6757179-1967_51_14.jpg
Digital In Arbeit

JUWEL DER FRUHROMANIK

Werbung
Werbung
Werbung

Die Fresken des 11. Jahrhunderts in Lambach

Unterhalb der Einmündung der Ager in die Traun, auf dem ehemaligen Burghügel von Lambach, erhebt sich, dem Reisenden von der Westbahnstrecke aus gut sichtbar, die Anlage des Benediktinerklosters Lambach mit seiner Kirche. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts hatte hier In der Burg Arnold II. aus dem Hause der Grafen von Lambach-Wels - ein Kollegiatsstift St. Marien errichtet, das sein Sohn Adalbero, der Bischof von Würzburg (1045 bis 1090), vermutlich 1056 in eine Benediktinerabtei umwandelte und Teich mit Familiengütern ausstattete. 1089 weihten der Bischof Altmann von Passau und er den Hochaltar und

einen zweiten Altar der Kirche, assistiert von den ersten Mönchen des Klosters, die aus dem damals dem Bistum Würzburg zugehörigen Münster Schwarzach am Main gekommen waren. Anscheinend hatten sie Gestein oder fertige Architekturteile zum Bau mitgebracht, denn zwei aufgefundene Säulen mit attischen Basen und Würfelkapitellen sind aus dem Buntsandstein von Mainfranken und der Rheinpfalz gefertigt. Von dieser ersten Klosterkirche der Benediktiner sind heute nur noch Fragmente erhalten, die innerhalb der Umbauten des 15. und 17. Jahrhunderts liegen. So Teile der einst zwischen den Westtürmen vorspringenden rechteckigen Apsis und eine durch L. Eckhart ergrabene kreuzförmige Krypta, die unter der Apsis und den Türmen lag und in das alte Langhaus hineinragte. Vor allem aber sind es die beiden Türme, die bis in 20 Meter Höhe alten Mauerbestand aufweisen. Sie wurden 1639 erhöht und wenige Jahrzehnte darnach im Innern mit Stützmauern versehen. Der ehemalige Westchor diente nach den Umbauten nunmehr als Läuthaus und öffnete sich nun nicht mehr in die wahrscheinlich drei-schifflge Säulenbasilika der doppelchörigen Anlage.

*

In den Gewölben dieses Läuthauses fand man bereits am 18. März 1868 mittelalterliche Malereien — Szenen aus der ausführlich erzählten Geschichte der Magier, der Heiligen Drei Könige, über die P. Schmieder 1868 in den „Mitteilungen der k. k. Zentralkommission“ referierte und über die M. Ber-nath 1916 in seiner Neubearbeitung von Woltmann-Woer-manns „Malerei des Mittelalters“ feststellte, daß „Tracht und Auffassung hier noch die altchristliche (ist), wie sie in den Katakomben vorkommt“.

*

Schon bei der Auffindung war aufgefallen, daß die Gewölbefresken von den vorgelagerten Wandschichten des Raumes angeschnitten wurden. Die naheliegenden Schlußfolgerungen wurden aber erst fast 90 Jahre später gezogen, als man im Zuge der letzten Restaurierung im Jahre 1956 diese Wände als barocke Verstärkungsmauern erkannte und im darauffolgenden Jahr die ersten Tastlöcher durch das 60 Zentimeter dicke Mauerwerk führte. Schon der erste Augenschein ergab, daß sich hinter den Stützmauern der Türme zumindest gut erhaltene Reste eines einmaligen Zyklus frühromanischer Malerei befinden mußten, eine Erwartung, die im Laufe der fast ein Dezennium währenden schwierigen Arbeiten der Freilegung und Sicherung nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen wurde: Nicht weniger als insgesamt 23 Szenen und Szenenfragmente mit Darstellungen aus der Kindheits- und Jugendgeschichte Christi sowie vier alttestamentarische Standflguren fügen sich heute zu einem eindrucksvollen Ganzen, das zu den bedeutendsten Monumentalmalereien Europas im 11 Jahrhundert zu zählen ist.

*

Um dieses großartige und glückliche Ergebnis, das als Aufgabe wohl den Traum jedes Kunsthistorikers und Restaurators darstellt, zu erreichen, mußten im Auftrag des Bundesdenkmalamtes von einem hervorragenden und mit Leidenschaft und Hingabe arbeitenden Team unter der Leitung des Landeskonservators von Oberösterreich, Staatskonservator Dr. Norbert Wibiral, dem Professor Dr. F. Walliser als Konservator zur Sicherung der Malereien zur Seite stand, noch beträchtliche Schwierigkeiten überwunden wer-

den. Die Auflast der barocken Türme im Gewicht von je zirka 450 Tonnen müßte abgefangen werden, um die Stützmauern entfernen zu können. Dies gelang durch ein ingeniöses Projekt, das von Professor Dr. Pongratz von der Technischen Hochschule in Wien erarbeitet und von Staatskonservator Dipl.-Architekt B. Reichhart geleitet und gestaltet wurde, während die Ausführung durch die Bauflrma E. Hamberger in Linz erfolgte.

