Donaucity-Kirche Wien  - © kathbild.at  -  Kirche "Christus, Hoffnung der Welt" von Heinz Tesar, Donaucity, Wien

Kirchen, unter Türmen und Autobahnen gebaut: Rastorte im Trubel

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Die Zeit der Kirchen als Blickpunkte in den Silhouetten von Städten ist vorbei. Heute setzen Kirchenbauer auf Konzentration und Stille vis-à-vis der lauten Welt.

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Die Zeit der Kirchen als Blickpunkte in den Silhouetten von Städten ist vorbei. Heute setzen Kirchenbauer auf Konzentration und Stille vis-à-vis der lauten Welt.

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"Christus, Hoffnung der Welt", heißt die neueste Pfarrkirche Wiens. Die Erzdiözese setzte damit ein zeitgemäßes Symbol. Die Architekten Gustav Peichl, Paolo Piva, das Duo Henke/ Schreieck, Klaus Kada, Günther Domenig und Heinz Tesar wurden 1998 zum Wettbewerb geladen. Der Bauplatz Donau-City ist ein städtebauliches Entwicklungsgebiet erster Güte. Mit dem Konzept einer Kirche, eingeklemmt zwischen UNO-City, Andromeda Tower, Bankhaus, unter der Schneise der U-Bahn gelegen, überzeugte Heinz Tesar die Jury.

Schon 1995 war ihm mit der evangelischen Kirche in Klosterneuburg ein schöner Sakralraum geglückt. Ein elliptischer Baukörper mit einer quadratischen Fensterflut und geschwungenem, von runden Lichtöffnungen durchsetztem Dach.

Die Zeit, in denen die Kirchtürme als markantes Symbol Stadtsilhouetten prägten, Blickpunkt und Orientierungshilfe waren, sind vorbei. Heute ist die Dominanz der Wirtschaft an der Höhe des Andromeda-Towers abzulesen. Sie mit einem Campanile übertrumpfen zu wollen, ist sinnlos. "Es ist eine sehr unruhige, aufdringliche städtebauliche Situation voller Schneisen und Lücken. In all diesen weltlichen Eitelkeiten ist die Kirche ein kompakter, monolithischer Körper, der sich verdichtet und nach innen geht", erklärt Tesar.

"Christus, Hoffnung der Welt" (Bild oben) besticht mit Stille und Konzentration in einer lauten Welt. Die Ausrichtung der Kirche orientiert sich an den Kirchen der Innenstadt, sie ist geostet, ein Lichtpunkt in der Mitte des Kreuzes an der Wand weist darauf hin.

Im Inneren leuchten

Die Symbolik der acht, des achten Tages der Woche und der Wiederkunft Christi, dem die Kirche geweiht ist, durchzieht den Entwurf. Die Fenster an den Raumecken resultieren aus dieser Teilung. Das Material der Außenwand findet sich an keinem kommerziellen Bau, es ist außergewöhnlich: Stahl, der durch ein galvanisches Bad in Chromsäure seine charakteristische Struktur erhält, durchbohrt von runden Lichtöffnungen. "Erst durch die Verletzung des Materials kann es leuchten", erklärt Tesar. "Dieser Raum leuchtet im Inneren. Jede Ecke hat ein anderes Licht."

Das deutlichste Bild für das Opfer Christi ist die Lichtöffnung in Form der Herzwunde an der Decke. "Gott dringt durch Licht in unsere Welt. Die Herzwunde in der Decke symbolisiert die Liebe, das Opfer und die Hingabe Jesu", deutet Kirchenrektor Albert Gabriel die Architektur. Er hat sich sofort in die Kirche verliebt.

Tesars Sohn Marc gestaltete Altar, Ambo, Tabernakel und Taufstein. Das Innere ist in hellem Holz ausgekleidet, lichtdurchflutet, voll Atmosphäre. Darunter liegen die Pfarrräume im ansteigenden Gelände, eine Glasfront gibt Licht. Ein schöner, mit Treppen wie eine Arena gestalteter Vorplatz lässt die Gemeinde auch das Freie nutzen. "Christus, Hoffnung der Welt" wurde inzwischen für viele der jungen, urbanen Donau-City-Bewohner wirklich zur spirituellen Oase.

