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Abseits vom Strom

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DAS DONAUTAL DER WACHAU, das sich — im engeren Sinne — von der Stadt Krems bis Melk erstreckt, ist wegen seiner landschaftlichen Schönheit, seinen Bergen und Burgruinen von jeher sehr geschätzt. Orte wie Krems, Weißenkirchen, Spitz, Mitter- und Hof- Arnsdorf usw. sind neuerdings durch den heimischen Film ins Blickfeld des österreichischen Fremdenverkehrs gerückt. Dürnstein, Schwalienbach, die Ruine Aggstein mit ihrem „Rosengärtlein” waren schon immer besuchte Reise- und Wanderziele. Ebenso pilgerte zu dem Wallfahrtsort Maria-Taferl von jeher eine große Zahl von Andächtigen.

Doch gibt es nicht nur an den beiden Donauufern selbst hübsch gelegene, romantische Ortschaften, sondern auch seitwärts des Stromes entdeckt der forschende Wanderer reizvolle Dörfer und Märkte, stößt auf viele Sehenswürdigkeiten, die es verdienen würden, für den erholungs- und ruhebedürftigen ln- und Ausländer sowie auch für Urlauber neu entdeckt zu werden.

EIN „ASYL DES FRIEDENS” ist der Wallfahrtsort Maria-Langegg, der, zwischen den Orten Mitter-Arnsdorf und Aggsbach-Dorf etwa fünf Kilometer landeinwärts gelegen, heute mit dem Autobus von Krems aus leicht erreichbar ist.

Die Größe des waldumrahmten Heiligtums Maria-Langegg liegt nicht so sehr in seinem Reichtum an Schätzen als in seiner Einfachheit und Naturverbundenheit, die es zu einem beliebten Ausflugs- und Urlaubsziel von Menschen werden ließ, die sich sowohl körperlich als auch seelisch in diesem „Asyl des Friedens” erholen können.

Und in der Tat: seit seiner Entstehung vor rund 3 50 Jahren war Maria-Langegg mit diesem Frieden gesegnet und blieb im Wesen von all den ..Unr n Ugg Kric verwüstungen_ der Zeit erschollt.

IM ARCHIV DES KLOSTERS zum ersten Male 15 82 erwähnt, stand in der Mitte des heutigen Dorfes Langegg als einziges Gebäude von damals der „Langegger Hof”, zu dieser Zeit schon wegen seines schloßartigen Aussehens das i.Schlößl” genannt. Vorher zur Herrschaft Arnsdorf gehörig, wurde es 1599 von Mathias Häring, dem Güterinspektor der drei fürsterz- bischöflich-salzburgischen Herrschaften zu Wölb- ling, Traismauer und Arnsdorf, käuflich erworben. Häring war, wie uns heute am besten der Inhalt seines Testaments zeigt, ein überaus gläubiger, gewissenhafter Familienvater, gebürtig aus Tirol, vermählt mit Frau Mägerlin von Wegleiten, und hatte eine einzige Tochter namens Maria Klara. Diese kam um das Jahr 1603 zur Welt, erkrankte aber schon im folgenden Jahr so schwer, daß alle Kunst der Aerzte versagte und Häring zur Gottesmutter Zuflucht nahm; ihr Bild — das heutige Gnadenbild — hing in seinem Arbeitszimmer über dem Schreibtisch und wurde seit einigen Generationen in der Familie bewahrt. Es waren auch schon öfter Gebetserhörungen geschehen. Vor diesem Bild gelobte nun Häring, daß er eine Kapelle auf dem nahen Hügel oberhalb des Schlosses bauen und darin das genannte Marienbild feierlich aufstellen wolle. Das Kind genas, und schon 1605 war die Kapelle fertig und wurde zu Mariä Geburt, am 8. September 1605, eingeweiht.

Bei dieser Zeremonie geschah die zweite Krankenheilung, als die betagte Frau Melchartin von Geyersberg von heftigen, dauernden „Knieschmerzen” befreit wurde. Auch Häring selbst wurde dann später von einem Fußleiden, ja sogar von einer inzwischen dazugetretenen vollständigen Taubheit geheilt.

ZWISCHEN 1605 UND 1620 wurde die Kapelle von verschiedenen Orden betreut. Da der Volksandrang immer größer wurde, dachte man daran, die Kapelle zu erweitern. Das geschah zum erstenmals 1614, als der Abt von Melk, Kaspar Hofmann, schwer erkrankte, auf sein Gelübde hin geheilt wurde und einen ansehnlichen Betrag spendete. Die zweite Vergrößerung der nun zur Kirche gewordenen Kapelle durch einen Anbau fand 1616, nach einer neuerlichen Spende des Abtes von Melk, unter Mithilfe Härings, statt.

1618 suchte Häring beim bischöflichen Konsistorium um die Erlaubnis an, das Kirchlein Benefizianten zu überlassen. Als deren letzter, mit Namen P. Adam Ruprecht OCist., im Dreißigjährigen Krieg starb, erbaute Häring für diese Benefizianten einen Pfarrhof, ein Meierhaus mit Stadel und Stallung, gab dazu Garten sowie Ackerland, Wald und ein Stück Weingarten in Mautern, überdies Hausvieh und Ackergeräte.

Um 1643 kam ein Benediktiner, P. Modestus Mayr, nach Wien in das Servitenkloster in der Roßau und veranlaßte die Uebergabe der Gnadenstätte an die Serviten dadurch, daß er sie auf Maria-Langegg aufmerksam machte.

DER SERVITENORDEN wurde 1233 in Florenz durch sieben Männer unter der Mitwirkung Mariens selbst — wie die Ordensgeschichte erzählt - ms Leben gerufen und 1612 durch Erzherzogin Anna Juliana von Gonzaga in Tirol eingeführt, von Ferdinand II. und Leopold I. im übrigen Oesterreich. Der Orden besitzt zur Zeit in Oesterreich 14 Niederlassungen. 1643 bewarben sich die Serviten dann auch um Langegg. indem sie Bittschriften an die Kaiserinwitwe Eleonore, an Erzherzog Wilhelm, Bischof von Passau, und an Kaiser Ferdinand III. sandten.

Nach großen Bemühungen’ übergab schließlieh der damalige Schloßbesitzer von Langegg, Niklas Schober von Hartenbach und Perschling, Hauptmann der kaiserlichen Armee, die Kirche mit den dazugestifteten Bauten und Besitzen den Serviten. Schon kurz nach ihrem Einzug in Langegg aber mußten sie am 20. Mai 1645 mit dem Gnadenbild vor dem Ansturm der Schweden in die Burgfeste Aggstein fliehen, kehrten jedoch, weil die Schweden Langegg unversehrt gelassen hatten, bald zurück. Eine Bedingung Schobers bei der Uebergabe — der bald beginnende Klosterbau — wurde nun erfüllt.

DAS „SCHLÖSSL”, das eigentlich — wie uns Mathias Härings Testament mitteilt — nach dem letzten Erben an das Kloster fallen sollte, von Schober aber weiterverkauft wurde, wurde nach oftmaligem Besitzwechsel durch den Ser- vitenprior P. Hermann M. Nebel von Franz von Weidenthal angekauft und ist jetzt noch im Besitze des Klosters.

Inzwischen war der Andrang des Volkes — es kamen ja nun schon die Wallfahrer in Prozessionen nach Langegg gezogen — auf etliche Heilungen hin so groß geworden, daß man beschloß, eine neue, große Kirche in der Nord- Süd-Richtung zu erbauen und die alte Kirche, die in der West-Ost-Richtung stand, zum Teil abzutragen. Am 16. Juni 1765 wurde der Abbruch vom bischöflichen Konsistorium gestattet, und man ließ dann nur noch das alte Presbyterium dieser alten Kirche stehen, welches man heute noch auf dem Hügel neben der großen Kirche sieht.

Der Grundstein zur neuen Kirche wurde am 16. Mai 1765 von Adm. P. Berthold M. Ermb- lich gelegt. Die Aufschrift auf diesem besagte, daß die Kirche zu „Ehren Mariens, dem Heil der Kranken”, erbaut wurde. Die Kirche war 1773 fertig, wurde vom Dechanten zu Loosdorf, Josef Midauer, benediziert und am 14. November 1773 erfolgte durch Abt Urban von Melk die feierliche Uebertragung des GnadenbrfdeS aus det äbgärisiseritfi ‘Kä’pettö. Kaiser Josef erhob die Kirche 1783 zur Pfarrkirche. Um diese Zeit wurden in Langegg die ersten Steinhäuser errichtet, denn bis dahin standen nur .Holzhütten um die Kirche herum. Schließlich wurde die Kirche dann am 11. Mai 1800 von Sigismund, Graf von Hohenwart, Bischof von St. Pölten, konsekriert.

DAS KLOSTER ist ein quadratischer Bau, vorne einstöckig, hinten wegen des absinkenden Terrains zweistöckig. Im obersten Stockwerk liegen im Südtrakt die Klausur der Mönche, im Westtrakt und vorne Fremdenzimmer der Pension sowie die Gastwirtschaft mit ihrem „Klosterstüberl”, die hinter der Kirche ihr Lokal mit einem freundlichen Gasthausgarten hat, von dem aus man bei klarer Sicht die Donau und die Türme des Stiftes Melk sieht.

Der derzeitige Verwalter des Klosters Langegg, der junge Prior Hochwürden Pater Silvius Evarelli aus dem Servitenkloster zu Wien, der dieses hohe und verantwortungsvolle Amt erst seit 1956 bekleidet, ist nicht nur bestrebt, das bereits Vorhandene des Gnadenortes zu verwalten, sondern ihn noch weiter auszubauen. Er hat, trotz anfänglicher Widerstände, nach großangelegten Konzept eine Reihe von Erneuerungen und Renovierungen vornehmen lassen, die teilweise noch im Gange sind.

ZUNÄCHST WURDEN DIE ALTÄRE UND FRESKEN restauriert, die Kirche selbst mit einer neuen Fassade versehen, eine neue Innen- und Außenbeleuchtung sowie Lautsprecheranlage installiert. Die Straße, die, vom Dorfe kommend, bisher am Fuße des Kirchenhügels endete, wurde zu einer modernen Autostraße ausgebaut, die um Kapelle und Kirche herumführt und in einen geräumigen Parkplatz, knapp vor dem Eingang zum erwähnten „Klosterstüberl” - das ebenfalls neu gestaltet wurde —, einmündet.

Der 45 Meter hohe Turm der Kirche mit seinem schweren Turmkreuz beheimatet derzeit vier Glocken — die größte ist 2800 Kilogramm schwer die in d-moll gestimmt sind. Ihr Klang tönt in die umgebenden Wälder hinein und grüßt die Wallfahrer und darüber hinaus alle, die nach Langegg ziehen und in diesem Erdenwinkel den Frieden des Herzens suchen.

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