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Zerfallende Kunstschätee

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Der Wettlauf zwischen Verfall und Rettung der monumentalen barocken Klosteranlagen ist nicht nur überaus kostspielig, er beginnt auch immer wieder von neuem.

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Der Wettlauf zwischen Verfall und Rettung der monumentalen barocken Klosteranlagen ist nicht nur überaus kostspielig, er beginnt auch immer wieder von neuem.

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In ihrer monumentalen, vorwiegend barocken Form prägen die Klosteranlagen der „alten Orden“ die oberösterreichische Kulturlandschaft. Die Denkmalpflege findet in den Prälaten und Konventen ideale Partner. Die Erhaltung des Gesamtkunstwerkes Kloster ist in gleicher Weise monastisches wie staatliches Anliegen.

Fast jedes Stift besitzt Gegenstände, Baulichkeiten, Denkmäler, die auf die Gründungsgeschichte hinweisen. Im Läuthaus der Stiftskirche von Lambach haben sich aus der Zeit nach der Klostergründung von 1056 romanische Fresken von europäischem Rang erhalten. Sie wurden 1956 hinter barocken Futtermauern entdeckt, die beim Höherziehen der romanischen Türme zur Verstärkung eingebaut wurden. Die zur Freilegung notwendige Entfernung dieser tragenden Mauern machte eine komplizierte Konstruktion notwendig, um die Türme nicht zu gefährden. Die Arbeiten dauerten zehn Jahre und zählen zu den bedeutendsten, aufwendigsten technisch-denkmal-pflegerischen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte. Nach einer über Jahre vorsichtig durchgeführten Entsalzung des Freskoträgers kann der gerettete Bestand als gesichert gelten.

Zu den wertvollen Räumen des Stiftes Lambach zählt das „Ambulatorium“, eine Wandelhalle für die Mönche mit vorzüglicher Stuckausstattung von Diego Francesco Carlone. Die nach schweren baulichen Schäden notwendige Restaurierung der Jahre 1980/82 konnte seine Noblesse wiederherstellen. Er wird bei der Landesausstellung 1989 zu sehen sein. Nach umfangreichen Außeninstandsetzungen ist gegenwärtig die Innenrestaurierung der Stiftskirche in Angriff genommen. Eine Probefreilegung hat das ursprüngliche Farbkonzept der ersten barocken Klosterkirche Oberösterreichs von 1657 zum Vorschein gebracht, wie auch jenes von 1698, welches wiederhergestellt wird.

Die umfangreichsten, längsten Restaurierungen in Oberösterreich wurden im Stift Kremsmünster im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 1977 gesetzt. Besonders aufschlußreich waren Untersuchungen und Freilegungen, die das Vorhandensein der spätromanisch-frühgotischen Kirche hinter den barocken Vormauerungen eindeutig dokumentierten. Die schon 1937 und 1948 sichtbar gemachte Guntherkapelle in der südlichen Turmstube kann als wirkungsvollster Raum des Hochmittelalters in Oberösterreich bezeichnet werden. Als Gegenstück wurde nun auch die nördliche Turmstube mit ihrer Architekturbemalung des frühen 17. Jahrhunderts und vor allem der imposante Chorschluß aus der Zeit des Baubeginnes von 1232 freigelegt, die älteste erhaltene Außenansicht oberösterreichischer Klosterbaukunst. Die Guntherkapelle birgt seit 1948 das kurz vor 1304 entstandende Hochgrab mit der vollplastischen Liegefigur Gunthers, des sagenhaften Sohnes des Stiftsgründers Herzog Tassilo III. Das nicht aus einem Stück gearbeitete poly-chromierte Hochrelief droht durch unerklärliche Auflösungserscheinungen der alten Fugenmasse zu zerf allen.Die Restaurierung ist in die Wege geleitet.

Von den unzähligen in Kremsmünster durchgeführten Restaurierungen, etwa in Kaisersaal, Apostelzimmer, Schatzkammer oder im berühmten Fischbehälter, soll die Sternwarte hervorgehoben werden, weil es sich hier um den seltenen Fall einer Revitalisierung bei gleichzeitiger Funktionserhaltung handelt. Mit ihren acht Stockwerken gilt die 1748 bis 1759 aufgerichtete Sternwarte als ältestes Hochhaus Europas, erstes Universalmuseum Österreichs und charakteristischer monasti-scher Bau der Aufklärung.

Gegenwärtig konzentrieren sich die Arbeiten auf ein zauberhaftes Abbild oberitalienischer Hof architektur, den 1607 datierten „Fischbehälter am Guntherteich“ mit seinem arkadenumstandenen Bassin, die Grotte mit dem Guntherdenkmal und eine stimmungsvoll über dem Teich angelegte arkadierte Altane mit Marmortisch. Wasser- und Erddruck haben zu bedrohlichen Verschiebungen geführt, umfangreiche Sicherungsarbeiten waren nötig.

