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Und wieder: die gefährdete Wachau

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Seitdem „Die Furche" der Sorge um die uralte Kulturlandschaft an der Donau Ausdruck verlieh und die Verlegung des geplanten Straßenbaues an das weniger kunstgesättigte Südufer des Stromes vorgeschlagen hat, nehmen die Zuschriften aus fern und nah kein Ende. Diplomaten, Hochschulprofessoren, Burgschauspieler stimmen neben vielen anderen aus allen Lebenskreisen unseren Bedenken zu, ja fordern von sich aus eine Aktion zum Schutze des „in seiner vollendeten Harmonie von Natur und Geschichte unvergleichlichen Landschaftsbildes". Unserem Grundsatz treu, geben wir auch Stimmen jener wieder, die nicht unsere Stellungnahme teilen. „Die Furche"

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Seitdem „Die Furche" der Sorge um die uralte Kulturlandschaft an der Donau Ausdruck verlieh und die Verlegung des geplanten Straßenbaues an das weniger kunstgesättigte Südufer des Stromes vorgeschlagen hat, nehmen die Zuschriften aus fern und nah kein Ende. Diplomaten, Hochschulprofessoren, Burgschauspieler stimmen neben vielen anderen aus allen Lebenskreisen unseren Bedenken zu, ja fordern von sich aus eine Aktion zum Schutze des „in seiner vollendeten Harmonie von Natur und Geschichte unvergleichlichen Landschaftsbildes". Unserem Grundsatz treu, geben wir auch Stimmen jener wieder, die nicht unsere Stellungnahme teilen. „Die Furche"

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Ist die Wachau tatsächlich in Gefahr?

Wen bei Anbruch der schönen Jahreszeit sein Weg in das romantische Donautal führt, der wird nicht leugnen können, daß die alten Straßen der Wachau für den modernen Verkehr unzulänglich sind. Endlose Stockungen, besonders am Nordufer, trüben vielen Besuchern der Wachau die Freude an der Landschaft, deren Reize zu genießen sie per Auto, Motorrad, Roller oder Fahrrad hergekommen sind. Nicht nur; daß die dürftigen Wegverhältnisse den Zustrom von Fremden nachteilig beeinflussen müssen, bieten sie für die Einheimischen selbst eine erpinente Gefahr. Hat es sich doch bei erster Hilfeleistung mehrfach ereignet, daß Kranke zu spät ins Spital eingeliefert wurden, weil der Sanitätswagen für zehn Kilometer an die drei Stunden benötigte!

Daher mußte das Bestreben, Abhilfe zu schaffen, zum dringendsten Gebot für jene werden, die. nicht nur Bewunderer der Schönheiten dieses Landstriches sind, sondern denen auch das Wohl und Wehe seiner Bewohner anvertraut ist. An beiden Wachauufern sollen die .Straßenverhältnisse so ausgestaltet werden, daß ein Stück mehr von unserer Heimat der mühevollsten Zugänglichkeit entrissen und dem modernen Weltverkehr erschlossen wird. Der, Initiator der neuen Wachaustraße ist der stellvertretende Landeshauptmann von Niederösterreich, Ingenieur August Kargl; Mit der Natürscbönhdit der Wachau yon, Jugend an verbunden, betrachtet Ing. Kargl den unumgänglich notwendig gewordenen Bau der Donauuferstraße nicht als eine lästige Verpflichtung, sondern als eine ehrenvolle. Aufgabe. Er ist sich bewußt, daß der geplante Bau größte Rücksichtnahme auf das einmalige Landschaftsbild nehmen müsse. Nicht der Ehrgeiz, etwa als Straßenbauer Ruhmeslorbeer.en zu erbeuten, sondern die Besorgnis, daß einst andere, an Naturschönheit und Vergangenheit weniger Interessierte die Verkehrsader durch die Wachau mit geringerer Sorgfalt ziehen könnten, bürdete ihm die Sorgen auf, die mit dem Projekt verbunden sind.

