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Der hilfsbereite Bürgermeister führt Gäste

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1848 ist Ferdinand I. von Wien hierher geflüchtet, hier dankte er zugunsten seines Neffen Franz Joseph ab. Olmütz, das „Mährische Salzburg", hat vielleicht sogar römische Wurzeln.

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1848 ist Ferdinand I. von Wien hierher geflüchtet, hier dankte er zugunsten seines Neffen Franz Joseph ab. Olmütz, das „Mährische Salzburg", hat vielleicht sogar römische Wurzeln.

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Die Luft flirrt leicht und ist voll von Gesumme und Vogelgezwitscher. In der Ferne, im Dunst des heißen Sommertages glänzen Türme und Kuppeln, weiß, golden und grün. Der Blick geht vom Heiligen Berg von Olmütz (Olomouc) auf die Stadt zu meinen Füßen. Das Wort,.heilig" (svaty) verstehen die Leute neuerdings wiederum und der „Kopecek", wie er von allen Olmützern zärtlich genannt wird, heißt daher wie in den Zeiten der Monarchie - Svaty Kopecek.

So wurde er schon seit urdenkli-chen Zeiten bezeichnet, auch in den Jahrhunderten, als Olmütz noch eine deutsche Sprachinsel war. Manche sagen, hier hätte sich schon ein Heiligtum der Römer befunden, andere wiederum gehen noch weiter, ganz Olmütz sei römischen Ursprungs („Olomucium" von Iulii Möns - Berg des Julius [Cäsar]). Ein letzter Blick noch auf die prächtige Wallfahrtskirche, gestiftet vom Weinhändler Johann Andrysek - nach einer erfolgreichen Verkaufsfahrt nach Wien.

Hradisch - Reste alter Pracht

Unten am Fuße des Heiligen Berges liegt das barocke Kloster Hradisch (KlaSterni Hradisko). Seit 1948 beherbergt es ein Militärspital mit abbröckelnder und verblichener Fassade. Eine weißgekleidete Krankenschwester nahm sich unser an, als wir hilfesuchend im Geviert des Innenhofes auf die ehemals reich gegliederte Torfront blickten. Sie begleitete uns in den ersten Stock, vorbei an „EKG" und „Chirurgie", wies auf eine wunderschönen Tür mit der Aufschrift „Knihowna": „Schene Bilder, missen Sie sehen!" Hinter der Türe - die Prä-latur, zweckentfremdet als Bibliothek für die Patienten. Prachtvolles, wie vermutet, offenbart sich uns hier: Stuckarbeiten von Baldassare Fontana, Architekturmalerei von Antonio Tassis und phantastische Fresken von Daniel Gran und Paul Troger. Wie mag dieser Bau, der Domenico Mar-tielli (1679-1739) zugeschrieben wird, dem kein Krieg etwas anhaben konnte, noch vor fünfzig Jahren ausgesehen haben?

Schon zur Zeit des Großmährischen Reiches soll an der Stelle der heutigen Stadt Olomouc eine Siedlung mit Wehrburg bestanden haben. Bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurde auf dem Domhügel von Herzog Bfetislaw I. eine Residenz errichtet. 1063 wurde Olmütz zum Bistum erhoben, das es bis zum heutigen Tage geblieben ist.

Im Mittelalter- und auch noch viele Jahre danach - waren die Bischöfe die Herren der Stadt, vor allem als die Landesfürsten bereits im Prag residierten. In diese Zeit fällt auch die Grundsteinlegung für den Olmützer Wenzelsdom auf einer Felsenzunge über der Innenstadt. Neben der späteren dreischiffigen Basilika befand sich der Herzogspalast der Pf zemysliden, der bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts als zerstört galt.

Die alte Pf zemyslidenburg

Durch Zufall fand man jedoch unter den Kirchenbauten den Rest der Burg samt romanischem Königsgemach, der durch einen gotischen Burgbau überlagert wird. Die Entdeckung war eine archäologische Sensation ersten Ranges. Die Pf zemyslidenburg ist heute als Museum frei zugänglich. Im ehemaligen Wohnturm befindet sich auch eine Kapelle, die der späteren Domdechantei als Hauskapelle einverleibt wurde. In dieser Kapelle soll Domdechant Graf Anton Podstatzky im Herbst 1767 inständig für die Genesung des in seiner Obhut an Pocken erkrankten Knaben Wolfgang Amadeus Mozart gebeten haben. Aus der Geschichte wissen wir, daß sein Bitten erhört wurde...

Aber Olmütz ist nicht allein eine Stadt der Bischöfe und des Gebets, sondern auch der Morde und des Elends. Der sechzehnjährige Böhmenkönig Wenzel III. wurde in eben dieser Kapelle am 4. August 1306 von einem gedungenen Mörder erdolcht. Motiv und Auftraggeber blieben für immer unbekannt. Mit seinem Tod endete die Dynastie der Pf zemysliden, die sechshundert Jahre über Böhmen geherrscht hatte.

In den von Maria Theresia gegen den Preußenkönig im Jahre 1758 erbauten Fortifikationen und Kasematten setzte sich Jahrhunderte später Elend und Leid fort: namhafte Gefangene, vor allem politische Häftlinge, mußten hier dahinvegetieren, unter anderem General Lafayette, der Russe Bakunin und die Schriftsteller Sabina und Sladkovsky.

Wer Olmütz besucht, findet in seinem Stadtkern die höchste und prächtigste Dreifaltigkeitssäule Europas, erbaut vom Olmützer Steinmetzen Wenzel Render in einer Bauzeit von 38 Jahren. Als wir im nahen Rathaus (14.-16. Jahrhundert) den Rittersaal suchten, schloß uns ein hilfsbereiter Herr die gotische Kostbarkeit auf. Auf unseren Dank antwortet er schlicht: „Als Bürgermeister dieser Stadt habe ich mich sehr gefreut, Ihnen alles zeigen zu können. Waren Sie übrigens schon im Erzbischöflichen Palais, dort wo Kaiser Franz Joseph I. 1848 sein Amt angetreten hat?" Und diesem Tip sind wir natürlich auch gefolgt.

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