Mit dem Marmorsaal des Stiftes St. Florian gelang Jakob Prand-tauer einer der majestätischesten und prunkvollsten Repräsentationsräume Österreichs. Schon 1965 erfolgte eine konservierende Behandlung dieses Raumes und der Kaiserzimmer, wo eine Flucht von 14 Räumen aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts nahezu in ursprünglichem Zustand erhalten ist. Bei der diesjährigen Landesausstellung „Welt des Barock“ wurden der Leopoldinische Trakt mit seinen Stuckdecken, das „Mineralienkabinett“, wo sich Altomonte selbst porträtierte, und die Westfront von überwältigender Monumentalität restauriert. Der Neuaufstellung der Galerie sind jahrelange Konservierungsarbeiten am wertvollen Bestand der gotischen Tafelbilder vorausgegangen.

Hervorzuheben ist die Erhaltung der Dachlandschaft des großen Klosterkomplexes durch Um- und Neudeckungen mit Tonziegeln.

Die in Oberösterreich leider schon historisch gewordenen Ziegeldächer in Biberschwanz- oder Wiener Taschenform haben sich auch in Reichersberg und Engelszell erhalten. Dort wurde mit dem gotischen Kapitelsaal ein bemerkenswerter Zisterzienserraum restauriert, wobei die eigenwillige Polychromie an den Gewölberippen sowie Fresken aus der Frühgeschichte des 1293 gegründeten Klosters von Engelszell freigelegt werden konnten. Die bedeutendste Orgel Oberösterreichs birgt die Stiftskirche von Schlägl. Die Restaurierung hat die mechanische Traktur erhalten und einen pneumatischen Zubau von 1904 entfernt. Die noch der Renaissance verhaftete klangliche Disposition wurde im wesentlichen wiederhergestellt.

Einer der beschwingtesten, intimsten Barockräume Österreichs ist die von Johann Michael Prunner 1712 geschaffene Bibliothek des Stiftes Schlierbach. Durch Verlust der Mörtelbindekraft in den tragenden Mauern drohte das Bauwerk zu zerfallen. Bei der Sanierung mußte ein neues tragendes Konstruktionssystem aus Stahlbeton eingebaut werden. Die Verstärkung der stuckierten Pfeilervorlagen und darüber gespannten bemalten Gurte konnte durch Abnehmen und Wiederapplizieren des Stucks und geschickte Bemalung der Gurte fast unbemerkt bewerkstelligt werden. Kürzlich wurde im Prunkraum von Schlierbach, dem Bernhardi-Saal, eine ,J?ilotarbeit“ des Bun-desdenkmalamtes durchgeführt, um die Methodik der Restaurierung für den freskierten und stuk-kierten Raum aus der Zeit um 1700 festzulegen. Es handelt sich um den in Österreich einzigen bekannten Fall, wo die Stuckzierate eine Schlagmetallvergoldung besaßen, die nach der Entfernung zu Beginn unseres Jahrhunderts nun wiederhergestellt werden soll.

Wie alle Zisterzienserkirchen, ist auch die Stiftskirche von Wil-hering der Himmelfahrt Maria geweiht. Der schwingende Raumeindruck ist weniger auf die Raumform als auf das frei abgestimmte Zusammenspiel aller schmückenden Künste zurückzuführen, das die verschiedenen Materialien miteinander verwachsen erscheinen läßt, überstrahlt vom Glanz der Vergoldungen. Vor 1974 war von diesem Glanz infolge starker Verschmutzung kaum noch etwas zu spüren. Dazu kam, daß 1833 und 1909 die Fresken zum Teil übermalt und die Echtvergoldungen vielfach durch Goldbronze ersetzt wurden. Eine Generalrestaurierung konnte die künstlerische Wirkung des wohl bedeutendsten Rokokoraumes von Österreich wiederherstellen.

Bei Stiftsobjekten, deren Funktion verlorengegangen ist, waren die Stifte um Revitalisierung bemüht. Dazu zählen die Stiftsmeierhöfe in Reichersberg, Schlierbach und Kremsmünster, die Stiftsschenken aufnahmen. In St. Florian wurde das historische Feuerwehrmuseum einge-

baut. Das Jagdschloß Hohenbrunn wurde zum oberösterreichischen Jagdmuseum und das Sommerhaus des Stiftes Schlägl zur Musikerziehungsstätte. Die historische Substanz wurde in allen Fällen vorbildlich gewahrt.

Der Autor ist Denkmalpfleger für Oberösterreich.

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