*

Die Last der Türme wurde oberhalb der bemalten Gewölbe mit Stahlträgern aufgefangen und durch einen um die Türme herumgelegten Stahlbetonmantel von 20 und 30 Zentimeter Stärke umgeleitet und unterhalb der Gemäldezone wieder in das alte Mauerwerk zurückgeführt. Innerhalb einer „Schachtel“ aus Stahl und Beton ist dadurch die gesamte bemalte Zone des alten Mauerwerkes auf hervorragende Weise gesichert und abgeschirmt. Dabei wurde der Fußboden des alten Läuthauses so abgesenkt, daß sich optimalste Sichtverhältnisse auf den Freskenbestand ergeben. Diese Arbeiten gestalteten sich äußerst schwierig, da sie auf die zum Teil hohl aufliegenden Freskoschichten Rücksicht nehmen mußten und so nur in Etappen erfolgen konnten. — Die Sicherung der Wandbilder war von ähnlichen Problemen und Schwierigkeiten begleitet. Mit äußerster Vorsicht mußten die zahlreichen Hohlstellen durch Kalkkaseininjektionen und Mörtelinfusionen abgesichert werden, die Konservierung der Malereien respektierte den dokumentarischen Bericht ohne jede Ergänzung, Fehlstellen wurden lediglich in korrespondierenden Farben eingetönt.

*

Heute gelangt man zu den Fresken durch die vom Stiftshof zum Hauptportal der Kirche führende Vorhalle, in der. unter trittfesten Glasplatten, über denen eine Metallplatte liegt, die Nordwestecke der Apsis besichtigt werden kann. Ein nach links verlaufender Quergang führt dann zum Stiegenaufgang, in dessen Stiegenhausraum, hinter einer Abgrenzung, die Westwand des Nordturmes mit der oben sichtbaren Betonummantelung der Entlastungskonstruktion und das Ergebnis einer für den Aufgang erfolgten Notgrabung freiliegt, die alten Baubestand zeigt. Die beiden erwähnten frühromanischen Säulen wurden in diesen Stiegenraum verbracht und aufgestellt. Über eine schlicht und würdig gestaltete Stiege erreicht man nun zwei Vorräume, in denen eine ausführliche Dokumentation durch Zeichnungen und Modelle über die wichtigsten Arbeitsphasen unterrichten und die bedeutendsten im Verlauf der Arbeiten geborgenen Gra-bungs- und Gemäldefragmente untergebracht sind.

Betritt man nun durch die ehemalige, heute im wesentlichen nicht mehr vorhandene, Apsis der alten Kirche den Freskenraum, so wird man sofort von dem auf Ocker, Rot, Grün, Blau und Weiß gestimmten Klang der Farben, dem strengen, bewegten Rhythmus der Figuren der Wandbilder gefangengenommen. Man steht dem großartigen Rest einer reichen Kirchenausstattung gegenüber, die sich einst auch auf das Langhaus und den Ostchor erstreckt haben muß, da ein romanischer Kirchenraum ohne malerische Ausstattung nicht denkbar ist. Soweit die Fresken erkennbar und deutbar sind, kreisen sie in ihrem Schwerpunkt um die Selbstoffenbarung Gottes mit einer auffallenden Häufung der Darstellungen um die nachweihnachtliche Epiphanie. Während im rechten Gewölbe innerhalb einer konzentrischen Architektur die drei Magier Herodes und den die messia-nischen Weissagungen erforschenden Schriftgelehrten gegenübertreten, zeigt das mittlere den Zug der Magier, die auf den einst in der Gewölbemitte befindlichen Stern weisen, um dann in Fortführung der kontinuierlichen Erzählung, vom Sternenengel geleitet, zur frontal thronenden Maria zu gelangen, um dem göttlichen Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe darzubringen. Hinter der Thronlehne sind zwei Frauen ohne Heiligenschein sichtbar, wahrscheinlich — wie man vermutet — die Hebammen des lateinischen Magierspieles der Zeit, mit dem man die Verbindung der Szenen nachgewiesen hat. An die zur rechten Hand des Thrones befindliche Figur der Ecclesia schließt eine Darstellung der schlafenden Magier an, denen der warnende Engel erscheint.

Im linken Gewölbe sind noch Reste von drei Reitern sichtbar — die heimkehrenden Magier, denen eine ebenfalls nur noch schwach erhaltene Darstellung Jesu im Tempel gegenübersteht.

