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Berge, Burgen, Wälder

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In Hadersdorf am Kamp teilt sich die Bahn, die von Wien-Franz-Josefs-Bahnhof westwärts führt. Ein Zweig reicht in die Wachau und den Strudengau und gewinnt über Mauthausen—St. Pantaleon in St. Valentin Anschluß an die Westbahn. Der andere Zweig, eine eingeleisige Strecke, benützt das hier bei Hadersdorf ins Tullner Becken einmündende Kamptal und führt den Kamp aufwärts über Langenlois, Gars, Rosenburg und Horn nach Sigmundsherberg, wo die Hauptstrecke der Franz-Josefs-Bahn erreicht wird

Das Kamptal und seine Verkehrsmittel haben daher eine für Niederösterreich ganz besondere Bedeutung. Es ist die einzige durchlaufende Verbindung zwischen dem Waldviertel und der Donau, denn die Bahn von Gmünd südwärts nach Zwettl und Otxenschlag endet in Martins- berg. Der Kamp besitzt aber nicht allein eine große Verkehrs Wichtigkeit. Er ist auch ein Energielieferer ersten Ranges, unschätzbar geworden nach dem zielbewußten Ausbau der Kamptalwerke, mit denen sich das Land Niederösterreich geradezu ein Denkmal gesetzt hat. Wenn es beute möglich ist, immer weiter die Siedlungen zu elektrifizieren, wenn der Landmann in zunehmendem Maße zum Abnehmer für Elektrogeräte geworden ist und wenn - nicht zuletzt — die gesamte Verbundwirtschaft um eine Sorge leichter geworden ist. dann hat man es den Leuten zu danken, die in einer Zeit, da es beileibe nicht einfach war. zu planen, den Mut nie sinken ließen. Und den Mut haben aber auch die Fremdenverkehrsbetriebe nicht verkauft. Dieser Standfestigkeit der Menschen am Kamp und im Horner Becken ist es zuzuschreiben, wenn heute neben der Wachau auch das Kamptal und das Poigreich (Gebiet um

Horn) eine maßgebliche Rolle in der Fremdenverkehrswirtschaft spielen und der Verkehr, verglichen mit der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, wesentlich verbessert wurde.

Hadersdorf bietet durch seine günstige geographische Lage schöne Ausflugsgelegenheiten ins Kamptal, nach Gobelsburg mit der Stammburg des sagenhaften Ahnherrn der Kuenringer, Azzo von Gobelsburg. Sehenswert ist hier auch die spätgotische Pfarrkirche mit Steinreliefs am Chor aus dem 12. Jahrhundert. Auch zur Ruine Falkenstein und auf den Heiligenstein mit der Kamptalwarte zu wandern ist schön. Auf diesen Wegen erdrückt uns kein Massenverkehr und, wo wir auch einkehren, werden wir freundlich willkommen geheißen. So etwa gleich in Langenlois, einer Stadt mit fast 5000 Einwohnern. Langenlois ist die größte weinbautreibende Gemeinde Oesterreichs und — was manche, die gerne singen, sicherlich wissen — mit seinem Namen sogar in die Schlagerliteratur eingegangen. So richtig Stadt wurde Langenlois eigentlich erst nach 1945. Um nur ganz wenige der vielen, vielen Neuerungen der Stadt aufzuzeigen, sei der Loisbachregulie- rung gedacht, die zwischen 1948 und 1954 durchgeführt wurde. Als Dernier cri zeigt sich dem Besucher das vergrößerte Schwimmbad. Buschenschenken laden zum Besuch ein. Am Sauberg entstand eine der modernsten Schulen Niederösterreichs, in der die heranwachsende Jugend das für Wein-, Obst- und Gartenbau nötige Wissen vermittelt bekommt. Sehenswert ist in dieser mehr als drei Kilometer langen Siedlung so viel, daß man nicht schnell durchfahren soll. Den Kunstfreund entzückt St. Lorenz, die Pfarrkirche, die aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammt und im 18. Jahrhundert teilweise barockisiert wurde.

Und dann weiter. So etwa nach den Weinmarken vielleicht? Wer kennt nicht den Z ö b i n g e r (es ist aber besser, ihn an Ort und Stelle zu trinken und nicht in einer pompös bezeichneten ..Zöbinger Zentrale”). Schönberg ist wohlbekannt durch seine 1168 erstmals genannte Burg, jetzt Ruine, Stammschloß derer von Kuenring-Schönberg.

