Sammeln, Forschen, Bewahren

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Ausstellungen in den Bendediktinerstiften Admont, Altenburg, Seckau und St. Paul dokumentieren das Wirken der Mönche in Kunst und Wissenschaft.

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Ausstellungen in den Bendediktinerstiften Admont, Altenburg, Seckau und St. Paul dokumentieren das Wirken der Mönche in Kunst und Wissenschaft.

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Bete, lies und arbeite!" Dieser Wahlspruch der Benediktiner bedarf der Erweiterung: "Sammle, forsche, bewahre, tradiere!" Dies sind nur einige der Aufgaben dieses weltweit wirkenden Ordens. Eine Reise durch vier Benediktinerklöster gleicht einer Wanderung durch Zeiten und Räume. Auch die Zeit "ist ja ein Geschöpf Gottes, der uns alle erschaffen hat" singt die Marschallin im "Rosenkavalier". Zeit und Ewigkeit sind das Thema der Ausstellung in der Bibliothek von Stift Admont (bis 31. Oktober).

Vom frühen Mittelalter an behandeln die Codices Schöpfung, Werden und Vergehen im jüngsten Gericht. Der Mensch ist dabei an seine Vorstellungskraft gebunden. Gottes Paradies gleicht einem irdischen Garten, wie es eine der schönsten Illuminationen in einer Luther-Bibel zeigt: Adam und Eva erwachen zum Leben, doch im Hintergrund steht die Vertreibung als Ende. Der heilige Augustinus tritt dem Besucher in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert entgegen. Sein "Gottesstaat" ist Versprechen und Aufforderung, doch schon damals - und bis heute - weit von der Wirklichkeit entfernt.

Auch die astronomische, messbare Zeit wurde von den Mönchen im Mittelalter erforscht. Sie interpretierten die Zeit als Ergebnis der Bewegungen von Sonne, Mond und Erde. Die Ewigkeit aber war immer unbegreiflich. Dass es in ihr keine Zeit mehr gibt, dass Gott jenseits von Zeit und Raum steht, ist dem Menschen nicht vorstellbar. So schildern die Handschriften diese Ewigkeit in durchaus irdischen Bildern, als ein Leben in Seligkeit im Angesicht Gottes.

Begreifbar aber ist der Schrecken des Jüngsten Gerichtes. Ein Druck aus dem Jahr 1492 zeigt uns Christus, der die erlösten Seelen aus dem Fegefeuer in den Himmel geleitet. Vier Statuen von Josef Stammel im Mittelraum der Bibliothek, die "vier letzten Dinge", die da sind Tod, Gericht, Hülle und Himmel bilden die Klammer und den Mittelpunkt der Ausstellung.

Die Admonter Codices sind aber nicht leblos in der Bibliothek eingesperrt. Wissenschaftler aus der ganzen Welt benützen sie, und besondere Bedeutung haben sie für die Schüler des Stiftsgymnasiums, die aus ihnen das Material für ihre Arbeiten holen. Und so mancher dieser jungen Menschen, der ganz in der Gegenwart lebt, begreift im buchstäblichen Sinn den Wert einer historischen Quelle, wenn er sie in seinen Händen hält.

Historische Quellen Weit zurück in die Vergangenheit wird man im Stift Altenburg geführt. Dort heißt es "Fundort Kloster, Archäologie im Klösterreich" (bis 1. November), die erste Ausstellung über archäologische Denkmalpflege in Österreich. Altenberg selbst ist das beste Beispiel für eine neue Betrachtungsweise: Schüttete man bisher ergrabene Teile nach der Dokumentation wieder zu, so werden sie heute nach Möglichkeit konserviert, restauriert und dem Publikum zugänglich gemacht.

Die Hauptaufgabe der Archäologie liegt aber nach wie vor in der Dokumentation. Jede Grabung, jeder Fund ist eine Urkunde, die man nur einmal lesen kann. Sobald ein Objekt aus seiner Fundsituation entfernt ist, verstummt es, kann seine Geschichte nicht mehr erzählen. Das ist auch der große Schaden, den Raubgräber anrichten. Diesen geht es nur um ein Objekt von möglichst großem Marktwert. Der Wert für Wissenschaft und Geschichte spielt dabei keine Rolle.

