenn man in Kärnten von einem kirchlichen Wiederaufbau sprechen kann, so nicht deswegen, weil durch Kriegseinwirkung große Schäden entstanden sind, sondern weil nach Zeiten fast völliger Stagnation kirchlicher Bautätigkeit seit 1945 versucht wird, zielbewußt und systematisch die dringendsten Notstände zu beheben und durch vorausschauende Grundkäufe in neu entstehenden Siedlungsgebieten die Schaffung religiöser Zentren, späterer Pfarren, zu ermöglichen.

Nur zwei Kirchen haben durch Kriegseinwirkung direkt gelitten: St. Leonhard in der Pfarre St. Nikolai, Villach, wurde durch Bombentreffer zerstört, in den ersten Jahren nach dem Kriege nach Plänen des Dipl.-Arch. Walter Mayr wiederaufgebaut, doch mußte der Bau eines Glockenturmes bisher zurückgestellt werden. Die Pfarrkirche Oetting bei Oberdrauburg ging in den Tagen der englischen Besetzung in Flammen auf, verursacht durch einen auf dem Turm stationierten englischen Posten. 1950 konnte die wiederaufgebaute Kirche (Arch. Lienert, Lienz) wieder geweiht werden. Das kleine Filialkirch- lein St. Vinzenz an der Koralpe wurde während der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr benützt und bröckelte zur Ruine ab. Es wurde mit einfachsten Mitteln wiederaufgebaut und 1955 wieder geweiht.

Wenn auch in Kärnten fast 1000 Pfarr- und Filialkirchen und Kapellen bestehen, so ist doch ein großer Bedarf neuer Kirchen gegeben, der durch die starke Bevölkerungsverlagerung bedingt ist. Außerdem ist die Bevölkerung in der Zeit von 1880 bis 1951 um 47,6 Prozent von 321.637 auf 474.764 Einwohner angestiegen, wobei die ländlichen Bezirke geringe oder überhaupt keine Bevölkerungsvermehrung aufweisen, Städte, Industrie- und Fremdenverkehrsorte hohe Bevölkerungszunahmen aufzeigen (Klagenfurt + 230 Prozent, Villach + 398 Prozent). Trotzdem bleibt die Verpflichtung bestehen, die alten, vielfach künstlerisch hochwertigen Kirchen weiterhin zu betreuen, auch wenn ihre seelsorgerische Bedeutung geringer geworden ist.

Seit Kriegsende wurden in Kärnten sechs neue Kirchen erbaut.

In Seeboden am Millstätter See entstand nach den Plänen von Dipl.-Ing. Prof. Dr. Baravalle und Arch. Dipl.-Ing. Wochinz die neue Herz- Jesu-Kirche mit angeschlossenem Pfarrhaus. Der Bau, statischen Gründen zuliebe mit schmalen Seitenschiffen versehen, lehnt sich stark an alte Tradition an. Bemerkenswert sind die Deckenfresken der akad. Malerin Hilde von Baravalle; den Altarfresken von Karl Brandstätter fehlt als

Kultbild wohl die erforderliche sakrale Haltung.

Die St.-Josefs-Kirche in den Auen, Villach, ist ein einfacher, klarer Baur mit geringen Mitteln durchgeführt, der aber einen guten und befriedigenden Eindruck Jiinterläßt.

Die St.-Josefs-Kirche in Siebenhügel, Klagenfurt (Dipl.-Arch. Walter Mayr), liegt städtebaulich richtig mit guter äußerer Wirkung. Der über der Orgel angeordnete, nur durch die Kirche erreichbare Raum ist kaum verwendbar, wohl nur der Außenarchitektur zuliebe errichtet. Der Altarraum ist — alter Gewohnheit nach — vom Raum der Gemeinde scharf getrennt. Durch Schaffung künstlerisch wertvoller Inneneinrichtung wird versucht, die sakrale Wirkung des Innenraumes zu steigern. (Hochaltar mit Großplastik des Abendmahles von Josef Staud, Tabernakel mit Emailarbeit von Max Spielmann, Innsbruck.) Erst nach Aufstellung der zwei Seitenaltäre und Anbringung der Glasgemälde kann gesagt werden, ob dieser Versuch gelingen wird.

