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Von Sage und Geschichte umweht

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Es hat sich . die begrüßenswerte LIebung herausgebildet, die Wachau und den Nibelungengau gemeinsam zu betrachten, wenngleich beide Gegenden landschaftlich bemerkenswerte Unterschiede aufweisen. Auf neuer Trasse wird man in Bälde im malerischen Ybbs angesichts des Schlosses Persenbeug die Donau auf der Mauerkrone des Stauwerkes übersetzen und nach einer Fahrt, reich an unvergeßlichen Eindrücken, Krems, den Vorort der Wachau, bequem erreichen.

Die Doppelstadt Krems-Stein blickt auf eine lange und ereignisreiche Geschichte zurück, die vorwiegend durch die Weinproduktion und die bedeutenden Märkte charakterisiert ist So kommt es, daß die Stadt bereits im 12. Jahrhundert im Reisebericht des Arabers Edrisi erwähnt wird, daß hier von Leopold III. dem Heiligen bereits um 1115 die älteste österreichische Münzstätte und in Stein eine Mautstätte eingerichtet wurde. Die Märkte aber, die zweimal im Jahre je zwei Wochen lang stattfanden, brachten, wie es in der alten Topographie von Merian heißt, „viel Kaufleuth aus Teutschland, Ungarn, Polen und Böheim” hierher. Allerdings wurde diese Zeit der Blüte durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen; das 18. Jahrhundert aber knüpfte wieder an die ältere Entwicklung an, so daß Krems-Stein schon damals mit seinen 5000 Einwohnern nach Wien durch lange Zeit die volkreichste Stadt Niederösterreichs war. Seine wirtschaftliche Bedeutung spiegelte sich auch in der Steuerleistung, welche die aller anderen „mitleidenden Städte und Märkte” des Landes übertraf.

Das auf Neuland erbaute Bahnhofsviertel — früher floß hier ein schiffbarer Donauarm, der eine Insel von der Stadt abtrennte — liegt südlich des an Sehenswürdigkeiten reichen Gebietes der ummauerten Chremisa, wie sie bereits 995 benannt wird. Insbesondere das überlieferte

Stadtbild schätzen die Fremden, ebenso das neugeschaffene Museum des Barockmalers Martin Johann Schmidt, der volkstümlich „Kremser Schmidt” genannt wird. Von kulturellen Besonderheiten ist auf die Entstehung der bedeutendsten niederösterreichischen Mundartdichtung „Da Naz” zu verweisen. Ihr Verfasser, Josef Misson (1803 in Mühlbach am Manhartsberg geboren), war Piaristenordenspriester und Kaplan der Steiner Nationalgarde 1848.

Krems ist nunmehr ständiger Sitz der Niederösterreichischen Landesaustellung, und aueh heute noch bildet der Weih wie eh und je das Handelsobjekt. Neben dem städtischen Museum besteht daher als neuere Gründung ein eigenes Weinmuseum, das der Darstellung der Geschichte und Technik des Weinbaues gewidmet ist.

In engem landschaftlichem und geschichtlichem Zusammenhang mit den Donaustädten Krems und Stein steht M a u t e r n, das Favianis der Römer und das „Mutaren” des Nibelungenliedes, berühmt als Wirkungsstätte des hl. Severin, der hier 482 gestorben ist. Sein Kloster war im gewissen Sinne der Vorläufer des 1074 von dem Passauer Bischof Altmann gegründeten Benediktinerklosters G ö 11 w e i g. In seiner beherrschenden Berglage wirkt der heutige 188 zu 149 Meter messende monumentale Bau Johann Lukas von Hildebrandts doppelt eindrucksvoll, wenngleich er unvollendet geblieben ist. Zu allen Sehenswürdigkeiten der Abtei kommt noch der unvergleichliche Blick von der Stiftsterrasse auf das Donautal und die Höhen des Waldviertels und des Manharts- gebirges.

Von den berühmten Wachauorten sei hier in erster Linie Dürnstein erwähnt, nach Hardegg die kleinste Stadt des Landes, zugleich ein Juwel mittelalterlicher Romantik und österreichischer Barocke. Der Kunstfreund findet hier den von Propst Uebelbacher zwischen 1715 und 173 5 errichteten Neubau des Äugustiner-

Chorherrenstiftes mit dem schönsten Barockturm Oesterreichs, ein Werk des Hofbildhauers I. M. Steindl und des Baumeisters Mungenast.

Gegen Westen folgen nunmehr Weißenkirchen, einst der Hauptort der Wachau, mit dem Theissenhoferhof und der stilvoll wiederhergestellten Wehrkirche, wie Dürnstein und Spitz einst der Sitz namhafter Künstler, deren Werke die Wachau erst so richtig bekanntgemacht haben. Spitz selbst liegt um die bezeichnenderweise „Tausendeimerberg” benannte Höhe; auch seine Pfarrkirche mit zahlreichen bemerkenswerten Skulpturen und Gemälden wurde kürzlich restauriert. Obwohl bereits im 9. Jahrhundert genannt, ist doch das roman tische St. Michael Sitz der Urpfarre der Wachau gewesen. Von Spitz aus ist bequem die höchste Erhebung des ganzen Gebietes erreichbar, der 957 Meter hohe Jauerling mit dem berühmten Alpenblick.

In der oberen Wachau folgen auf dem Nordufer der Donau Schwalienbach, Willendorf (bekannt durch den Venusfund) und A g g s- bach-Markt, gleich Spitz alter Besitz der Benediktinerabtei Nieder-Alteich oberhalb Passau.

Schon von hier aus eröffnet sich der Blick auf die Benediktinerabtei Melk, dem architektoni-

sehen und landschaftlichen Höhepunkt jeder Wachaureise, ob sie mit der Eisenbahn oder dem Dampfboot unternommen wird. Das „Medelike” des Nibelungenliedes liegt am Fuße des Stiftsfelsens, der nacheinander einem römischen Kastell, der ältesten Babenberger-Residenz und dem späteren Kloster Platz bot. Die Abtei Melk zählt in ihrer Größe wie in der architektoni schen Ausgestaltung der Westfassade zu den bedeutendsten Barockbauten überhaupt. Ihr Meister ist Jakob Prandtauer.

Nordwestlich von Melk, jenseits der Donau, liegt die Ruine W e i t e n e g g, die mit Agg- stein, Dürnstein und Hinterhaus zu den schönsten des Landes zählt. Landeinwärts von Klein-

Pöchlarn sieht man das turmbewehrte Schloß Artstetten. das die Grabstätten des 1914 zu Sarajewo ermordeten Erzherzog-Thronfolgers und seiner Gattin birgt.

Am linken Stromufer liegt die Stadt Pöchlarn, das Bechelaren des Nibelungenliedes, die Residenz des Markgrafen Rüdiger. Und wieder nordwestlich davon beschließt der Wallfahrtsort

Maria-Taferl mit seiner doppeltürmigen Barockkirche von Prandtauer den Blick über den Nibelungengau. Der Zugang zu Maria-Taferl erfolgt über den Marktflecken Marbach an der Donau, wo der Strom zur großen Krümmung ansetzt, welche die „Ybbser Scheibe” umschließt.

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