Kirchen in neuen Stadtteilen sind für die Menschen da, sie wirken als gemeinschaftsbildendes Element für bunt zusammengewürfelte Zuzügler. Architekt Otto Häuselmayer gestaltete 1995 die Kirche "Cyrill und Method" in der Brünner Straße (Wien-Floridsdorf), einem expandierenden Neubaugebiet (Bild: Seite 15). Ein ausladendes, großes Holzdach gibt Schutz, im Sommer wird der Bereich vor der Kirche intensiv genutzt. Stein, Stahl, Glas und Buchenholz sind dominierende Materialien. "Der Kirchenraum ist ein Ruhepol, er fördert die Gemeinschaft und nimmt den Alltag mit hinein. Die Seele der Pfarre ist das Pfarrhaus. Bei uns kommen Leute zum Essen vorbei", erzählt Kaplan Marcus Piringer.

Die Kirche hat eine Empore für den Chor, große Fenster lassen die Natur herein, über dem Altar fällt der Blick in den Himmel, hin zu Gott. Der Turm strahlt als Zeichen weit über den Marchfeldkanal.

Einen italienisch anmutenden Campanile hat auch Häuselmayers Kirche St. Emmaus am Wienerberg im Süden Wiens (Bild: Seite 15). Sie entstand in den achtziger Jahren, um dem damals brandneuen Wohngebiet Seele einzuhauchen. "In die Mitte einer Großsiedlung gehört eine Kirche", meint Häuselmayer. "Es ist eine besondere Aufgabe. Man muss als ein anderer aus einer Kirche herausgehen."

Am Leberberg in Wien-Simmering gibt es zwei Kirchen: eine evangelische und eine katholische (Bild: Seite 15). Christoph Thetter, der Planer des evangelischen Glaskubus schlug einen ähnlichen Bruderbau vor, die Diözese lehnte ab. "St. Benedikt" unterscheidet sich stark vom evangelischen Gegenüber: "Man kann eine Kirche nicht voll aus Glas bauen. Wir wollen doch nicht in der Auslage Messe feiern", sagt Dombaumeister Wolfgang Zehetner. Er hat mit seinen Kollegen Walter Zschokke und Walter Michl eine parabelförmige, massive, weiße, sehr skulpturale Kirche entworfen.

Im Brennpunkt der Parabel steht der Altar, der Altarraum selbst ist eine von Oberlicht beleuchtete Ellipse. "Es ist eine nachkonziliare Gemeindekirche, alles versammelt sich um den Altar", so Zehetner. Der Turm hat eine eigene Gestalt, elliptisch gewickelt überragt er den Kirchenraum. "Zwischen diesen Wohnhäusern mit ihren freien Formen kann der Kirchturm nicht traditionell sein."

Reduzierte Formen

Die Entwicklung des modernen Kirchenbaus Österreichs ist geprägt von Clemens Holzmeister (1903-82), der charismatischen Gestalt des Kirchenbauers Rudolf Schwarz, den Auswirkungen des Zweiten Vatikanums, den kargen Betonkirchen der siebziger Jahre, von im Sakralbau profilierten Architekten - Johann Georg Gsteu, Johannes Spalt, Friedrich Kurrent, Ottokar Uhl, Josef Lackner, Roland Rainer. Atmosphäre, Raum, Licht und reduzierte Formen sind die Elemente, die Orte der Meditation von prunkloser Klarheit schaffen.

In Linz befindet sich mit St. Theresia die schönste Kirche von Rudolf Schwarz, gebaut 1959-62, bis heute ein Markstein im Sakralbau. Sie krönt das Stadtviertel, ihr freistehender Turm wirkt weit in die Umgebung. Die lange Ellipse der Kirche mit der markanten Ausbuchtung für die Taufstelle schließt einen kreuzförmigen Komplex ab, in dem Gemeinschaftsräume und Pfarrhaus liegen, die Werktagskapelle buchtet sich als gebauchte Ellipse aus.

