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Petrus ist hier drinnen

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Tu es Petrus et supra hanc petram zu hören und um seinen Segen

aediflcabo ecclesiam meam. __ .

Matthäus i, 18 „URBI ET ORBI“ zu empfangen.

Jenseits des Tiber, an dessen östlichen Ufer, weit außerhalb der schützenden Mauern des antiken Rom, breiten sich auf ehemals etruskischem Gebiet die Vatikanischen Hügel. Am Grabmal des Hadrian, an der heutigen Engelsburg und der Meta Romuli vorbei — jahrhundertelang wurde diese für das Grabmal eines der Gründer der Stadt gehalten —, pilgerten seit den Tagen des Urchristentums bis ins hohe Mittelalter fromme Gläubige aus aller Welt die Via Cornelia aufwärts zum Grabe und später zur Grabkirche des Fürsten der Apostel. Heute begegnen sie den mächtigen Hemizyklen der Kolonnaden Berni-nis; in deren Mitte ragt empor jener Obelisk, den einst Caligula aus Ägypten herbeischaffte, um ihn in der Hauptachse des vatikanischen Zirkus, unweit seines heutigen Platzes, aufzustellen. In jenem Zirkus, in welchem Nero — der Kaiser — beliebte, als Wagenlenker und Schauspieler selbst aufzutreten und zum Märtyrertod verurteilte Christen — Petrus war einer von ihnen — in grausamen Spielen der Schaulust des Volkes von Rom zu opfern. Augenzeugen, Plinius der Ältere und Tacitus, haben es uns überliefert.

Am Fuße der Vatikanischen Hügel, über zahllosen königlichen Stufen, thront das größte Bauwerk der Christenheit, die Basilika von St. Peter, von Bramante, Michelangelo und Bernini im 17. Jahrhundert als Symphonie des Glaubens, der Schönheit, aber auch der Macht geschaffen. Wer denkt heute noch daran, wenn er ehrfürchtig den Dom betritt — wo sich unter der dem Himmelsgewölbe gleichenden Kuppel des Michelangelo der Papstaltar mit seinem von vier gewundenen Säulen getragenen Baldachin erhebt und wo die in die Tiefe weisende Confessio mit dem Haupte des heiligen Petrus liegt—, daß genau an dieser Stelle schon die Basilika Konstantins des Großen stand, die er nach der Schlacht an der milvischen Brücke — am 28. Oktober 312 — unter dem Zeichen Christi — IN HOC SIGNO VINCES — gewonnen, zu erbauen gelobte? Volle dreizehnhundert Jahre widerstand dieses Gotteshaus siegreich allen natur- und mensch-gewollten Unbillen.

Nahezu hunderttausend Gläubige, Römer und Pilger aus aller Welt, füllen alljährlich am Ostermorgen den mächtigen Platz innerhalb der Kolonnaden und der Stufen vor dem Dome, um die Frohe Osterbotschaft aus dem Munde des Heiligen Vaters

Papst Pius XII. entschloß sich 1939, anläßlich des Umbaues und der Erweiterung der Krypta von Sankt Peter, die Möglichkeiten einer noch jungen, nicht einmal 100 Jahre alten Wissenschaft — nämlich der Archäologie — in den Dienst des fast 2000 Jahre alten Glaubens an Christus und Petrus zu stellen, um den Gläubigen Gewißheit und Stärkung, den Zweiflern, Kritikern und Ungläubigen aber materielle Beweise für den Primat der Kirche Roms als Nachfolgerin Petri zu erbringen.

In zehn Jahren mühevoller, schwieriger und geheimgehaltener Arbeit haben die von Papst Pius XII. damit betrauten bedeutenden Archäologen B. M. A. Chetti, A. Ferrua, E. Jost und E. Kirschbaum das Gelände unter dem Hauptschiff der Basilika von Sankt Peter untersucht. Die Ergebnisse ihrer archäologischen Forschungen wurden 1951 in einem zweibändigen Werk der Weltöffentlichkeit bekanntgegeben. (Ghetti, Ferrua, Josi und Kirschbaum, „Esplorazioni sotto la confessione dt san Pietro in Vaticano“, Cittä del Vaticano).

