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Der romanische Freskenzyklus von Lambach

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Die im Jahre 1056 gegründete Benedik- tinerabtei Lambach in Oberösterreich entwickelte sehr bald ein reges kolonisatorisches und kulturelles Leben. Schon 1089 wurden vom Abt Becemann Mönche ausgeschickt, die das Kloster Melk Donau gründeten. Im selben Jahr weihte der hl. Adalbero, der Gründer des Kloster« Lambach, zusammen mit seinem Jugendfreund Altmann, dem Bischof von Passau, die romanische Kirche in Lambach ein, die einen West- und Ostchor besaß.

Im Kriege gegen den letzten Herrscher aus dem Hause der Babenberger fiel der Bayernherzog Otto in das Land ein, wobei 1233 auch das Kloster geplündert und fast ganz zerstört worden ist. Von der Kirche ist nur der Westchor erhalten geblieben, der in den gotischen Neubau der Kirche einbezogen wurde. Als 1652 die gotische Kirche abgebrochen wurde und an ihrer Stelle eine vollständig neue, frühbarocke Kirche gebaut wurde, hat man den aus der romanischen Zeit stammenden westlichen Teil stehengelassen. Die Türme über diesem Teil hatten bereits 1635 einen Kuppelaufbau bekommen, wobei der innere Teil auch verstärkt worden war. Die aus der romanischen Zeit stammenden Fresken im Läuthaus wurden mit einer weißen Tünchschicht überdeckt. 1868 wurden diese Fresken wieder entdeckt und von der Tünchschicht befreit.

Der romanische Baustil bot mit seinen ausgedehnten Wand- und Kuppelflächen reiche Möglichkeiten zur Ausschmückung durch Gemälde. Im 9. und 10. Jahrhundert wurde in ganz Deutschland die Wandmalerei gepflogen und die meisten Kirchen in allen, zumindest aber in den Haupträumen mit Freskengemälden geschmückt.

Die Fresken von Lambach sind auf drei Kuppelflächen untergebracht. Die al seco aufgetragene obere Malschicht ist meist zerstört, nur die al fresco ausgeführte untere Malschicht ist erhalten geblieben. Auch weisen alle Bilder mehr oder weniger starke Fehlstellen auf. Sie stellen einen Heiligedreikönigezyklus dar, währden die östliche Szene in der nördlichen Kuppel eine Darbringung Christi im Tempel zeigt. Die Darstellung und die Anordnung der Bilder Lassen vermuten, daß diese zu einem größeren Zyklus gehört haben, denn es ist darin eine Begebenheit mit einer Ausführlichkeit wiedergegeben, was bestimmt nicht der Fall gewesen wäre, wenn die Gemälde ohne Zusammenhang mit anderen gewesen wären.

In der südlichen Kuppel stehen die drei Könige vor Herodes und den Schriftgelehrten. Die Szene spielt in der Stadt Jerusalem, die durch ein System von übereinandergebauten Mauern und durch zahlreiche Gebäudeteile dargestellt wird. Zu erwähnen ist noch eine kleine, dunkelgemalte Figur auf einem Gesims, die sich auf Herodes hinabzustürzen scheint. Die Kleidung des Königs ist die übliche Tracht des 11. und 12. Jahrhunderts, wie man sie auf historischen Bildern und Kaisersiegeln dieser Zeit findet.

In der Mittelkuppel sind die Heiligen Drei Könige im Anblick des Sternes dargestellt, ferner, wie sie die Gaben darbringen. Auf allen Szenen sind sie noch mit der hohen, spitzen Mütze, also als Magier, dargestellt. Alle drei erschienen in einer dem Schnitte nach gleichen, bis zu den Knien reichenden Tunika, die beim ersten gelb, beim zweiten violett und beim dritten weiß ist. Die Beine beim ersten und zweiten sind nackt mit stark angedeuteter

Beinmuskulatur,' der dritte trägt enganliegende Beinkleider. Auffallend an der Lambacher Darstellung ist, daß der Greis, der sonst immer vorangeht, in der Mitte ist und die Beine gekreuzt hat.

Am schönsten kommt der byzantinische Charakter der Fresken bei der Madonna zum Ausdruck. Sie ist eine in ihrer Symmetrie, man könnte fast sagen, architektonisch aufgebaute Gestalt. Diese ist in ein gleichschenkeliges Dreieck hineinkomponiert. Der Kopf ist mit dem Zirkel konstruiert, wobei sich der Zirkelmittelpunkt in der die Augensterne verbindenden Linie befindet. Der Ausdruck selbst ist starr und streng; die Augen schmal. Maria ist nicht die schmerzensreiche, sondern die Mutter des Gottessohnes. Durch diese kühle, man könnte fast sagen, übersinnliche Darstellung wird zwischen dem Beschauer und dem Kunstwerk eine gewisse Distanz geschaffen. Es ergibt sich dadurch eine Unterordnung der physischen Bewegungsmomente unter höhere, geistige Faktoren, denen gegenüber das physische Geschehen in den Hintergrund tritt. Die neue Welt des Christentums, der Glaube an einen übersinnlichen Zusammenhang der Dinge kommt gerade in der byzantinischen Malerei so recht zum Ausdruck. „Die Seele ist alles — der Körper ist nichts", das ist das Leitmotiv dieser Kunst. Diese Form der Mariendarstellung blieb in der Kunst des Abendlandes bis ins 13. Jahrhundert, und gerade die Lambacher Madonna ist ein schönes Beispiel dafür. Christus sitzt im Schoße als königlicher Knabe und greift durch eine segnende Gebärde in die Handlung ein. Er ist mehr in «einer welterlösenden ' Bedeutung dargestellt als von der naiv-kindlichen Seite, wie ihn die spätere Kunst darstellt, für deren Auffassung Franz von Assisi bahnbrechend war.