Die "Arbeitsgruppe 4" (mit Johannes Spalt und Friedrich Kurrent) und Johann Georg Gsteu entwarfen die Stahlbetonkirche in Steyr-Ennsleiten, Roland Rainer plante in seiner berühmten Gartenstadt Linz-Puchenau eine Pfarrkirche. Sie ist aus Abbruchziegeln gebaut, die Bänke für die Gemeinde steigen von der Mitte aus wie in einer Arena an, der Priester sitzt während des Gottesdienstes im Zentrum der Gläubigen.

Es gibt auch Neubauten: sehr schön ist die Pfarrkirche Steyr Resthof, die heuer im Mai fertig wurde.Die jungen Architekten Peter und Gabriele Riepl, bekannt als Riepl Riepl entwarfen einen lapidaren Baukörper aus zart oliv eingefärbten Betonkuben.

Die beiden Sakralräume im Inneren sind mit Birkensperrholz ausgekleidet. Auch hier soll die Kirche ausstrahlen: der große Eingangsbereich wird von einem Baldachin auf schmalen, eleganten Stützen betont. So entsteht ein öffentlicher Platz, der für dem Stadterweiterungsgebiet aus den siebziger Jahren einen neuen, lebendigen Impuls geben soll. Statt einem Glockenturm gibt es einen großen Glaskubus. Eine Lichtinstallation des New Yorker Künstlers Keith Sonnier lässt ihn leuchten.

Eine neue Kapelle bekam auch die Pfarrkirche Bad Schallerbach, geplant hat den kleinen Sakralraum der Leiter des diözesanen Baureferats, Architekt Franz Treml.

Viel häufiger sind aber Umbauten und Erweiterungen von Altbestand. Architekt Herbert Schrattenecker, der bei Johannes Spalt Assistent war, gestaltete drei Kirchen um. Mit kleinen Eingriffen konnte er viel verändern. Ein Wanddurchbruch in der gotischen Filialkirche Kirchheim schuf eine kleine Vorhalle, der Eingang wurde verlegt, ein Beichtraum kam dazu. "Durch das Neue kriegt man einen neuen Blick aufs Alte", gibt Schrattenecker den Kirchen wieder Raum und Licht.

In der Pfarrkirche Riedau (Bild rechts) wurde der Turm erschlossen, eine Empore zurückgenommen, mit einer Mittelsäule versehen, das neugotische Portal freigestellt: der einstmals düstere Raum wurde hell. "Der Kern jedes Umbaus ist die Liturgie. Die Gemeinde muss nachher besser feiern können", sagt Schrattenecker.

In Sattledt wanderte der Volksaltar unter die Vierung, der Ambo hinter den Altar (Bild rechts). Das Wichtigste war die Änderung des Fußnetzes. Obwohl die Kirche im Zentrum liegt, konnte man kaum hinein. Eine Art neuer Klostergang im Garten, der Pfarrhof, Pfarrheim und Kirche verbindet, gab mehr Räume und einen neuen Eingang.

Kirche an Autobahn

Neue Wege geht man selbst bei alter Bausubstanz in der Diözese Gurk-Klagenfurt: die Kirche Maria am Walde wurde umgebaut und zur Autobahnkirche erklärt. "Früher war das die alte Wallfahrtskirche Dolina. Die war sanierungsbedürftig und desolat", erzählt Architekt Ferdinand Certov. Die Kirche liegt ganz in der Nähe der A2. "Seit 15 Jahren träumt der Dechant Leopold Silan von der Idee, hier eine Autobahnkirche zu machen." Gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Morianz verwirklichte er diesen Traum. Das Hinweisschild "Autobahnkirche Dolina - Maria am Walde" erinnert an die Wallfahrtstradition, sie fordert moderne Reisenden zum Innehalten auf. Presbyterium und Kirchenschiff wurden zusammengeführt, die alten Fenster auf Lichtschlitze reduziert, Altar, Ambo und Bänke sind Betonfertigteile.

Die Westfassade bildet eine zwölf mal zwölf Meter große, schwarz eingefärbte Betonwand. Zwischen dem neuen Element und der alten Westwand entstand ein Raum für Kerzen und Beichtstuhl. Auch gibt es am spirituellen Rastplatz eine sehr eindrucksvolle, begehbare Gedenkstätte für Verkehrstote. Die Kirche erhielt den Landesbaupreis Kärnten im Jahr 2000.

Moderne Kirchen strahlen nicht nur nach innen, sondern auch nach außen.

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