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Im Schatten seiner Flugel

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ZWEI GEWALTIGE FLÜGEL auf rotem und blauem Grund leuchten dem Besucher vom Klostertor des Stiftes Michaelbeuern bei Salzburg entgegen. Sie zeigen an, daß der Engelsfürst Sankt Michael der Herr und Patron dieses Hauses ist. Neben Sankt Peter in Salzburg und Kremsmünster ist Michaelbeuern die älteste noch bestehende Benediktinerabtei Oesterreichs. „Ein Hektar Abendland“ ist der Mutterboden, auf dem unser uraltes Kloster (30 Kilometer nördlich von Salzburg) gewachsen ist.

SCHON DIE KELTEN haben in dieser durch eine Moräne des Salzachgletschers geformten Gegend ihre Spuren hinterlassen. Der Stiftsberg Lielon und der Oichtenbach im Tal sind Namen keltischen Ursprungs. Nach E. Förstermann spll auch dem Ortsnamen „Beuern“, d.h. „bei den Häusern“, ein keltisches Idiom zugrunde liegen. An die Römerherrschaft in Ufernorikum erinnern der Grabstein eines römischen Offiziers, Reste eines heidnischen Altars und das Mauerwerk eines Wachtturmes.

Die Völkerwanderung brächte bajuvarische Siedler hierher, die nach alter Ueberlieferung schon zur Zeit des hl. Rupertus von Mönchen missioniert wurden.

BISCHOF VIRGIL VON SALZBURG errichtete 757/58 zu Otting bei Laufen in Bayern (30 Kilometer von Michaelbeuern) ein Kloster, das Graf Gunther vom Chiemgau dotierte; sein Nachfolger soll beabsichtigt haben, die Abtei wieder zu einem Eigenkloster zu machen und Teile der Stiftungsgüter für seine Familie zu verwenden. Dieses Vorgehen hat angeblich die Mönche bewogen, um 785 ihren Sitz nach Michaelbeuem zu verlegen. P. Michael Filz, Professor der Geschichte an der alten Salzburger Universität (gestorben 1854), sah für diese Translation einen Beweis in der Tatsache, daß Michaelbeuern die 758 an Otting vergabten Güter besaß, während man von Otting nach seiner Gründung nichts mehr hört. Ein altes Nekrologium des Klosters reicht mit seinen

KAlTbitf ÖROSsfWunter cfem Vorsitz ' seiner missi dominici Richolf und Gerold zu „Puorn“ wahrscheinlich in den Jahren um 78 5 und 790 auf zwei Gaugerichten (placita) die Besitz- und Rechtsfragen des transferierten Klosters regeln und sprach den Mönchen die Eigenkirche des Edlen Wenilo als Klosterkirche zu. Gründungsurkunden sind aus dieser frühen Zeit leider nicht mehr vorhanden. — Auf der Synode von Aachen, 817, wird Michaelbeuern („Buria“) neben Salzburg, Mattsee, Kremsmünster zum erstenmal urkundlich als Benediktinerabtei genannt, die dem Reformkreis Benedikts von Aniane nahesteht.

DAS DUNKLE JAHRHUNDERT machte der Zeit der missionarisch-kulturellen Aussaat ein Ende durch Feuer und Schwert: Um 907 brachen madjarische Reiterhorden auf ihren Raubzügen weit nach Westen vor. Mit den umliegenden Dörfern wurde auch das Kloster zerstört, wie die Breves Notitiae Salisburgenses berichten.

Den Sieg auf dem Lechfeld hatten 95 5 die deutschen Stämme unter Michaels Fahne erfochten. Sie verdankten ihn auch Bischof Ulrich von Augsburg, dem es gelungen war, sie zu einen. Ursprünglich war, wie aus der längeren Fassung der Kirchweihurkunde von 1072 hervorgeht, der Weltheiland selber Patron der Klosterkirche. Unser Hochaltarbild des Auferstandenen von J. M. Rottmayr (1691) erinnert noch daran. Wann der hl. Michael Patron wurde, ist ungewiß. Als Sizo, Graf im Salzachgau aus der Familie der Sighardinger, im sechsten Dezennium des zehnten Jahrhunderts das Kloster wiederaufgebaut hatte, wählten die dankbaren Mönche bald den siegreichen Bischof Ulrich zum zweiten Patron. Kaiser Otto II. schenkte 977 anläßlich einer Güterbestätigung alles Rodungsgebiet („quicquid imperialis nostra potestas habere videtur“) im Orte „Biwern“.

Mit der Reformbewegung Bischof Wolfgangs von Regensburg (gestorben 994) kam das Kloster unter dem seligen Abt Werigand in Berührung. Aus dieser Zeit birgt die Bibliothek ein wertvolles Pergamentbrevier; ein zweites Exemplar und andere Codices aus Michaelbeuern sind seit 150 Jahren in der Staatsbibliothek in München. Von der Klosterkirche des zehnten Jahrhunderts, einem einschiffigen romanischen Bau, sind im Clausturm noch die Fundamente erhalten, Refektorium und Dormi-torium aus dieser Zeit stehen heute noch. *

PRO REMEDIO ANIMAE'SUAE schenkten das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde 1036 das Königsgut Lauterbach. Aus diesem Jahrhundert datieren auch die ersten Beziehungen Michaelbeuerns zu Wien, wohin die Stifterfamilie der Sighardinger unsere Mönche rief. Dieses Filialkloster stand an der Stelle der heutigen Michaeierkirche. Das alte Peiler (d. i. Beu-rer) Tor erinnerte noch bis zu seinem Abbruch 1732 an das Salzburger Kloster. Später erhoben die Babenberger Anspruch auf St. Michael als Pfalzkirche. So wurden die Michaelbeuerer an die Peripherie gedrängt, bis heute erhielt sich dieses Faktum in Wien im Namen „Michelbeuern“, denn in Wähn'ng hatte das Kloster bis 1848 Grundbesitz.

