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Die Malerei fur die Ewigkeit

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Als nach langem Kampf die staatliche Anerkennung das Christentum im frühen 4. Jahrhundert aus den dunklen Grüften der Katakomben in das helle Licht des Tages rief, sah es sich mit einem Schlage vor neue ungeheure künstlerische Aufgaben und Probleme gestellt. Noch unter Konstantin den Großen setzt ein fieberhafter Bauwille ein und in zahllosen Mausoleen, Baptisterien und Basiliken, die vor allem in den beiden Brennpunkten des Reiches, in Rom und B y z a n z neuerstehen, tritt das Christentum das Erbe der staatlichen repräsentativen Monumentalkunst der Spätantike an. In diesem gewaltigen Aufbruch christlicher Kunst erfährt die schon der Antike geläufige Mosaikmalerei einen imposanten Aufschwung. Wenn sie sich bis in diese Zeit hinein größtenteils nur auf den Fußböden der Privatpaläste und Kaiserthermen ausbreitete, erhebt sie sich nun in die Apsiden der ersten Basiliken und nimmt mit wachsender Prachtentfaltung von den Hooh-wänden Besitz, bis sie zuletzt in goldtrunkenem Glänze in den Kuppeln und Gewölben erstrahlt. “ r

Es ist kein Zufall, daß die erste Blütezeit der musivischen Kunst in die ersten christlichen Jahrhunderte fälllt, als die Menschheit mit aller Inbrunst sich den christlichen Heilswahrheiten hingab, denn mit ihrem überirdischen Glanz war sie in ganz besonderem Maße ein adäquater Ausdrucksträger der transzendentalen Sehnsucht der frühen Christen. Der Maler Domenico G h i r 1 a n-d a j o hat es einmal ausgesprochen: „D i e wahre Malerei für die Ewigkeit i s t d a s M o s a i k.“ Dies gilt in doppeltem Sinne, einmal ,ist das Mosaik unter allen Techniken der Malerei die unvergänglichste-und in seinem farbigen Bestand unveränderlich; zum anderen aber ist die Mosaikmalerei mit ihren schimmernden Goldgründen und ihrem geheimnisvollen inneren Leuchten des Farbkörpers im übertragenen Sinne ganz besonders dazu prädestiniert, Ewiges anschaulich und erlebbar zu gestalten.

Wie alle große Kunst des Mittelalters ist auch die Mosaikmalerei anonym, ihre Künstler sind einzigartige Handwerker. Aus überlieferten Quellen und auch nach den Werken selbst können wir annehmen, daß schon die frühen Mosaizisten nach einem farbigen Karton eines Malers die Würfel zu ihren Mosaiken zusammensetzten. Waren es aus begreiflichen Gründen in den Fußbodenmosaiken des Altertums noch Natursteinwürfel, das sogenannte „opus sectile“, so verwendete man bei den frühchristlichen Wandmosiaken schon die mit Metalloxyden gefärbten und stärker wirkenden Glaswürfel, das „opus musivum“. Die reiche Prachtentfaltung der ravennatischen Mosaiken im 6. Jahrhundert führt zur Wiedergabe von Schmuck und prunkvoller Gewandung kostbare Steine und Perlen als bereicherndes Material ein. Auf das Mauerwerk trugen die Mosaizisten eine einen bis zwei Zentimeter dicke Mörtelschicht auf, in die sie nach einer vorgezeichneten Dispositionsskizze ihre Würfel einige Millimeter tief dicht aneinandergefügt einsetzten. Wie der Freskomaler trug auch der Mosaizist von der Feinschicht jeweils nur soviel auf, als er an einem Tage vollenden konnte. Mit sichtbarem Verständnis für die farbige Wirkung wurden die Würfel aus helleren Tönen weniger tief als die dunklen eingefügt, ebenso die Variierung der Fugenbreite innerhalb der Gesamtwirkung der Komposition beachtet. Aber bereits im frühen Mittelalter kannte man das auch heute geübte Verfahren des negativen Setzens in der Werkstatt. Auf eine spiegelbildliche Werkzeichnung werden die Würfel gesetzt, dann das vollendete Mosaik an Ort und Stelle in den Feinputz eingelassen und die Papierunterlage nachträglich abgewaschen. Schon die frühesten Werke verfügten über eine reich nuancierte Farbenskala (so zählte ein Forscher an einem der ältesten uns erhaltenen Mosaiken 48 verschiedene Farben, außer Gold), die einen unerhörten leuchtenden Eindruck hervorrief.