Interessant sind an der Lambacher Darstellung noch drei Frauengestalten. Zwei von ihnen stehen hinter dem Throne Marias, die dritte rechts vom Beschauer. Die letzte greift mit einer Redegebärde in die Handlung ein. Alle drei unterscheiden sich von Maria und den Engeln dadurch, daß sie keinen Heiligenschein haben. Bei der Deutung dieser Gestalten hilft uns ein Magierspiel, das in Lambach zu dieser Zeit aufgeführt wurde. Schon Prof. Karl M. Swoboda hat in seiner Abhandlung „Der romanische Epiphaniezyklus in Lambach und das lateinische Magierspiel" auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Die Handschrift des Lambacher Spieles kam vermutlich mit einer Reihe anderer aus Würzburg oder Schwarzach nach Lambach. Das mittelalterliche Theater hatte ja seinen Ursprung in der Dramatisierung des Evangeliums, wobei die Aufführungen ursprünglich in der Kirche stattfanden und Priester die Darsteller waren. Im 11. Jahrhundert entstanden auf diese Weise Heiligedreikönigschauspiele, die sich aus der Heiligedreikönigliturgie entwickelt hatten. Allmählich entstanden richtige Spieltexte, wobei auch das Protoevangelium verwendet wurde. Auch bei der Lambacher Aufführung spielten die Frauengestalten, die uns a!« Hebammen entgegentreten, eine Hauptrolle als Gegenspieler der Magier und geben Zeugnis von der jungfräulichen Geburt Christi. Aus der apogryphen Geburtslegende wurden die Hebammen in das Magierspiel herübergenommen. Dieses Magierspiel beginnt mit der Ankunft der Magier bei Herodes und endet mit ihrer Abreise, einer Szenenfolge, die unserem Gemäldezyklus vollkommen entspricht.

Den Abschluß in dieser Mittelkuppel bildet die Gruppe der schlafenden Weisen mit dem Engel, der sie warnt, nicht mehr nach Jerusalem zurückzukehren. Der Engel schwebt über den Schlafenden. Er ist mit weißer Tunika und grünem Mantel bekleidet. Die rechte Hand hält er gleichsam zur Bekräftigung der Rede erhoben. Es ist das eine Darstellung, die meist nur bei ganz ausführlichen Wiedergaben vorkommt.

In der nördlichen Kuppel sieht man die Magier zu Pferd, wie sie aus Jerusalem hinausreiten. Dieses Gemälde ist aber so stark beschädigt, daß man nur die unteren Teile der Reiter erkennen kann. Von der Darbringung Jesus im Tempel kann man auch nur mehr Teile der ganzen Szene unterscheiden.

Stilmäßig sind die Bilder in die Zeit zu setzen, in der die Fresken der Stiftskirche Nonnberg in Salzburg entstanden sind (zirka 1150). In Salzburg herrschte unter dem Erzbischof Konrad I. (1106 bis 1147) und seinem Nachfolger eine rege Bautätigkeit. Zur Ausgestaltung der Bauten waren Maler nötig, denn die Wandmalereien waren ein wesentlicher Bestandteil in der Ausschmückung romanischer Kirchen. Da die einheimischen Künstler den Anforderungen nicht mehr nachkommen konnten, beriefen die Erzbischöfe vor allem italienische Künstler in die Stadt. Diese beeinflußten bald die einheimischen Künstler mit ihrem Stil. Gerade in der Malerei hatte sich in Salzburg eine Schule von führender Bedeutung herangebildet. Da diese Stadt zu dieser Zeit ein bedeutender kultureller Mittelpunkt im Alpcngebiet war, ist zu verstehen, daß sich ihr Einfluß in der näheren und weiteren Umgebung bemerkbar machte. Zwischen Salzburg und Lambach bestanden schon frühzeitig enge Beziehungen, so daß man annehmen kann, daß die Fresken in Lambach in Zusammenhang mit der Salzburger Malschule stehen.

Da gerade aus dieser Zeit in Österreich wenig Fresken erhalten sind, .ist dieses Kunstwerk für die romanische Malerei unserer Heimat von unschätzbarer Bedeutung.

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