Gars brauchte man wohl kaum besonders vorstellen. Es hat seine feste Urlaubergemeinde und Freunde allerwärts in Oesterreich. Vier Straßen münden hier in den Kamptalweg, während zwei Straßen nach Westen führen, nach Gföhl und Krumau am Kamp Sehenswert ist in Gars unbedingt das Rathaus mit dem Wappen des Marktes und der Jahreszahl 1?93 — im Renaissancestil erbaut, wie überhaupt hier in Gars viele Häuser Merkmale dieser Bauepoche tragen. Um 1084 residierte auf Burg Gars Markgraf Leopold, genannt „der Schöne”. Die Burg spielte kurze Zeit eine wichtige Rolle als Sitz des Landesfürsten, unter Leopold II., dessen Bruder Adalbert etwas nördlicher, in P e r n e g g, wohnte. Braucht man nach Osten floß, ändert ab Rosenburg seinen Lauf und wendet sich südwärts.

Und etwas von Orten wieder, die man weniger beachtet, die es aber durchaus verdienen, daß man haltmacht. Da ist Straß im Straßer Tal, in einer landwirtschaftlich gesegneten und anmutigen Gegend, mit vielen weiß angestrichenen Häusern, die wie Segel blitzen. Da ist Schönberg am Kamp, noch in guter Weinlage, die Terrassen ziehen sich weit hinauf an den Manhartsberg. Und da ist Frauenhofen, das schon im „Poigreich” liegt, ein Zeilendorf, im Mittelalter Sitz eines Rittergeschlechts „von Vronhofen”, das 1187 erstmals genannt wird und im 15. Jahrhundert ausstarb. Wundervoll die Filialkirche St. Wolfgang, im ältesten Teile gotisch. Auf der östlichen Langhauswand neue Fresken (1948) von Hans Alexander Brunner.

Das „Poigreich”. Ja. fragt man da und dort vielleicht, was ist denn das für ein Reich? Nun, es ist ein historischer Grafschaftsname. Das Herzstück des etwa 200 Quadratkilometer großen Gebietes ist das Horner Becken, von einem dunklen Kranz herrlicher Wälder umgeben. Ein freundliches, ein herzbewegendes Land, drei Sterne in jedem Reisehandbuch wert. Die günstige Verkehrslage von Horn macht es überaus geeignet als Standquartier. Von hier aus kann man Entdecker sein und wird es nicht bereuen. Die Stadt Horn birgt eine derartige Fülle von Kunstdenkmälern, daß es auch nicht annähernd möglich ist, sie aufzuzählen. Aber unbedingt muß eine österreichische Sehenswürdigkeit genannt werden. Das ist das Stadtoder Höbarth-Museum. Es ist 1930 von dem bekannten Heimatforscher und knapp vor seinem Tod mit dem Professortitel ausgezeichneten Josef Höbarth, dem Sohn eines Schmiedemeisters, gegründet worden. Das Beispiel des nicht weniger berühmten Krahuletz in Eggenburg eiferte Höbarth an. Das in Erdgeschoß und drei Etagen des mittelalterlichen Wehrturms untergebrachte Museum soll niemand zu besuchen versäumen. Und wer schon in Horn ist, wird weder das Barockjuwel Altenburg noch den Wallfahrtsort M a r i a - D r e i e i c h e n, der zur Gemeinde Mold gehört, auslassen.

Das Stift Altenburg, eine kulturelle Hochburg, geht auf das Jahr 1144 zurück. Haben auch schwerste Schicksalsschläge das Heim der Söhne St. Benedikts getroffen, so hat sich, dank der alten Regel: Bete und arbeite, das Kloster immer wieder aus Schutt und Trümmern erhoben. Wer es 1946, nach dem Abzug der Besatzungstruppen, gekannt hat und es jetzt wieder sieht, steht vor einem geradezu unwahrscheinlich anmutenden Wiederaufbau. In alter Schönheit strahlen die Räume, überwältigen die Kunstschätze. Es soll nur gesagt werden, daß, nach der Meinung der Kunsthistoriker, das Stift Altenburg in seiner Bibliothek den schönsten und in seiner Krypta den originellsten Raum eines österreichischen Klosters besitzt.

Maria-Dreieichen liegt auf waldbedeckter Anhöhe im Osten der Horner Bucht. Hier stellte 1656 der Horner Kürschner Matthias Weinberger nach Genesung aus langem Siechtum sein Vesperbild auf einer Drillingseiche zur öffentlichen Verehrung auf. Bald entstand eine Gnadenkapelle. 1744 wurde mit dem Bau der heutigen Wallfahrtskirche begonnen, die aber erst nach den Franzosenkriegen 1819 vollendet wurde. Die Fresken stammen von Paul Troger. Die weithin sichtbare Kirche ist eine Weihestätte der Marienverehrer, gewachsen aus den Beiträgen, ein Denkmal bodenverbundener Handwerkskunst, fest verwurzelt in den Herzen seiner Bewohner.

Schön sind das Kamptal und das Poigreich, und es gibt nur wenige Gegenden in Niederösterreich, dem noch viel zu wenig gewürdigten und unterstützten Bundesland, die den Wechsel der J.”‘--eszeiten so herrlich widerspiegeln wie diese Landschaften.

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