Zunächst ist als Resultat dieser archäologischen Untersuchungen die Aufdeckung einer heidnisch-christlichen Nekropole, in der Hauptsache aus Grabkammern — Mausoleen für die Aufnahme von Aschenurnen und Inhumationsgräbern — bestehend, zu erwähnen. Von dieser ursprünglich über 400 Meter langen Gräberstraße konnten etwa 70 Meter unter der Ost-West-Achse des heutigen Domes freigelegt werden. Diese Mausoleen, zumeist quadratische Räume verschiedener Größe, waren zu beiden Seiten einer schmalen Gräberstraße in das hügelige Gelände des Vatikan eingebaut und kommt durch eine Tür betreten werden. Eine Stiege, in das Erdreich gehauen, führte jeweils von der Kuppe des Hügels hinunter zu den einzelnen Grabanlagen. Viele dieser Gräber waren durch Steintafeln oder Cippi — viereckige Grabsäulen — mit den Namen der Besitzer gekennzeichnet. Die Besitzer waren meistens reichgewordene Freigelassene, die sich in diesem, nach Auflassung des neroni-schen Zirkus freigewordenen Gelände, Grundstücke kauften, um für sich und ihre Sklaven Grabstätten zu schaffen. Die Mausoleen waren je nach den finanziellen Verhältnissen ihrer Besitzer mit flguralen oder einfarbigen Mosaiken, mit Wandmalereien oder Stuck ausgeschmückt. Da in einzelnen Mausoleen neben Aschenurnen und Sarkophagen auch Bestattungsgräber aufgefunden wurden, konnte man den berechtigten Schluß ziehen, daß hier auch christliche Familienangehörige oder Sklaven neben heidnischen bestattet wurden.

Auf Grund minutiöser Beobachtungen aller Funde und logischer Überlegungen haben die Ausgräber für die Benützung der vatikanischen Nekropole einen Zeitraum von ungefähr 200 Jahren — zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert n. Chr. — errechnet; einige ärmliche Gräber dürften aber bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. in der Nähe des neroni-schen Zirkus angelegt worden sein.

Unter der „Roten Mauer“ fand man ein Häuflein menschlicher Gebeine, auf welche bei der Funda-mentierung dieser Mauer auffallend Rücksicht genommen worden war, indem man dieser Bestattung in der Mauerführung auswich. Nach flüchtiger Beurteilung wurden diese Gebeine einem robusten Manne im Greisenalter zugeschrieben.

Im Bericht der Ausgraber wurde ausdrücklich festgehalten, daß unter den christlichen Pilgerinschriften der „Graffitimauer“ G wider Erwarten kein einziges Mal der Name des Petrus aufscheine, hingegen aber einmal auf der „Roten Mauer“ in griechischen Großbuchstaben „PETRÖS ENI“ (Petrus ist hier drinnen), worin ein eindeutiger Hinweis auf die unmittelbare Nähe des Petrusgrabes gegeben war.

Die Errichtung der Memoria war die erste offizielle Anerkennung des Petrusgrabes durch Konstantin den Großen. Schon nach kurzer Zeit wurde darüber (zwischen 330 und 355 n. Chr.) eine fünfschiffige Basilika erbaut, wobei die Stelle, unter der sich das Petrusgrab mit der konstantinischen Memoria befand, im Zentrum der Apsis eingeplant wurde. Konstantin scheute keine Mühe — trotz größter Geländeschwierigkeiten, zwischen dem südlichen und dem nördlichen Kirchenschiff mußten Niveauunterschiede bis zu 7 Meter durch Aufschüttung ausgeglichen werden —, den Bau seiner Basilika gerade an dieser Stelle zu errichten. Beim Bau dieser Basilika wurden die Mausoleen der vatikanischen Nekropole mit Erde zugeschüttet und deren Türen vermauert. Die Grabkammern verschwanden teilweise unter den mächtigen Fundamenten, und erst in unseren Tagen haben die Archäologen einige dieser Grabkammern zusammen mit den baulichen Überresten der konstantinischen Confessio und Apsis in mühevoller Grabungsarbeit wieder freigelegt.

Während der Durchführung des konstantinischen Baues wurde der Zugang zur ursprünglichen Grabanlage, der Aedicula, zur „Roten Mauer“ und zur „Graffitimauer“ G, unterbrochen. Bei späteren Umbauten, so unter Gregor dem Großen, wurde der Kontakt mit der Grabanlage durch ein Fenster im Papstaltar aufrechterhalten, von dem ein Schacht zur Grabanlage führte. Unter Papst Kallixtus II. (1119 bis 1124) wurde ein neuer Altar über dem zweiten aus dem 7. und 8. Jahrhundert erbaut und dieser unter Papst Klemens VIII. (1592 bis 1605) durch den heutigen ersetzt. Die Pallien-Nische der Papstkirche nimmt in ihrer asymetrischen Anlage — wie die Untersuchungen der Archäologen bewiesen — auf die Position des marmornen Versteckes in der „Graffitimauer“ G direkten Bezug.

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