Eine der frühesten uns erhaltene Mosaikarbeit befindet sich in der Vorhalle des Baptisteriums am Lateran, die man um 315 n. Chr. datierte. Es ist eine ornamentale Dekoration mit Blumen und eingestreuten christlichen Symbolen. Der Stil dieser frühen Werke zeigt deutlich Elemente der K a t a-kombenmalerei oder folgt Vorbildern aus der Ausstattung der Kaiserthermen, die einfach in Mosaiktechnik übertragen werden. Hier ließen sich etwa die vorzüglichen Kuppelmosaiken von S. Costanza in Rom einordnen. Bald aber entwickelt sich ein dem neuen Material entsprechender eigener Stil und die traditionellen Bildthemen dehnen sich zu umfangreichen zusammenhängenden Zyklen aus. Zu den ältesten uns erhaltenen Mosaiken dieser Art gehören die von S. Maria Maggiore in Rom aus dem 4. und 5. Jahrhundert; sie zählen wohl zu dem allerbesten, was musivische Kunst je hervorbrachte. Da in derselben Zeit die ersten Bibelillustrationen aufkommen (einen der kostbarsten dieser Kodices, die sogenannte „Wiener Genesis“ aus dem Q. Jahrhundert, verwahrt die Nationalbibliothek), kann man mit einer gewissen Berechtigung in den Darstellungen mit Szenen aus dem Alten Testament eine gegenseitige Beeinflussung annehmen. Die Malerei dieser Mosaiken ist locker und wundervoll tonig, stellenweise erinnern sie mit ihrem fast impressionistischen Gehalt an pompejanische Wandmalereien. Betraditet man so ein Mosaik aus der Nähe, so zerfällt es in eine Anzahl von zusammenhanglosen und verschieden gefärbten Würfeln, die den Eindruck eines teppichartigen Musters erwecken. Tritt man dann in entsprechende Distanz zurück, so fügen sich die anscheinend kaleidoskopartigen bunten Farbflecke zu sinngemäßer Anschaulichkeit. Erst Phantasie und innere Erfahrung formen das optische Netzhautbild zu einem Bildganzen; es ist ein illusionistisches Prinzip, auf dem auch die moderne Malerei beruht, wie es besonders im Pointiiiismus der Neoimpressionisten des späten 19. Jahrhunderts die sichtbar Bildgestalt auflöst. War für den Künstler des 19. Jahrhunderts dieses Prinzip ein bewußtes Gestaltungsmittel auf der Suche nach neuen ästhetischen Reizen, so darf keinesfalls eine gleiche Absicht dem altchristlichen Mosaizisten zugesprochen werden. Noch aus einem anderen Grunde kommt diesem bedeutenden Werk eine besondere kunsthistorische Stellung zu: Zum ersten Male tritt in größerem Umfang der Goldgrund auf, der dann in den späteren Mosaiken, insbesondere in Ravenna, unerhörten Prunk und Reichtum spiegeln wird. Ähnliche umfangreiche Mosaikzyklen mit einem zugrunde-gelegten ikonographischen Programm entstanden im 4. und 5. Jahrhundert auch in den anderen Hauptkirchen Roms, so in der alten Petersbasilika und in der des heiligen Paulus, um einige nur von den vielen Namen zu nennen, Werke, die leider nicht erhalten blieben, von denen nur schriftliche Quellen Kunde geben.

Auch in Ravenna hält die Mosaikkunst bald ihren Einzug, bringt Werke wie das Kuppelmosaik im Baptisterium der Orthodoxen um 450 n. Chr., und die Innenausstattung des Mausoleums der Galla Placidia mit dem Triumph der blauen Farbe des Grundes sind Höhepunkte altchristlicher musi-vischer Kunst. In Ravenna, der neuen Hauptsadt, gewinnt das Mosaik im 6. Jahrhundert unter Bevorzugung des Goldgrundes jenen Reichtum, der ihm seinen hervorragenden Platz in der Kunstgeschichte sichert. Hand in Hand damit geht eine umwälzende Stilwandlung und eine Bereicherung der Bildthemen vor sich. Klang in den epischen Zyklen der römischen Mosaiken die spät-antike Kunst mit ihren endlosen Reliefbändern an den berühmten Triumphsäulen von ferne nach, so isolieren sich nun die Einzelfiguren immer mehr und gewinnen an statuarischer Würde und irdischer Entrücktheit. In isocephaler Reihung ziehen Apostel und Heilige an den Wänden entlang (Sant' Apollinare Nuova), der Ausdiuck des Antlitzes mit den weitgeöffneten Augen und der leidenschaftliche Gestus der Hände, scheinen wie von einer geheimen suggestiven Kraft beseelt. Es ist die Geburtsstunde der bis ins späte Mittelalter hineinwirkenden transzendentalen Ausdruckskunst.