*

Die Wand der Westapsis ist wie alle anderen Wände, mit Ausnahme der Kirchenseite, in zwei Gemäldezonen geteilt, die nun nicht immer in chronologischer Reihenfolge ablesbar sind, sondern auch im Gegensinn. So zeigt die linke Wand im unteren Teil eine äußerst bemerkenswerte Darstellung der „Turbatio Herodis“, das Erschrecken des Herodes und der Männer Jerusalems bei der Ankündigung des neugeborenen Königs, der hier in der bildnerischen Exegese als strenger und gerechter Richter gezeigt wird, der den Tyrannen stürzt Die Deutung als „politische“ Manifestation liegt nahe, vor allem, wenn man bedenkt, daß Bischof Adalbero im Investiturstreit zusammen mit Erzbischof Gebhard von Salzburg und Bischof Altmann von Passau zu den Hauptstützen des Papstes Gregor VII. gegen Heinrich IV. gehörte und 1086 — drei Jahre vor der Weihe Lambachs — von diesem endgültig aus Würzburg vertrieben worden war. Im oberen Bereich der linken Seitenwand schließt sich die Bestechung des Antipater durch Herodes und das Ende des Herodes an.

*

Die einst zur Kirche geöffnete Wand zeigt dann rechts den Traum des Josef nach dem Tod des Herodes und die Rückkehr der Heiligen Familie aus Ägypten, während sich die chronologisch anschließende Darstellung des zwölfjährigen Jesus im Tempel rechts oben auf der Wand der Westapsis befindet. In der Oberzone der Nordwand erkennt man das Zeugnis Johannes des Täufers für Christus, während von der daneben befindlichen Taufe Christi heute mit bloßem Auge nichts mehr erkennbar ist. Auf der linken Kirchenwand hingegen ist zumindest in der Untermalung noch die Tbeophanie Christi nach der Taufe erhalten: Der nackte Heiland wird von zwei seinen Körper in ein Tuch einhüllenden Engeln flankiert, die Taube hat sich auf seinem Haupte niedergelassen, und der Kopf Gott Vaters neigt sich im Profil aus dem Himmelssegment. Johannes, links stehend, gibt mit einer schriftlosen Rolle Zeugnis. Durch einen Baum getrennt, schließt sich „Christus als Guter Hirte“ an.

*

Die Unterzonen der Wände und die Apsisfragmente enthalten dann noch folgende Darstellungen: Auf der rechten Seitenwand die schwerbeschädigte Versuchung Christi, Steine in Brot zu verwandeln, auf der linken Apsds-wand die Versuchung Christi auf den Tempelzinnen, im linken Apsisfragment Teile eines ganzflgurigen Engels, vielleicht die Versuchung Christi auf dem hohen Berge, im rechten Christus, der einen Raum verläßt, möglicherweise die Verstoßung aus der Synagoge von Nazareth. Auf der rechten Apsiswand folgt dann die große Darstellung der Heilung des Besessenen in der Synagoge von Kapharnaum. Die Unterzone der linken Seitenwand trägt nur noch schwer deutbare Freskenspuren, die aber möglicherweise von zwei Szenen aus der Heilung der Schwiegermutter Petri stammen. Die auf den Pfeilern der Apsis und der Kirchenwand erhaltenen Reste der Figuren von Patriarchen oder Propheten schließen das in diesem Raum verwirklichte Programm ab.

*

Sosehr diese in vielerlei Hinsicht einzigartigen Fresken auch von ihrem einstigen farbigen Glanz schon bis zur Einmauerung, die sie uns letztlich bewahrte, verloren haben, sie sind das eindrucksvolle und überwältigende Zeugnis einer bewegten Kulturepoche, vom Können und der Technik der Maler ihrer Zeit. Stilistisch geben sie noch manches Problem auf, da neben der Verbindung des spätottonischen Zeitstils mit byzantinischen Einflüssen noch ungeklärte Fragen bestehen. Geistig sind sie der Ausdruck jener Reformbewegungen, die damals Deutschland und Österreich erfaßten, um in Christus den wahren König anzubeten, ein Vermächtnis des 1090 in Lambach gestorbenen und begrabenen und 1883 heiliggesprochenen Bischofs Adalbero, das uns nun neu geschenkt wurde, um die Zeiten weiter zu überdauern. In ihrer seltenen Qualität der faszinierenden Ikonographie und in ihrem nunmehr mit aller Liebe gesicherten Erhaltungszustand gehören sie ohne Zweifel zu den bedeutendsten romanischen Monumentalmalereien Europas, dem ihre Freigabe für die Öffentlichkeit im Herbst dieses Jahres ein wahres Juwel seiner Vergangenheit wiedergeschenkt hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung