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Die Plane, bitte!

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Er wird nun bald ein Jahr, seitdem die „Furche“ die Oeffentlichkeit auf die Gefahren, die ein Straßenbau auf dem linken Donauufer der Wachau für diese einzigartig schöne Kulturlandschaft mit sich bringt, aufmerksam gemacht hat. Die zahlreichen Zuschriften aus dem In-und Ausland haben gezeigt, daß die Erhaltung des gewohnten historischen Bildes zwischen Krems und Melk vielen Oesterreichern und auch manchem ausländischen Freund Herzensangelegenheit ist.

In diesem Jahr ist in der Wachau einiges geschehen. Trotz der dringenden Warnungen — die „Furche“ stand nicht allein -, wurde am linken Donauufer an mehreren Stellen mit dem Straßenbau begonnen. Kilometerlang werden Dämme und Steinmauern für die neue Straßentrasse errichtet. Trotzdem hat die „Furche“ geschwiegen, denn die beiden wichtigsten Punkte der Wachau, Dürnstein und St. Michael, blieben bisher unangetastet. Wir hätten allerdings uns schon früher wieder zu Wort gemeldet, wenn wir vorher die Pläne mit den fürchterlichen, langen Steinmauern zu Gesicht bekommen hätten.

Seit kurzer Zeit aber hat Dürnstein seine Sensation. Der Verantwortliche für das Straßenbauwesen in Niederösterreich war beim Bürgermeister des Städtchens, Thiery, der sich bisher kategorisch gegen den Bau einer neuen Straße an der Dümsteiner Donaulände gewehrt hatte. Er soll ihm nun einen Plan vorgelegt haben, der als Lösung des Dümsteiner Problems einen 5 50 Meter langen Straßentunnel vorsieht. Wir sagen „soll“, denn nach wie vor wird aus der Planung der Wachaustraße ein großes Geheimnis gemacht, obwohl einzelne Teils.tücke bereits vor der Vollendung stehen.

Gewiß bedeutet ein Straßentunnel bei Dürnstein ein interessantes Projekt, über das man diskutieren soll. Ein solches Projekt, wenn es ehrlich gemeint ist, wäre trotz der hohen Kosten wirklich ein Ausweg. Allein, es gibt aber nach wie vor Leute, die durchblicken lassen, das Tunnelprojekt solle nur zur Zeit die Oeffentlichkeit beruhigen, später werde man weitersehen. Die Rechnung auf eine Einschläferung der öffentlichen Meinung geht nicht auf. Nach wie vor gibt es genügend Menschen, denen das Schicksal dieses österreichischen Kleinods eine Herzensangelegenheit ist Schon die Lösung beim Förthof zeigt deutlich, daß nun der Verkehr abseits der Sehenswürdigkeiten vorbeiflutet. Kein Autofahrer, der die Wachau nicht schon von früher her kennt, wird daher beispielsweise die aus dem 13. Jahrhundert stammende Förthof-kapelle zu Gesicht bekommen. Die Autos werden durchrasen, und alle Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Prosperität, die sich die Wachauer Geschäftswelt von der neuen Straße erwartet, bleiben zweifelhaft.

Zu- unserer Artikelserie über die Wachaustraße gab, allerdings mit einer mehrmonatigen Verspätung, auch das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau eine Stellungnahme ab. Wenn darin von der Erhaltung des Landschaftsbildes gesprochen wird, dann gehören die Wörter „nach Möglichkeit“, „bestmöglich“ und „größtmöglich“ zum gebräuchlichen Wortschatz. Dem Wachaufreund interessiert aber brennend, wie dieses „bestmöglich“ in Wirklichkeit aussieht; das interessiert ihn nicht erst nach der Fertigstellung eines Teilstückes, sondern schon in der Planung. Wenn man dann vor mehrere Meter hohen Steinmauern steht, wie heute schon beim Förthof zwischen Stein und Loiben, dann ist es zu spät.

Die Gestaltung und Erhaltung der Wachau darf daher nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Darum rufen wir in letzter Minute, bevor auch Dürnstein und St. Michael vielleicht für immer verschandelt werden: Wo bleibt die öffentliche Ausschreibung der Projekte? Gebt, bitte, die Pläne heraus!

Es war begrüßenswert, daß das Land Niederösterreich für den Neubau eines Amtsgebäudes auf dem Ballhausplatz einen öffentlichen Architektenwettbewerb ausgeschrieben hat. Das künftige Aussehen von Dürnstein und Sankt Michael liegt aber noch mehr Oesterreichern am Herzen, als die Ausgestaltung des Ballhausplatzes. Wir glauben, die Wörter „bestmöglich“ oder „größtmöglich“ dahin am richtigsten auslegen zu können, wenn wir sagen „bestmöglich“ ist dann erreicht, wenn bei der Suche nach der besten Lösung alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die Ausschreibung eines öffentlichen Wettbewerbes ist daher Voraussetzung, wenn man dem Ministerium glauben soll, daß es ihm mit der „bestmöglichen“ Rücksichtnahme auf das Landschaftsbild der Wachau tatsächlich Ernst ist. Was dem Lande anerkennenswerterweise beim Ballhausplatz recht war, kann dann, wenn es sich um zwei landschaftlich so begnadete Orte, wie Dürnstein und St. Michael, handelt, nur billig sein.

Wir haben schon im Vorjahr darauf hingewiesen — und das wurde selbst vom Handelsministerium anerkannt —, daß sich die Wachau in ihrer ganzen Schönheit dem Wanderer vom Südufer des Stromes oder vom Schiff aus offenbart. Nun werden diese Schönheiten von den Straßenbauern auf meterhohe und oft mehrere hundert Meter lange kahle Steinsockel gesetzt. Das unmittelbare Ineinander-Uebergehen von Strom und Landschaft, das schon seinerzeit durch die Donauregulierung etwas gestört war, ist nun streckenweise vollständig vernichtet. Die alte Romantik der Wachau wird gleichsam hinter modernen Festungsmauern verborgen. Die Gerechtigkeit gebietet anzumerken, daß die Lösung bei Emmersdorf noch als die beste erscheint. Dabei bleibt es fraglich, ob die künstlichen Dämme und Mauern der neuen Straße auch wirklich hoch genug sind, um bei einem eventuellen Hochwasser die Fluten abzuhalten. - Auf alle Fälle sind sie hoch cenue “tri spielsweise den Paddlern jede Freude an der schönen Landschaft zu zerstören. (Unsere Bilder vom Förthof bei Stein wurden aus der neuen Paddlerperspektive aufgenommen.)

Ein richtiges Bild von der „Verschönerung“ der Wachau durch die neue Straße wird man sich allerdings erst machen können, wenn diese fertiggestellt ist. Doch das Aussehen von Dürnstein und St. Michael wird kein Wachaufreund dem Zufall oder nur dem Ministerium überlassen können, darum, bevor es zu spät ist — die Pläne, bitte I

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