In die Zeit Justinians (527 bis 565 n. Chr.) fällt die überaus reiche musivische Aus-sdimückung von S. Vitale, von der besonders die zu feierlicher Prozession gereihten Züge des Kaisers und seiner Gemahlin Theodora, mit ihren bis ins kleinste Detail durchornamentierten prachtvollen Gewändern, berühmt wurden. Auch in der frühen byzantinischen Kunst übernahm bald das Mosaik die Aufgaben der Wandmalerei. Schon unter Konstantin kamen aus Rom Mosaizisten an den byzantinischen Kaiserhof und schufen dort hervorragende Werke. Ein umfangreiches musivisches Werk erstand in der 553 vom Brand zerstörten und bald wieder neuaufgeführten Hagia Sophia in Konstantinopel. Wie St. Peter die Geschichte der neuen europäischen Baukunst demonstriert, so ist die Sophienkathedrale das bedeutendste Denkmal der byzantinischen Architektur. Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 verwandelten die Türken die Hagia Sophia in eine Moschee und übertünchten große Teile des Dekorationssystems. 1934 wurde sie Museum, gleichzeitig damit begann eine Freilegung der alten Mosaikreste. In Verbindung mit den prunkvollen Marmorinkrustationen feiert das Mosaik einen wahren Triumph und erfüllt die Kuppeln und Apsiden mit einem überiridisch schimmernden Glanz. Der Kontrast der unteren Sphäre des Kuppelraumes mit seiner Marmorvertäfelung und den ihn umschließenden dunklen Galerien zu der sich darüber wölbenden lichtdurchfluteten Kuppelschale ist ein Prozeß der Entmaterialisation der plastischen Räumlichkeit. Sie findet ihre innere Entsprechung in der Symbolkraft des oströmischen Gottesdienstes, dessen einzelne Zeremonien sich besonders um die Nacht- und Morgenstunden gruppierten. So wurden mit Hilfe der Strahlen der sinkenden oder aufsteigenden Sonne und sicherlich auch mit künstlichen Mitteln — dies bezeugen schriftliche Überlieferungen — eigenartige Wirkungen erzielt. Das wirkliche Zentrum der Zeremonien, der geistige Kern der Anlage, ist der Ambo, den die Kuppel krönt und deren architektonische Formen im Glänze der Mosaiken nach oben hin immer unbestimmter werden und endlich übergehen in die unbegrenzte Welt des Lichtes — den Himmel. Bei Paulus Silentiarius finden wir folgende Schilderung über die Wirkung der Kuppel in der Hagia Sophia:

„Aber die Kuppel umschließen mit Gold überzogene Steine, Deren leuchtender Strahl, wie im Blitz umher sich ergießend, Unerträglich dem menschlichen Auge,blendend herabströmt. Leicht wohl könntest du glauben, die Mittagssonne des Frühlings, Wenn sie mit ihrem Strahl die Höhen vergoldet, zu schauen.“ Die Kuppel wird zum Symbol der Himmelssphäre, zum Symbol der Welt. Es ist ein Gedanke, der schon dem rosettengeschmückten Gewölbe des mykenischen Kuppelgrabes zugrundelag und auch in dem gewaltigen steinernen Himmelsgewölbe des Pantheons, das Kaiser Hadrian 'in römischer Herrscherwucht erstehen ließ, fortlebt. In der Hagia Spohia aber ist es die innerlich erlebende Seele, die in der Irrationalität des Raumabschlusses das Göttliche schaut und in religiöser Gebundenheit in der gottesdienstlichen Handlung mit dem Kosmos zusammenfließt.

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