Das Wachaustraßenprojekt löste lebhafte Diskussionen und eine Reihe von Stellungnahmen in Tages- und Wochenblättern aus. Die Gegner der 33-Kilottteter-Straße von Stein näch Emmersdorf fürchten, daß dem idyllischen Nordufer, vor allem Dürnstein und St. Michael, seine landschaftliche Schönheit geraubt wird. Darum verlangen sie den Ausbau des südlichen Donauufers, wozu schon vor Jahren Versuche unternommen worden sind. Der Verkehr in der Wachau nimmt jedoch Ausmaße an,- die es ganz unmöglich machen, ihn auf einem Ufer abzuwickeln und 5000 Fahrzeuge durch eine einzige Straße zu schleusen. Am Süd- und Nordufer moderne StraßenverhältniSse zu schaffen, ist daher zur gebieterischen Forderung geworden.

Es wurde auch eingewendet, daß die Bevölkerung dem Projekt ablehnend gegeniibet- stehe, daß die Grundablöse auf dem Südufer weniger kompliziert sei und vor allem, daß durch den Bau aller Zauber beschaulicher Kirchen- und Klosterromantik und die malerischen Naturschönheiten vernichtet werden. Dazu muß festgestellt werden, daß, von wenigen abgesehen, die Bevölkerung sich für den Straßenbau aussprach. Schon vor Jahren, als mit Straßenarbeiten am Südufer begonnen wurde, haben die Bewohner des Nordufers Einspruch erhoben, weil dadurch der Hauptverkehr und damit manche Verdienstmöglichkeit vom Nordufer abgezogen würde. So unrichtig wie die Annahme über die Grundablöse ist auch die Behauptung, daß die Wachaustraße ein Schnitt ins Herz dieser Landschaft wäre. Nicht vernichtet, sondern verschönert soll werden, was Unvernunft und Bedenkenlosigkeit in den letzten Jahren verschandelt hatten. Man denkt nicht däran, Ehrwürdiges abzureißen, Historisches zu vernichten, um das dringliche Verkehrsproblem einer Radikallösung zuzuführen. Dafür bürgt die Person des Schutzherrn dieses neuen Straßenbaues. Hat auch da oder dort ein in letzter Zeit errichtetes Gebäude dem Preßluftbohrer zu weichen, kein altes Haus wird zum Opfer des Projektes werden. Selbst jeder alte Baum soll geschont werden. Man wird im

Gegenteil alle bisher verdeckten Schönheiten wie Erker und dergleichen bloßlegen und bewahren. Referenten des Kultur- und Naturschutzamtes werden Meter für Meter einer gewissenhaftesten Ueberprüfung unterziehen, Künstler und Architekten zu Wettbewerben eingeladen werden, auf die kleinsten Wegweiser oder Beleuchtungskörper wird man Bedacht nehmen, um sie stilgerecht in die Landschaft zu bauen. Alle Fremdkörper aus einer Zeit, in der man sich, ohne dabei viel Getöse oder Protest zu erregen, gegen die Unberührtheit der Wachau vergangen hat, sollen beseitigt werden. Um die störenden Maste zu vermeiden, sollen möglichst alle

Leitungen unterirdisch verkabelt werden. Die modernsten technischen Errungenschaften werden herangezogen, um die Landschaft nicht zu verschandeln, sondern zu verschönern. Marktschreierische Reklame- und Firmentafeln werden als Schänder der Landschaft verschwinden. Die Türme der Roll- fähren, die wie Galgen ins grüne Land ragen und gegen die Ing. Kargl schon vor Jahren vergebens ankämpfte, sollen einer idealeren Lösung Platz machen. Nicht ehrgeizige Organisatoren, sondern Menschen, die dieses Stückchen Erde lieben, sind am Werk. Diese Menschen verstehen die Sorgen, die laut werden, wenn man von der Wachaustraße spricht. Daher begrüßen sie dankbar jede Anregung, woher immer sie auch kommt.

Ein Befürworter des Straß.enprojekts

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