Das kleine Filialkirchlein St. Lorenzen bei Kühnsdorf (Dipl.-Arch. W. Mayr) paßt sich gut der Südkärntner Landschaft an. In Twimberg an der Packer Bundesstraße wurde auf einem Hügel ein St.-Josefs-Kirchlein erbaut und 1957 geweiht. Nach den Plänen Arch. Baum. Kbngers in Bruchstein erbaut, ist das Kirchlein schlicht und einfach, und sieht aus, als ob es schon immer dort gestanden wäre.

Die Kirche St. Peter in Klagenfurt-Ost wurde erst im Herbst 1958 geweiht. Einfach und gediegen in der Ausführung stimmt der äußere Eindruck mit dem Inneren überein; der hohe Innenraum ist durch seine schlanke Pfeilerstellung eindeutig auf den Hochaltar, den Zentralpunkt der Kirche, ausgerichtet und wirkt auch ohne figuralen Schmuck. Die beim Eingang liegende Taufkapelle wird durch ein Glasgemälde (Entwurf akad. Maler Karl Bauer) belebt. Angeschlossen an die Kirche ist der moderne Kindergarten. Der Bau des Pfarrhauses sowie der Anbau des unter der Kirche vorgesehenen Saales mußte einstweilen zurückstehen.

Außer den angeführten Neubauten sind noch einige größere Umbauten erwähnenswert: Die Pfarrkirche St. Peter, Tweng, wurde durch einen Brand fast völlig vernichtet, so daß ihr Wiederaufbau (geweiht 1953) fast einem Neubau gleichkam. Zum Presbyterium der Wallfahrtskirche Maria im Walde in Dolina, das nach dem Turmeinsturz verblieb, wurde ein Kirchenschiff mit Vorhalle hinzugefügt (Arch. Dipl.-Ing. Wilhelm Klebel), wobei durch Einbeziehung des Dachraumes im Inneren wohl die nötige Höhe des Kirchenraumes erreicht wurde, der äußere Eindruck aber unbefriedigend blieb.

Die Vorstadtkirche St. Ruprecht, Klagenfurt, erbaut 1847, wurde nach Abbruch des Presbyteriums um ein Joch vergrößert und ihr ein neues Presbyterium angefügt (Arch. Dipl.-Ing. Klimp- finger). Wenn auch der Raumbedarf kaum gedeckt sein dürfte, entstand doch ein würdiger und harmonischer Raum. Zur Notkirche Anna- bichl, Klagenfurt, wurden eine Vorhalle und ein Glockenturm hinzugefügt (Arch. Dipl.-Ing. Wilhelm Klebel), der in seiner Höhe wegen der Nähe des Flugplatzes beschränkt werden mußte. Außerdem wurden in Klagenfurt zwei Hauskapellen geschaffen (Sanatorium Maria-Hilf, Kapelle der Dritt-Ordens-Schwestern).

Zwei größere Projekte konnten zwar begonnen, -aber noch nicht vollendet werden: Herz- Jesu-Stadtpfarrexpositur Welzenegg, Klagenfurt (Arch. B. D. Ä. Otto Lindner, Stuttgart) und Herz-Maria-Pfarre Landskron bei Villach (Arch. Dipl.-Ing. G. Wetzlinger). In beiden Fällen umfaßt das Projekt Kirche, Pfarrhaus, Pfarrsaal und Kindergarten, und derzeit muß der Pfarrsaal als Notkirche dienen; in Welzenegg konnte ein bestehendes Haus als Pfarrhaus angekauft werden. Das Welzenegger Projekt zeigt die erfahrene Hand eines Kirchenbaufachmannes, besonders in der Detaildurchbildung; das Lands- kroner Projekt läßt die moderne Auffassung eines jungen Architekten sehen, ein abschließendes Urteil kann erst nach Fertigstellung des Gesamtprojektes erfolgen.

Krumpendorf am Wörther See und Feld am See, die nächstdringlichen Kirchenbauten, dürften noch heujjr begonnen werden.

Abschließend zu den Kirchenbauten wäre wohl zu sagen, daß erfreulicherweise schon eine größere Zahl von Architekten zu diesen Aufgaben herangezogen wurde und zufriedenstellende Lösungen erreicht werden konnten. Die schwierige Aufgabe des Kirchenbaues liegt aber nicht nur auf baukünstlerischem Gebiet, sondern fordert auch die genaue Kenntnis der Liturgie, die neue Wege sucht, um an die heutigen Menschen heranzukommen. So können auch ganze Künstler der Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie am Leben der Kirche wirklich teilnehmen, ąls moderne Menschen mit den religiösen Sorgen und Nöten ihrer Mitmenschen vertraut sind, ihnen Kirchenbau nicht Geschäft, ja nicht einmal künstlerische Erfüllung bedeutet, sondern zu einem Gottesdienst wird.

