6617281-1955_39_11.jpg
Digital In Arbeit

Begegnung mit der Schönheit

Werbung
Werbung
Werbung

Geschichte der abendländischen Malerei von den Anfängen bis zur Gegenwart. Von Fritz Baumgart. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart. 400 Seiten Text, 128 Schwarzweißabbildungen, 30 Farbtafeln. Preis 176.80 S.

Der Verfasser des ausgezeichnet bebilderten Werkes schildert die Entwicklung der abendländischen Malerei wesentlich in einzelnen Kapiteln, die sich aus Betrachtung und eindringlicher Analyse von 160 ihrer bezeichnendsten Hauptwerke ergaben. Diese Disposition machte es schwierig, in einem fortlaufend lesbaren Text den stetigen Fluß des kunstgeschichtlichen Ablaufs darzustellen und das Nebeneinander verschiedener gleichzeitiger nationaler Kunstrichtungen und Stiltendenzen anschaulich zu machen. — Er erscheint uns pädagogisch wertvoll, daß Baumgart immer wieder trachtet, jene zeitbedingten Vorurteile zu beseitigen, mit welchen Laien meist der naturfernen, vergeistigten Kunst des hohen Mittelalters gegenübertreten und den Weg zu ihren Werten verfehlen. Da die Bildanalysen „nichts voraussetzen“, also immer wieder von elementaren Grundlagen ausgehen, mögen sie für absolute Laien wertvoll sein, doch wirken sie auf die Dauer ermüdend. Dagegen ist es grundlegend wichtig, daß der Verfasser die Kunstwerke nicht als ästhetische Phänomene allein, sondern in ihrer geschichtlichen Umwelt, im Rahmen von Zeit, Volk und Tradition schildert, die Leser so an ihnen wirkliches Interesse gewinnen, sie geschichtlich verstehen lernen. Dieses Buch will mit hohem Können auf breite Massen wirken, erhebt sich aber entscheidend über alle (offiziell oft geförderten) lesebuchbiederen Banalitäten, alle gewollte „Popularität“, mit der durchschnittliche Verfasser Mängel ihres Wissens und Könnens mangelhaft verdecken. Erstaunt, aber erfreut stellen wir fest: Baumgarts Werk ist nicht ausschließlich für Laien geschrieben: es wird auch Gebildete fesseln und ihnen schon durch die Weite seines Themas wertvolle Anregungen geben.

Begegnung mit der Schönheit. Graphische Meisterwerke der abendländischen Kunst. Verlag Kurt Desch, Wien. 8 Seiten Aphorismen, 24 Seiten „lieber die Maler und ihre Bilder“, 126 ganzseitige Bildtafeln.

In lockerer, gefälliger Reihung von Wiedergaben nach Handzeichnungen und graphischen Blättern vermittelt dieses Schaubuch einen Ueberblick über die Deutungen, die große Künstler uns von menschlicher Schönheit gegeben haben. Da diese zumeist guten Wiedergaben leider alle im gleichen Braunton gedruckt wurden, wirkt ihr Nebeneinander trotz thematischer Vielfalt leise ermüdend: das Buch selbst besitzt keine geistige Einheit, da die ihm vorgesetzten aphoristischen Lobpreisungen der Schönheit (von Plato bis auf Thomas Mann) kaum eine Einleitung ersetzen können und die trockenen Bemerkungen „Ueber die Maler und ihre Bilder“ im eintönigen Stakkato kleingehackter Hauptsätze nicht an den künstlerischen Gehalt der abgebildeten Blätter rühren. Ein nettes Bilderbuch.

Die Kunst Alteuropas. Von Herbert Kühn. Verlag W- Kohlhammer, Stuttgart. 400 Seiten mit 60 Strichzeichnungen und 180 ganzseitigen Schwarzweißabbildungen. Preis 195.80 S.

