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Die Gemeinde Gallspach hat einen einzigartigen spirituellen Ortskern: ein Kirchen-Neubau integriert die alte Apsis und den Turm.

Hoch über der Hauptstraße wachte die Gallspacher Kirche über Ort und Verkehr. Seit 1344 ist sie Pfarrkirche, ihre Fundamente stammen aus dem Mittelalter. In den 1960ern blühten hier Fremdenverkehr und Kurkultur, 3000 Betten bot die 2800-Seelen-Gemeinde an. Der kleine, einschiffige Sakralbau konnte dem Ansturm kaum standhalten, Abgase und Zeit setzten ihm zu, 1973 erwog man einen Neubau, doch der Aufschwung verebbte und mit ihm die Euphorie.

Da brannte 1987 das Gasthaus "Grüner Baum" am Fuß des Kirchhügels ab. Es machte Platz für Neues, 1991 gab es einen geladenen Wettbewerb, doch am Siegesprojekt schieden sich die Geister. 2003 nahm die Pfarrgemeinde einen zweiten Wettbewerbs-Anlauf: das Langhaus des Altbaus war zum Abbruch freigegeben, Apsis und Turm denkmalgeschützt, sie sollten in den Neubau integriert werden.

Die Architekten Ernst Beneder und Anja Fischer siegten: sie entwarfen ein einzigartiges Gotteshaus, das in seiner umfassenden Form präzise auf Ort und Topografie reagiert. Aus einer mit dem Hang ansteigenden Ellipse um einen oberlichtspendenden Zylinderturm an einer stillen, grünen Mitte entwickelten sie einen Sakralbau, der in sachtem Oval den denkmalgeschützten Bestand einfasst und so fließend innen und außen, alt und neu, Hügel und Ort verbindet. Er bringt die Kirche wieder ins Dorf und schafft ihm ein vielschichtig durchlässiges, spirituelles Zentrum, das innovativ an religiöse Traditionen anknüpft.

Kreuzweg und Ostern

Die neue Kirche ruht auf einem hügelumfassenden Stahlbetonsockel, der Hang und Altbau Halt und mit seiner Konglomeratgesteinsverkleidung eine schöne Façon gibt. Ihm entwächst eine eindrucksvolle Rahmenkonstruktion aus 88 Leimholzbindern, die über einer kaskadenartigen Treppe einen gedeckten Umgang bilden, der in ellipsenförmigem Bogen fließend die 5,80 Meter Höhendistanz zwischen freigestelltem, altem Turmportal und Ort überwindet. Die mächtigen Lärchenstützen mit ihren strahlenförmig auskragenden Dachträgern, durch die das Licht einfällt, lassen an eine Arche Noah denken.

Am Beginn des Aufgangs wird ein vorstehender Stein zum Thron des Pilatus einer Station des Kreuzwegs, den der ortsansässige Bildhauer Erwin Burgstaller konzipierte: der Umgang wird so zum Kalvarienberg. Er endet im Inneren des Neubaus: ein eingelassenes Kreuz im Boden bezeichnet die 12. Station, von der Grablegung blickt man auf den Altar und damit auf die Auferstehung.

Die alte Apsis an der Hügelspitze wurde zur neuen Aufbahrungshalle, die sorgsam restaurierten, mächtigen Holzbretter des alten Kirchenbodens zu ihrer Decke. Ein stiller Verweis auf Gelebtes und Verwandlung, der die Atmosphäre des ruhigen Raums mit der transparenten Fassade prägt: alte Grabsteine zieren die Wände, unter einem Fries von Apostelbildern mit Christus Salvator, dem Welterlöser, durchschreitet man das Lärchenportal ins Freie, das einst die Mitte des alten Langhauses war und nun im Bogen der Holzkonstruktion einen Vorhof bildet, der sich rund um den alten Baum in der Erde des 1778 aufgelassenen Friedhofs zum stillen Freiraum im Schatten des alten Turms weitet.

Freude und Leben im Ort

Ahnungsvoll ragt über mächtigen Betonüberlagern der expressiv abgeschrägte Zylinder mit dem Glasturm, der den Tabernakel im Zentrum der neuen Kirche oberlichtflutet. Ihre mattverglaste Fassade baucht sich der Straße entgegen, um dann in umsichtigem Gegenschwung die alte Kastanie zu umfassen. Von innen schimmert der Baum, von draußen die schwebende Figur der Maria durchs Glas. Unter kraftvollen Zugstreben weitet sich der Umgang am Kirchenportal zum gedeckten Vorplatz. Dezent bietet der niedere Windfang Gelegenheit zur Beichte.

Tief schneidet der Oberlichtzylinder über dem Altarbereich eine etwas niedere, halbkreisförmige Decke ein, die so das Zentrum von Raum und Liturgie markiert, das sich in der anschließenden Werktagskapelle zum Kreis schließt. Sie steckt tief im Hang, ein mächtiger Betonträger quert den von einem Oberlichtstrahl durchschnittene Rundraum mit der Ellipsendecke aus dunkelblau gefärbtem Glas, die an einen künstlichen Sternenhimmel denken lässt. Eine verschiebbare Mattglasscheibe trennt die Werktagskapelle von der Kirche oder verbindet sie mit ihr. Beiden zugänglich, bildet der von oben lichtinszenierte Tabernakel den geometrischen Mittelpunkt an der Grenze.

Viel Liebe zum Detail verwandten die Architekten ins sakrale Mobiliar: der Altar ist aus demselben Konglomerat wie die Kirche, eine Sandsteinplatte des alten Altars wurde ebenso integriert wie die Bronze der Skulpturen, das Glas des Kapellenhimmels und eine Lage aus zwölf verschiedenen Steinen um die freie Mitte eines Kreuzes: sie symbolisieren die Apostel, die vier Steine im Ambo die Evangelisten. Mit einer arenaartigen Freitreppe schwingt sich der Raum zum Podest der letzten Kreuzwegstation und weiter aufwärts, wo ein zweiter Eingang am Hügel mündet, in dem die Sakristei steckt. Ein Kreis schließt sich.

Das Warten hat sich gelohnt: Nach neun Monaten Bauzeit wurde die Kirche mit 280 Plätzen am 11. Dezember 2005 ("Gaudete") geweiht, über 600 Menschen feierten die erste Christmette mit. Der bergend helle, hohe Raum mit seinen vielen Podesten und der hervorragenden Akustik bietet viel Platz und Möglichkeit. Er animiert die Kirchenmusik zu Neuem und brachte wieder Freude und Leben in Pfarre und Ort.

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