Ein bleibendes Denkmal haben sich die Stifter in der romanischen Abteikirche gesetzt. Patriarch Sighard von Aquileia, ehemals Reichskanzler Kaiser Heinrichs IV, ließ sie erbauen und weihte sie mit Erzbischof Gebhard von Salzburg und Bischof Dietwein von Concordia am 18. Juli 1072 ein. Von 1072 bis 1150 bestand in Michaelbeuern sogar ein Doppelklostcr für Mönche und Nonnen Es folgte eine Blütezeit monastischen Lebens, die von der Reformbewegung des elsässischen Klosters Gorze getragen war. Die sogenannte Waltherbibel gibt Zeugnis davon, daß neben klösterlicher Zucht auch Liebe zu Kunst und Wissenschaft herrschte.

Seelsorge übte das Kloster in den ersten Jahrhunderten seit der Gründung durch seine Missionstätigkeit aus. Diese ging bereits im zwölften Jahrhundert mehr und mehr in Pfarrseelsorge über. So verliehen die Erzbischöfe von Salzburg und die Bischöfe von Passau der Abtei folgende Pfarren und Kirchen: 1135 Seewalchen am Attersee (D. Linz), 1212 Obersulz (ED. Wien), 1229 Dorfbeuern (ED. Salzburg) und 1241 Lamprechtshausen (ED. Salzburg).

DIE PÄPSTE GEWÄHRTEN seit Innozenz II. (1137) dem Kloster wiederholt Schutzbullen. Abt Berthold (1224—1229) führte den damals noch seltenen Titel eines „Magister artium libe-ralium“. Mehrmals wurde das Kloster ein Raub der Flammen. An die Äebte der gotischen Zeit erinnern heute noch die Marmorgrabsteine in der Abteikirche. - Die Melker Reform (1439) und die päpstliche Visitation des Kardinals Nikolaus Cusanus (1452) erneuerten den Konvent im Spätmittelalter. Ein großer Teil der Kloster-Gebäude wurde.damals unter AbttGeorg (ge-%rnw2jtÄtter brachten bald Un-' gTuck,“ MiSwirtschart n'und Unordnung das Kloster an den Rand des Abgrundes, als die Glaubensspaltung über das Land hereinbrach.

Die tridentinischen Reformen begannen sich um 1600 segensreich auszuwirken. 1622 wurde die Kirche barockisiert. Abt Michael Trometer (1637—1676) leitete eine Blütezeit unseres Hauses ein. Lange Jahre war er Visitator der Salzburger Benediktinerkongregation. Sein Nachfolger, Aemilian Sengmüller, ließ 1691 von Meinrad Guggenbichler und J. M. Rottmayr den prachtvollen Hochaltar erstellen.

Die Salzburger Universität, 1617 gegründet und den deutschen Benediktinern anvertraut, war eine Segensquelle für das Stift, kam doch von dort ein Großteil des Nachwuchses. Wiederholt bekleideten dort unsere Aebte die Würde eines Präses oder Assistens, 25 Mönche wirkten dort als Professoren — Der von Abt Anton Moser 1786 geplante totale Neubau des Klosters kam nur bis zu Konvent und Bibliothek.

Aufklärung. Kriege, Säkularisation und Aufhebung der Salzburger Universität fügten dem Stift geistigen und materiellen Schaden zu. Die Grundablöse 1848, die damit verbundene wirtschaftliche Umstellung und die Inflation nach dem ersten Weltkrieg brachten das Haus in Gefahr. Seit 193 3 trägt der hochwürdigste Herr Maurus Riha Würde und Bürde des Abtes.

Trotz stürmischer Zeitläufte und der Aufhebung des Klosters von 1942-1945 ruhte in den fünfundzwanzig Jahren seiner Regierung sichtlich Gottes Segen auf dem Aufbauwerk des Jubilars. Durch Chordienst, Schule und Seelsorge wird die Abtei zu einer Segensquelle für mehr als dreißigtausend Menschen, die uns auf den Stiftspfarren anvertraut sind.

DIE FAMILIE BURANA feiert das 1200. Jahr ihrer Gründung zu Otting mit demütiger Dankbarkeit gegen Gottes Führung und Sankt Michaels Schutz. Im Schatten seiner Flügel haben viele Mönchsgenerationen die heilige Flamme gehütet und an uns weitergegeben. Möge uns Christi Anruf allzeit bereit finden, wie St. Benedikt wünscht: „Ut parati sint monachi Semper!“

(Michaelbeuern feiert das Jubiläum des Stiftes und des Abtes mit einer Ausstellung über Leben und Wirken des Hauses vom 1. Mai bis 29. September 1958. Am 11. Mai beginnt eine Festwoche, die mit der Feier des silbernen Abtsjubiläums des Hausvaters am 18. Mai abschließt.)

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