Auf Grund einer unübersehbaren Fülle von Einzeluntersuchungen, deren Kenntnis, sich auf die Fachwelt beschränkt, gibt der bekannte Prähistoriker die, seit langem fällige umfassende Schau über das gesamte Kunstschaffen Alteuropas, den großen Entwicklungsgang von den Ritzzeichnungen eiszeitlicher Jäger über die Hochleistungen griechischen Schaffens zu den Buchmalereien der Merowinger- und den phantasiereichen Holzbildwerken der Wikingerzeit. Er schildert die Aufeinanderfolge primitiver und hochgezüchteter Kunstübung, das Schaffen wander-hafter und alteingesessener, seefahrender und das Binnenland bewohnender Volksstämme, karge Idole und edelsten Hort. Der Hauptwert des Buches dürfte — ganz abgesehen von allen von ihm vermittelten Einzclerkenntnissen — der sein, daß der aufmerksame Leser nachdenklich das Nebeneinanderbestehen gleichzeitiger Kulturen von eigentümlichem, ja einander völlig fremdem Gepräge und damit den bunten Reichtum geschichtlichen Lebens unmittelbar erkennen, seinen geistigen Horizont wirklich erweitern wird. Er könnte verstehen lernen, daß gerade die stärksten künstlerischen Leistungen dieser alten, meist anonymen Künstler nicht im Bereiche naturnaher, sondern vielmehr rein abstrakter Kunst entstanden, daß die Vorstellung von einer stetig fortschreitenden Entwicklung der künstlerischen Mittel oder von der absoluten Gültigkeit auch des edelsten Stils ein Wahn ist. Der letzte, bleibende Eindruck, den dieses höchst wertvolle Buch vermittelt, dürfte die Einsicht in die tragische Wandelbarkeit und Vergänglichkeit gerade der sublimiertesten Kulturen, die Ueberzeugung von der Würde einer Vergangenheit der Menschheit sein, die immer bemüht blieb, ihrem Empfinden und Ahnen bleibende Form zu geben.

Das Buch läßt aber zwei Wünsche offen: nach einer stilistisch reicheren, lebendigeren Beschreibung der Fundstücke primitiver Kunst; dann aber nach sorgfältigerer Durcharbeitung von Bildteil und Register. Es füllt unter ariderem sofort auf, daß das schöne Dorf Cemmo im Val Camonica (Provinz Brescia) in der Beschriftung von Tafel 76 und 77 nach Ligurien versetzt wurde.

Petrus. Von Reinhold Schneider. — Das Buch. Von Franz Schnabel. — Pferd und Reiter.

Von Ursula Bruns. — Alle Verlag Herder, Freiburg. Je 16 Seiten Text, 32 ganzseitige Bildtafeln, davon 6 bis 7 farbig. Preis je 3.50 DM.

Die Bücher des „Bilderkreises“ des Verlags Herder haben sich um drei wertvolle Neuerscheinungen vermehrt: Reinhold Schneider weist in der aus

Bande „Petrus auf die Fülle dramatischer Momente im Lebenslauf dieses Apostels hin, an welche die bildende Kunst anknüpfen konnte — ebenso aber auf andere Höhepunkte dieses Heiligenlebens, die sich bildlicher Darstellung entziehen. Die ausgezeichneten Bildwiedergaben führen uns von der Katakombenmalerei bis zu Runge die bedeutendsten Künstler vor Augen, in denen Petrus handelnd und leidend, lehrend und fehlend die Kraft christlichen Glaubens bezeugt. Unter ihnen dürften namentlich ein erschütterndes Petrus-Haupt aus Nereditse bei Nowgorod und Farbaufnahmen der jüngst restaurierten Fresken Michelangelos in der Capeila Paolina des Vatikans allgemeines Interesse gewinnen.

In dem ungemein ansprechenden Bande „Das Buch“ führt uns Franz Schnabel eindringlichst vor Augen, was Bücher als Quellen geistiger Anregung und Beglückung sein können, während Lützeler in dem überraschend vielseitigen Bildteil das Thema „Mensch und Buch“ von allen Seiten anleuchtet.