Im geschlossenen Gebiet von Kirchen und Stiftungen sind solche Raubzüge unmöglich. Grabungen in Kirchen und Klöstern erfolgen immer aus einem konkreten Anlass, etwa dem Einbau einer Fußbodenheizung in einem Kirchenschiff oder der Sicherung von gefährdetem Mauerwerk. So erbrachte etwa eine Grabung in der Kartause Mauerbach die Anlage eines Kräutergartens aus der Renaissance, der jetzt in Altenburg nachgebaut ist. (Unter dem Titel "Eine Kartause öffnet sich" ist in Mauerbach bis 30. Juli eine Ausstellung über die Geschichte jenes Klosters sowie über die Aufgaben des denkmalschutzes im allgemeinen zu sehen.)

Im Stift Altenburg wurden in den letzten Jahren einige geradezu sensationelle Funde gemacht. Zwischen zwei Mauern lagen fast unversehrt erhaltene Kacheln eines gotischen Ofens von etwa 1480, die als Schüttmaterial verwendet waren. Die Rekonstruktion ergab einen quadratischen Unterbau aus dunkelgrauen Kacheln mit Resten einer Silberauflage. Der obere polygonale Teil ist aus künstlerisch gestalteten Kacheln von hoher Qualität zusammengesetzt. Man kann sie wie ein Bilderbuch lesen: Jagdszenen, Ritter zu Pferd, Geschichten aus der Bibel und zauberhafte Mariendarstellungen waren ursprünglich mit Goldglimmer überzogen. Noch ist die Rekonstruktion nicht abgeschlossen, doch weiß man sich in Altenburg schon heute im Besitz eines Schatzes von europäischem Rang. Der spätgotische Kreuzgang ist ein Musterbeispiel für die gegenwärtige Tendenz der Archäologie: Er wird von einem freistehenden Dach geschützt, das aus modernem Material besteht und gar nicht versucht, Altes vorzutäuschen.

Tief in die Zeit zurück führen die drei Ebenen der Veitskapelle. Im 13. Jahrhundert war sie eine adelige Grablege. Dieser älteste Teil ist nun über eine Wendetreppe zugänglich und dient als Karner. Ins 14. Jahrhundert sind die darüberliegenden Bauteile zu datieren, und die letzte Umgestaltung erfolgte im Barock. In der Mitte der Kapelle stehend erfasst der Besucher mit einem Blick ein halbes Jahrtausend Baugeschichte und klösterlicher Kultur.

In der Abtei Seckau wird man in die lebendige Gegenwart des Benediktinerordens eingeführt. Benedikt von Nursia bezeichnete das Kloster als "Werkstatt Gottes", für die er die Regeln, heute würde man sagen die "Betriebsordnung" festlegte. Sein Ziel ist bis in die Gegenwart verbindlich: "Gottes Werk durch Menschen Hand", wie auch die Ausstellung dieses Jahres heißt (bis 26. Oktober).

In der Pfortenhalle steht eine Glocke, deren Läuten den Rhythmus des Tages im Kloster bestimmt. Welche Arbeit auch immer ausgeführt wird, sechs Perioden des Gebets und des Gottesdienstes geben dem Ablauf eine feste Struktur. Doch zwischen Vigil bei Tagesanbruch und Vesper nach vollbrachtem Tagwerk wirkt jeder Pater nach seinen Fähigkeiten für die Gemeinschaft. Hier sei einer von ihnen hervorgehoben: Am kommenden 16. Juni feiert Bruder Bernward seinen 80. Geburtstag. Er ist weithin als begnadeter Goldschmied bekannt, und seinen Arbeiten ist ein eigener Raum der Ausstellung gewidmet: Exquisites Altargerät, ein ausgefallen gestalteter Bischofstab, daneben eine zarte silberne Brautkrone. Viele dieser Arbeiten befinden sich in Privatbesitz und werden hier zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal gezeigt.

Ebenso kunstvoll ausgeführt sind Tischlerarbeiten, aus einem anderen Grund etwas Besonderes: Sie sind von Schülern gefertigt, denn im Gymnasium hat jeder Schüler die Gelegenheit, ein Handwerk zu erlernen und viele tun das auch. Unterricht ist eine der wichtigsten Aufgaben der Benediktiner in unserer Welt. In einer Atmosphäre der Ruhe und Konzentration verbunden mit jugendlicher Fröhlichkeit wird gelernt, und die Liste der Absolventen enthält klingende Namen aus unserer Gesellschaft.

Im Mittelpunkt des klösterlichen Lebens aber steht die Feier der Eucharistie, wie auch die Kirche der wichtigste Raum, eine "Werkstatt des Herrendienstes" ist. Als Werkstatt Gottes gilt auch der Garten, welcher der Pflege des Menschen anvertraut ist. In Seckau erlaubt er einen weiten Blick über liebevoll gepflegte Bäume, Blumen und Wiesen. Eine wichtiges Ereignis steht den Mönchen bald bevor. Seit drei Jahren ist die Position des Abtes vakant, und durch demokratische Abstimmung mit hellen und dunklen Kugeln bestimmen die Patres selbst, wer die Geschicke der Abtei in den kommenden Jahren führen wird.

Schon der Titel der Ausstellung im Kärntner Stift St.Paul klingt provokant: "Mönche - Macht - Moneten?" (bis 29. Oktober) wirft Fragen auf: Was haben fromme Männer mit irdischer Macht zu tun? Streben sie etwa gar nach mundanem Reichtum? Tatsächlich zeigt die kostbare Schau im Schatzhaus Kärntens den Januskopf klösterlichen Lebens, der sich über Jahrhunderte entwickelt hat.

Was ist der Mensch?

Doch eigentlich stehen andere Fragen im Mittelpunkt: "Was ist der Mensch, was bedeuten ihm Gott und seine Schöpfung?" Die Antworten suchten schon vor Christus heilige Männer, doch sie waren Einzelgänger. Die Gründung des Klosters Monte Cassino durch den heiligen Benedikt schuf eine Institution, die sich von allen ähnlichen grundlegend unterscheidet. Sind in den Klöstern des fernen Ostens (die heute einen seltsamen Zauber auf kulturmüde Europäer ausüben) Gebet und Meditation die Hauptaufgaben, so sind es in den Klöstern der Benediktiner, und damit auch in allen anderen Orden, auch Arbeit, Wissenschaft, Kunst und Vermittlung von Bildung.

Die Vita activa tritt gleichberechtigt neben die Vita contemplativa. Mit dieser Weltzugewandheit kam es auch zu Irrwegen, die in der Ausstellung nicht verschwiegen werden: Alleinanspruch auf den Besitz der Wahrheit, gewaltsame Missionierung, brennende Scheiterhaufen für Hexen. Doch wurde die wachsende Macht der Klöster schließlich zum Segen für die Welt. Wissenschaftlicher Fortschritt, Medizin, Kunst, Bildung wurden eine Sache der Mönche. Schon vor Galilei beobachteten sie den Himmel mit den damals modernsten Instrumenten, ihre Medizin rettete viele Menschenleben, ihre musiktheoretischen Schriften wurden zur Grundlage der Harmonielehre vom Gregorianischen Choral bis zur Dodekaphonik, und ihre Schulen erfreuen sich bis heute des besten Rufes.

Was aber hat Macht damit zu tun? Der hohe Bildungsgrad, der Weitblick gelehrter Mönche machten sie zu unentbehrlichen Ratgebern der Herrscher, und damit wuchs ihre Macht. Den Moneten aber, dem Reichtum der Klöster verdanken wir die unschätzbaren Kunstwerke, die uns heute zugänglich sind. Welches Kloster man heute auch besucht, welche Objekte man bestaunt, eine Erkenntnis nimmt man mit: Es ist die Aufgabe der Benediktiner die Vergangenheit zu erforschen, die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft vorzubereiten.

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