Doch nicht nur Kirchenbauten gehören zu der Aufgabe des kirchlichen Bauens, auch die Erbauung von Pfarrhöfen und von Kindergärten war nötig. In St. Lorenzen im Lesach- tale, in Pisweg, Döbriach und Sachsenburg mußten überalterte Pfarrhöfe durch neue ersetzt, in Krumpendorf durch Verlegung des Pfarrmit- telpunktes ein neuer errichtet werden. Die neuerrichtete Pfarre in Möllbrück erhielt einen neuen Pfarrhof, die in St. Stefan im Lavanttale einen Pfarrhof mit Kindergarten. Auch in den Pfarren Arnoldstein, Launsdorf, Annabichl-Kla- genfurt und in Siebenhügel-Klagenfurt mußten Kindergärten errichtet werden. Besonders zu erwähnen wäre das Marienheim in der Pfarre Siebenhügel (Arch. Dipl.-Ing. Klimpfinger), das in modernster und auch wirtschaftlichster Weise Räume für Kindergarten, Hort, Unterbringung des Personals und für den Pfarrbetrieb (Saal) enthält, weiter das neuerbaute Pfarrheim in Spittal a. d. Drau.

Eine weitere und nicht geringere Sorge der Diözese aber war die Unterbringung der beiden Seminare, da bei Kriegsende beide der Diözese gehörenden Gebäude für andere Zwecke in Anspruch genommen waren. Nach wenigstens teilweiser Räumung des ehemaligen Knabenseminars in Klagenfurt (1952) wurden die oberen Geschosse für die Unterbringung des P r i e- sterseminars umgebaut (Arch. Diplom- ingeneur W. Klebel), indem im Osttrakt durch Absenkung der Decken ein weiteres Geschoß geschaffen, durch Einschaltung eines Mittelganges in den oberen Geschossen die Schlafräume für die Theologen, im Nordflügel und in Teilen des Erd- und Untergeschosses die übrigen erforderlichen Räume untergebracht werden konnten. Im Jahre 1957 wurden weitere Horsäle ausgebaut, der Gesamtausbau harrt noch der Vollendung.

Um aber das bischöfliche Knabenseminar unterbringen zu können, mußte das ehemalige Olivetanerstift Tanzenberg gekauft und weitgehend ausgebaut werden. Der dringend nötige Kirchenumbau mußte bisher zurückgestellt werden, da 1958 der Neubau des Gymnasialtraktes (Arch. Dipl.-Ing. Nessmann) in Angriff genommen wurde und heuer vollendet werden soll.

Der Bericht wäre aber nicht vollständig, wenn nicht auch der Erbauung des Lehrlingsheimes der Don-Bosco-Schwestern, des Lehrlingsheimes im Rahmen des Kolpinghauses sowie des Schülerheimes im Vinzentinum in Klagenfurt sowie des Wiederaufbaues des Kolpinghauses in Villach und weiterhin der von den Klostergemeinschaften aufgeführten Bauten gedacht würde. So wurden vor allem im Servitenkloster Luggau im Lesachtale Räume für ein Exerzitienhaus instand gesetzt, im Missionskloster Wernberg konnten für denselben Zweck durch einen Dachausbau modernst eingerichtete Räume geschaffen, andere modernisiert werden. Im Karmelitinnen- kloster Himmelau wurden unter tätiger Mithilfe der Schwestern Konventsräume erbaut.

In aller Stille wurde in der Pfarre Wölfnitz, am Fuß der Saualpe, der Bau des Eremitenklosters „Berg Karmel” des Karmelitenordens errichtet. Das modernst eingerichtete Gebäude steht am Rande des Waldes; von der Kapelle, dem Zentrum, ausgehend, sind die beiden Trakte angeordnet, die, nach Süden sich öffnend, die Zellen enthalten. Die Bedeutung dieses Baues für das religiöse Leben unseres Landes kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. So ist zu hoffen, daß der Segen, der von den stillen Betern ausgeht, das religiöse Leben des Landes stärkstem befruchtet.

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