Liebevoll hat Ursula Bruns das alte Thema „Pferd und Reiter“ in einer sprachlich wertvollen Einführung auf einem zugehörigen Bildteile behandelt, der Pferdedarstellungen von der Eiszeit bis zu Franz Marc bringt und beweist, welche Aspekte eine überlegene Bildwahl auch einem enge begrenzten Thema abzugewinnen imstande ist.

Wir freuen uns, daß diese kleinen, mit feinstem Geschmack ausgestatteten Bände ausnahmslos kultivierte Leistungen von starker geistiger Substanz sind — Bücher, die vielleicht nicht bei gedankenlosem Durchblättern, wohl aber bei vertieftem Lesen und Bedenken ihren bleibenden Wert aufschließen.

Peter Paul Rubens. Von Robert Eigenberge r. Kunstverlag Wolfrum, Wien. 48 Seiten, 48 zum Teil farbige Tafeln.

Das hochbedeutende kleine Buch legt die Entfaltung von Rubens' Persönlichkeit und Künstlertum an Hand seiner in den Wiener Kunstsammlungen befindlichen Werke dar. Mit meisterhafter Einfühlung, die Eigenberger seiner malerischen Begabung und seiner Einsicht in die komplizierte Technik der Gemälde Rubens' verdankt, schuf er eine tiefgründige Deutung des Wesens dieses Großmeisters und eine überzeugende Darstellung aller dessen Können und Streben formenden künstlerischen Kräfte — darüber hinaus ein prächtiges Kulturbild der Rubens-Zeit. Da der Verfasser diese Erkenntnisse in köstlich gewählter, glühend anschaulicher Sprache vorträgt, die dem Thema des Buches durchaus kongenial ist, entstand auf wenigen Textseiten eine kunstwissenschaftliche Hochleistung von bleibendem Wert, die inmitten der geistigen Verarmung unserer „Kunstbücher“ glänzend vereinsamt dasteht.

Der Verlag hat diesem Standardwerke eine ziemlich gute Ausstattung mit teils farbigen Wiedergaben jener Rubens-Bilder gegeben, welche dank dem Mäzenatentum des alten Oesterreichs heute zum stolzesten Kunstbesitze Wiens zählen.

Tiroler Barockkirchen. Von Eva Frodl-Kraft. Inn-Verlag, Innsbruck. 54 Seiten Text, Verzeichnis und Beschreibung der Werke (mit Grundrissen) und 64 ganzseitigen Bildtafeln. Preis 53 S.

Das mit ausgezeichneten Aufnahmen der Verfasserin versehene Büchlein faßt die vielfältigen Vorarbeiten über die Probleme des barocken Kirchenbaues in Nord- und Osttirol, die von Heinrich Hammer und den Bearbeitern des Dehio-Handbtichs schon geleistet worden waren, zu einer geistreichen und durch kluge Formulierungen einprägsamen Uebersicht zusammen. Die Fragen nach dem selbständigen Charakter des Tiroler Barocks und nach der Bedeutung italienischer und süddeutscher Einflüsse auf ihn finden hier Klärung. In Bildern und Grundrissen tritt die vielgestaltige Orieinalität der architektonischen Lösungen, die kraftvolle Schönheit des die Innesräiime schmückenden Stucks und die bestimmende Funktion hervor, welche die herrlichen barocken Deckenfresken für die farbige Erscheinung, für die illusionistische Raumform dieser Kirchenbauten erfüllen.

Alle diese Tiroler Kunstwerke machen aber Tirol keineswegs zu einem „Barockland“; doch sie unterscheiden sich grundlegend in Geist und Erscheinung vom donauländischen Barock, den man zumeist fälschlich als „österreichisch“ schlechthin ansieht, und ergänzen daher das Bild, das man sich vom „österreichischen Barock“ macht.

