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Manches „Für“ und vieles „Wider“

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Die Diskussion um die geplante Wachau Straße ist eröffnet. Die „Furche" hat mit ihrem Warnungsruf „Was uns Jahrhunderte gelassen " (Nr. 20, 15. Mai) ein Herzanliegen weitester Kreise verdolmetscht: Die Wachau muß in ihrer einmaligen unberührten Schönheit erhalten bleiben! Täglich erreichen uns Briefe und telephonische Anrufe, täglich sprechen Persönlichkeiten aus Stadt und Land bei uns vor. Sie bezeugen uns den Widerhall, den die in der „Furche" veröffentlichten Darlegungen gefunden haben. Ihre überwiegende Mehrzahl teilt die von einem Freund der Natur und von einem weltbekannten Stadt- und Landschaftsplaner geäußerten ernsten Bedenken gegen das bisher bekanntgewordene Projekt der linksseitigen „Weinstraße". Einige wieder hoffen und meinen, die Persönlichkeit der Bauherren biete Gewähr, daß nicht unwiedergutzu machende Eingriffe in das Landschaftsbild erfolgen. Wurde nicht vor der Jahrhundertwende in einer Zeit des drängenden technischen Fortschritts an vielen Stellen unserer Heimat Unersetzliches zerstört? Das fürchten die Freunde der Wachm! Deshalb erwarten sie klare und in alle Einzelheiten gehende Eröffnungen, bevor sie ihre Einwendungen, daß die Durchfahrtstraße gar nicht auf dem linken Donauufer gebaut werden dürfe, vielleicht revidieren können. Einem alten Grundsatz getreu, lassen wir beide Meinungen in der nun beginnenden Aussprache zu Worte kommen, ohne unseren Standort zu verlassen. In diesem Sinn bringen wir im folgenden einen ersten Teil von Stellungnahmen und Zuschriften unserer Leser. Die Furche".

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Die Diskussion um die geplante Wachau Straße ist eröffnet. Die „Furche" hat mit ihrem Warnungsruf „Was uns Jahrhunderte gelassen " (Nr. 20, 15. Mai) ein Herzanliegen weitester Kreise verdolmetscht: Die Wachau muß in ihrer einmaligen unberührten Schönheit erhalten bleiben! Täglich erreichen uns Briefe und telephonische Anrufe, täglich sprechen Persönlichkeiten aus Stadt und Land bei uns vor. Sie bezeugen uns den Widerhall, den die in der „Furche" veröffentlichten Darlegungen gefunden haben. Ihre überwiegende Mehrzahl teilt die von einem Freund der Natur und von einem weltbekannten Stadt- und Landschaftsplaner geäußerten ernsten Bedenken gegen das bisher bekanntgewordene Projekt der linksseitigen „Weinstraße". Einige wieder hoffen und meinen, die Persönlichkeit der Bauherren biete Gewähr, daß nicht unwiedergutzu machende Eingriffe in das Landschaftsbild erfolgen. Wurde nicht vor der Jahrhundertwende in einer Zeit des drängenden technischen Fortschritts an vielen Stellen unserer Heimat Unersetzliches zerstört? Das fürchten die Freunde der Wachm! Deshalb erwarten sie klare und in alle Einzelheiten gehende Eröffnungen, bevor sie ihre Einwendungen, daß die Durchfahrtstraße gar nicht auf dem linken Donauufer gebaut werden dürfe, vielleicht revidieren können. Einem alten Grundsatz getreu, lassen wir beide Meinungen in der nun beginnenden Aussprache zu Worte kommen, ohne unseren Standort zu verlassen. In diesem Sinn bringen wir im folgenden einen ersten Teil von Stellungnahmen und Zuschriften unserer Leser. Die Furche".

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Platz dem Verkehr

Die „Furche“ hat in ihrer Nummer 20 vom 15. Mai 1954 je einem Naturfreund und einem Fachmann zu dem nur sehr unvollständig vorliegenden Projekt für die neue Wachaustraße das Wort gegeben. Der Naturfreund warnt vor der Verwirklichung des Planes und sieht alle Kulturstätten, die Harmonie und Romantik des Herzlandes der Donaulandschaft gefährdet, der Fachmann schlägt vor, die Straße längs des Südufers zu bauen. Beide haben nicht unrecht, doch muten einen die vorgebrachten Bedenken als übertrieben an, als ob man Moderne und Altertum überhaupt auf keinen Nenner bringen könnte. Das mächtige Barockstift Melk auf seinem romantischen und wuchtigen Felsen bildet doch sicher auch eine glückliche Synthese zusammen mit der neuen modernen Umfahrungsstraße. Man sollte daher bei Anerkennung aller Wünsche und Forderungen unserer Kulturverständigen das Projekt des Handelsministers nicht vorneweg ablehnen, sondern die Planung so beeinflussen, daß die Lösung dieser ganz und gar Rechnung trägt. Der Handelsminister dürfte sich über die Schwierigkeiten der künstlerischen Ausgestaltung und über die Anpassung an die einmalige landschaftliche Harmonie voll im klaren sein. Bei der Bereisung der Wachau hat er sich in allen Orten über die bestehenden Möglichkeiten informiert und dabei sicherlich sehr schnell die Ueber- zeugung gewonnen, daß das Ganze einen wohl sehr schwierigen Komplex darstellen muß. Aber gerade deshalb wird die Planung sehr gründlich erfolgen müssen. Der Handelsminister besteht selbst darauf, daß der neue Verkehrsweg mit künstlerischen Akzenten angelegt wird, die Orte unberührt lasse, somit wertvolle Baudenkmäler umgehe und neue Ausblicke in das Donautal erschließe.

Niemand darf also behaupten, daß man der Wachau etwas nehmen will. Man will im Gegenteil dieses österreichische Paradies erhalten, ihm sogar noch etwas geben! Nur das „Wie“ scheint nun zu einem Konflikt auszuarten, in dem sich die kritischen Betrachter von seiten der Kunst bisher leider nicht ganz bemühten, auch den Standpunkt der Fahrzeuglenker zur Kenntnis zu nehmen. Und fast scheint es uns, als mache man sich in Wien über das Projekt mehr Sorgen als in den betroffenen und umstrittenen Gebieten selbst.

An den beiden hinter uns liegenden Doppelfeiertagen (Ostern und Erster Mai) wurden die schönsten Gebiete Niederösterreichs, zu denen unbedingt auch die Wachau zählt, das Endziel unzähliger Ausflügler. Ihr gerade zu dieser Zeit so betonter landschaftlicher Reiz macht sich in einer enormen Anziehungskraft bemerkbar, und der Ansturm der Motorisierung hat dazu gezwungen, sich auch ein wenig statistisch mit dem Verkehr zu befassen. 178 Fahrzeuge wurden in einer einzigen Minute in St. Michael, 1000 Auto oder Motorräder in einer einzigen Stunde im engen Mitter-Arnsdorf, also auf der Straße der anderen Seite, gezählt. Nur durch immerwährendes Stoppen und daher Auf lockern der Fahrzeugkolonnen und durch stellenweisen Einbahnverkehr konnte ein „Verkehr“ noch ermöglicht werden. Fahrer und Fahrgäste mußten um Leben und Fahrzeug ban-

gen. Darin liegt eine große Gefahr für die Donaugemeinden: Anstatt, daß man die

Straßen empfiehlt, wird vor der Benützung gewarnt, jeder Anreiz für den ortebelebenden Verkehr genommen. Auf beiden Seiten ist die Situation gleich trostlos. Ueberlandautobusse mit internationalem Publikum können nicht die Kurven nehmen, können nicht die engen Gassen passieren, können also weder in Melk noch in Mautern einfahren! Alle Prospekte und Werbeschriften erfüllen ihren Zweck nicht, so lange man den Verkehr nicht reibungslos oder gefahrlos auf der Strecke längs der Donau abwickeln kann. Deshalb muß dagegen etwas geschehen, und der Plan des Handelsministers ist die Lösung. Man darf nicht davor zurückschrecken, dies mit den Mitteln und vor allem dem Mut der modernen Straßenbaukunst zu tun. Eine neue Straße, die diese alten Besiedlungen berührt, wird zu einem großartigen Werbemittel für dieses sich so nach Fremdenverkehrsgeschäften sehnenden Oesterreichs. Man kann nicht gegen diesen Plan sein, wenn man bedenkt, daß der Verkehr immer noch zunehmen wird und allmählich die Wachau überhaupt nicht mehr berücksichtigen wird können, weil veralterte Verkehrspfade nur der Kultur wegen gehegt und gepflegt werden. Wer Wert darauf legt, daß das alte Kulturland uns noch Jahrhunderte gelassen und noch größeren Massen Reisender gezeigt werden kann, der tritt für eine gesunde und vernünftige Planung ein.

Karl Niklas, Langenlois, NOe.

ja, aber rechts

Mit Ihrem Aufruf zur Erhaltung der Uferlandschaft der Wachau haben Sie ein großes Anliegen der Bevölkerung, besonders aber der interessierten Fachleute, aufgegriffen. Für dieses so mutige, weil in der gegenwärtigen Situation ja unopportune Auftreten sei Ihnen aufrichtig gedankt. ,

Ich möchte zu dem Projekt der Wachaustraße darauf hinweisen, daß die Wachau bereits seit August 1951 Gegenstand eingehender theoretischer und praktischer wissenschaftlicher Forschung war. Die von der niederösterreichischen Landesregierung mit dem Studium der Landschafts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur betraute Arbeitsgemeinschaft für Raum-

forschung und -planung hat eine ganze Reihe von Verbesserungs- und Ausbauvorschlägen für den Weinbau, den Fremdenverkehr, die Industrie, den Verkehr, die Ortsgestaltung usw. ausgearbeitet und diese in einem mit zahlreichen Plänen ausgestatteten Bericht niedergelegt. Dieser wurde in einem Artikel von Linus G r o n d, „Oesterreich braucht eine Landesplanung“, auch in der „Furche“ vom 6. Juni 1953 eingehend gewürdigt.

Diese „Regionalplanung Wachau“, die in Fachkreisen ausgezeichnet beurteilt wurde, ruht aber seither in einem Schreibtisch der Landesbaudirektion; die praktische Behördentätigkeit nimmt von den Vorschlägen keine Notiz. Bezüglich der in Rede stehenden

Straßenführung hieß es in diesen Planungs- vorschlägen auf Seite 202:

„Der notwendige Anschluß an die Wiener Bundesstraße, später einmal an die Autobahn, das Fehlen einer Donaubrücke bei Melk, das stromaufwärts schwerpunktmäßig südlich der Donau gelegene Einzugsgebiet des in Frage kommenden Verkehrs: diese Faktoren lassen eine Führung am rechten Ufer als zweckmäßig erscheinen. v

Weiter zeigt eine Gegenüberstellung der an den beiden Ufern zu überwindenden Schwierigkeiten, daß eine Lösung am rechten Ufer ungleich wirtschaftlicher ist, da hier nur eine geringe Zahl von Orten mit ihren schwierigen Durchfahrten oder Umfahrungen gelegen und die landwirtschaftliche Nutzung weniger hochwertig ist.“

Weiter wurde auch auf den notwendigen Ausbau der Straße des linken Ufers hingewiesen, der aber nur in Hinblick auf den lokalen Verkehr und unter größter Schonung der einzigartigen Landschaft vor sich gehen müßte.

Im Zusammenhang damit hatte damals auch das Amt der niederösterreichischen Landesregierung, L. A. B. 2e, den Ausbau der bisherigen Bundesstraße am rechten Ufer zu einer Autotouristenstraße für Reisegeschwindigkeiten bis zu 60 Stundenkilometern in Detailplanung genommen. Es ist nicht unbedingt gesagt, daß die genannten Vorplanungen die allein richtigen sind, doch kamen sie in ernstester Auseinandersetzung zwischen allen beteiligten Instanzen zustande. Obwohl also für den realistischen Ausbau des Verkehrs in und durch die Wachau bereits wichtige Vorarbeiten geleistet wurden, soll nun plötzlich eine völlig neue Idee verwirklicht werden.

Ohne öffentliche Diskussion, in völliger Nichtbeachtung der wissenschaftlichen Voruntersuchungen, will man in das seit Jahrhunderten gewachsene Gefüge dieser einmaligen Kulturlandschaft der Wachau ein- greifen — vielleicht nur eines augenblicklichen Erfolges wegen? Hier steht uns das allgemeine Wohl höher!

Mit der Bitte, in der „Furche weiterhin für einen den wirklichen Bedürfnissen rechnungtragenden Ausbau unserer österreichischen Landschaft mannhaft einzutreten.

Dr. Erich Bodzenta, Katholisches Institut für kirchliche Sozialforschung, Abteilung Oesterreich das erhält die Wachau

Bedenkt man, daß unsere Wachau, der man durch das Straßenprojekt fast die gesamte Schönheit wegnehmen würde, gerade wegen ihrer Unberührtheit jährlich Tausende Wanderer anzieht und erfreut, so gibt es nur eine Antwort: Hände weg!

Heinrich Graf Hoyos, Generalmajor d. R., Drosendorf •

Als ich heute die „Furche“ aufschlug — ich bin Wienerin, seit 30 Jahren in Bayern verheiratet —, bekam ich einen regelrechten Schreck! LTnser liebes Dürnstein soll verschandelt werden durch eine Autostraße? Das ist doch nicht möglich! So war mein erster Gedanke. Dann las ich den Aufsatz „Was uns Jahrhunderte gelassen“ und die anschließende Stellungnahme Professor Holz-. meisters. Da beruhigte ich mich etwas, denn eine solche Stimme wird man wohl kaum überhören können.

In dem Aufsatz heißt es auch, es wurden Proteststimmen gesammelt. Ich aber bin so weit weg, weiß nicht wo, wann und wie das geschehen wird — so bitte ich Sie, schon jetzt meine Stimme zu zählen, die Stimme der Oesterreicherin, die in Deutschland lebt und verheiratet ist, aber ihre Heimat unendlich liebt!

Charlotte H ab er l, Kempten, Allgäu

Erhebend und ufrüttelnd zugleich empfinde ich den Mahnruf über die Wachau, den die „Furche“ vom 15. d. M. in fast letzter Minute ausstößt. Zum Glück schwingt die gleiche Fahne zur Rettung der Wachau eine internationale Fachautorität, nämlich Prof. Clemens Holzmeister. Mögen die Betonstraßenprojektanten der „Weinstraße“ noch rechtzeitig erkennen, daß sie — auf ihre Art — einem Totentanz des Abendlandes huldigen würden, wenn ihr Projekt Wirklichkeit würde. Es ist doch jedem Freund und Bewunderer der Wachau die Tatsache selbstverständlich, daß der Blick auf das nördliche Donauufer ganz wesentlich gewinnt, wenn der Betfichter sich iuf dem Südlichen Donauufer befindet!

Lambert Kreut et, Major a. D., Wien

Mit Ihrer Stellungnahme zu dem Projekt einer neuen Straße durch die Wachau haben Sie mir — und sicherlich noch vielen anderen — aus dem Herzen gesprochen. Der Gedanke einer gewaltsamen Umgestaltung der Uferlinie im Zuge der Schaffung dieses Verkehrsweges ist jedem Wachauliebhaber unfaßbar. Sind für ein solches Projekt denn tatsächlich nur wirtschaftliche und kommer zielle Gründe ausschlaggebend? Und wenn — liegen solche in diesem Falle überhaupt in ausreichendem Maße vor?

Sie haben in Ihrem Artikel das Für und Wider mit großer Objektivität und so eindringlich dargestellt, daß es müßig ist, im einzelnen wieder darauf einzugehen. Man kann jedenfalls nur hoffen, daß die maßgeblichen Stellen bei ihren endgültigen Entscheidungen nicht nur die erhöhte Anzahl der Motorfahrzeuge aller Gattungen im Geiste über die neue Straße dahinbrausen sehen- und diesem „erhebenden“ Gedanken freudig — und rücksichtslos — die stille,

einmalige Schönheit der Wachau opfern werden.

Wenn es Ihnen, sehr geehrte Redaktion, gelingt, mit Ihrem Appell an das Verantwortungsgefühl der planenden Stellen die härtesten „Korrekturen“ an diesem Landschaftsbild zu verhüten, werden Ihnen ungezählte Menschen, denen die Wachau mehr bedeutet als ein „endlich in nur noch vierzig Minuten“ — oder noch weniger — zu durchfahrendes Stromtal, für Ihr beherztes Eintreten zutiefst dankbar sein.

Jenny Fischer, Wien XIX, (Die Aussprache wird fortgesetzt.)

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