Es bleibt zu bedauern, daß der beschränkte Umfang dieser wertvollen Arbeit ihr Eingehen auf den barocken Kirchenbau im deutschen Südtirol (Neustift I) und auf die Tirol kunstgeschichtlich zugehörige prächtige Kirche in Bartholomäberg (Vorarlberg) unmöglich gemacht hat.

Franz van Immerseel. Von Denijs P e e t e r s. Paulus-Verlag, Recklinghausen o. J. 16 Seiten Text, 55 Seiten Abbildungen. Preis 6.80 DM.

Ein höchst beachtliches graphisches Talent spricht aus den hier wiedergegebenen Holzschnitten und Zeichnungen in diversen Techniken. Sie gehören einem noch in Entwicklung befindlichen flämischen Künstler zu, der offensichtlich innerhalb der technischen Möglichkeiten und der Ueberfülle der sich ihm öffnenden Themenkreise noch keine seinem Wesen gemäße Wahl getroffen, noch nicht sich selbst gefunden hat. Angesichts der in diesem Buche vereinigten Arbeiten dürfte ein unbefangener Betrachter kaum auf die Idee kommen, daß es sich um Werke eines Künstlers handle — so verschieden ist ihre stilistische Haltung, so disparat stehen die einzelnen Bildgegenstände und deren Auffassung nebeneinander. Herzhaft gekonnte Naturstudien, aber auch steife Stilisierungen treten neben symbol-beladene Gebilde und Illustrationen von trivialer Sinnfälligkeit. Holzschnitte zu niederländischen Sprichwörtern und ländliche Monatsdarstellungen lassen von ferne an den großen Ahnen Brueghel denken, während einige politische Satiren und leider auch etliche kleine holzgeschnittene Bildnisköpfe an jene graphischen Reportagen erinnern, die sich noch auf der letzten Seite unserer Illustrierten herumtreiben.

Der Künstler wird hoffentlich trotz aller bisherigen Erfolge über dieses aus gänzlich widersprechenden Elementen zusammengesetzte Oeuvre zu sicherer Meisterschaft emporwachsen. Es war verfrüht, dem erst 43jährigen Graphiker eine Monographie zu geben. Noch ist der junge Wein trübe; wir wollen warten, ob er trinkbar wird.

Sechs „Taschenbücher der Kunst“: Picter Brueghel der Aeltere. Einführung von W. Stechow. — Diego Velazquez. Einführung von H. K e h r e r. — Camille Pissarro. Einführung von H. Günther. — Henri Matisse. Einführung von Chr. Beutler. — Pablo Picasso. Einführung von O. Benesch. — Amadeo Modigliani. Einführung von J. L i p-chitz. — Je 64 Seiten, zirka 22 Farbtafeln und 40 Tafeln in Schwarzweißdruck. Verlag Kurt Desch, München.

Die weiteren sechs neuerschienenen Bände der Buchreihe „Welt in Farbe“ besitzen die gleichen Vorzüge und Mängel wie ihre von uns schon besprochenen Vorgänger. Sosehr es. zu begrüßen ist, daß billige, handliche Bändchen dem Laien eine erste Einführung zu bedeutenden Kunstwerken geben, so sehr ist zu bedauern, daß die Farbtafeln zum großen Teil farbunrichtig sind und folglich den Betrachtern ganz falsche Vorstellungen von den abgebildeten Gemälden geben. Die Farbbilder zu „Velazquez“ und „Brueghel“ sind am mindesten gelungen: auf Tafel 9 wurde das schwarze Hofkleid des von Velazquez gemalten Königs Philipp IV. in dunkles Blau verwandelt, auf Tafel 17 des gleichen Bändchens trägt „Aesop“ violette Haare; in Tafel 11 des „Brueghel“ haben sich lila Reflexe eingeschlichen. — Dagegen besitzen die meisten allzu kurzen Einleitungen zu diesen Kunstbüchem beachtliches Niveau; jene, welche Otto Benesch zu „Picasso“ schrieb, ist eine meisterliche Leistung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung