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Der Bann ist gebrochen

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Der Bann des Schweigens ist gebrochen. In einer nach Krems einberufenen „Aussprache“ haben sich die Initiatoren, Befürworter und Planer der umstrittenen neuen Wachaustraße — endlich — den Vertretern der öffentlichen Meinung gestellt und an Hand einer in Nachtarbeit improvisierten Ausstellung von Plänen und Modellen einen ersten Einblick in das von ihnen verfochtene Projekt gegeben. Das Ergebnis? Um es in zwei Sätzen vorwegzunehmen; Die Straße wird entgegen dem Gutachten der Raumplaner und den angemeldeten Bedenken eines guten Teils der Presse gebaut, da weite Kreise der einheimischen Bevölkerung große (unserer Meinung nach allzu große) wirtschaftliche Erwartungen mit der neuen Straße verknüpfen. Aus den Darlegungen der Planer des Projekts sowie aus einem Lokalaugenschein an der Baustelle Weißenkirchen, gewinnt die Hoffnung Raum, daß auch Kräfte am Werk sind, die der zu befürchtenden Zerstörung der Harmonie von Landschaft und Strom durch eine Uferstraße erfolgreich entgegenwirken. Es klingt vielleicht sehr egozentrisch und selbstbewußt, aber persönliche Gespräche bestärken uns in der Ansicht: nicht zuletzt war es jene Kampagne der Presse, die eine verstärkte Wachsamkeit und Obacht auf das Landschaftsbild inauguriert hat. Ein nicht unbeträchtlicher Erfolg — allen zum Nutzen. An dem Kremser Gespräch, zu dem man allerdings kritische Fachleute aus der Ingenieur- und Architektenschaft nicht geladen hatte, berührte sympathisch, daß die Veranstalter freimütig bekannten, es sei ein Fehler von ihnen gewesen, mit ihren Ideen, Plänen und Modellen nicht schon viel früher vor die Oeffentlichkeit zu treten. Auch darf die um Ruhe und Redefreiheit besorgte Diskussionsleitung erwähnt werden, die es mitunter nicht leicht hatte, das „Volksgemurmel“ aus den Reihen der eigenen Anhängerschaft im Zaume zu halten. Daß auf drei konkrete Fragen eines Kollegen eines befreundeten Blattes, der alle Zwischenrufer, die ihm Verständnislosigkeit für die Anliegen des Landvolkes mit der Bemerkung, er sei selbst Sohn eines Weinbauern aus der Kremser Gegend, zum Verstummen bringen konnte, keine Antwort erteilt wurde, muß allerdings ebenfalls vermerkt werden.

Die neue Wachaustraße wird also innerhalb der nächsten fünf Jahre vom Projekt zur Wirklichkeit. Wenn wir uns auf den Boden der Tatsachen stellen, so erlöschen noch lange nicht alle Bedenken. Dürfen wir heute die Hoffnung aussprechen, daß die Verfechter des umkämpften Projekts für unsere Anregungen dasselbe Verständnis aufbringen, das wir uns bemühen, gegenüber ihrem Vorhaben iL dRL Tag su legen?

Für heute ist festzuhalten:

1. Wo immer es nur möglich ist, weg von der Stromböschung.

2. Eine stärkere Heranziehung der Trasse der alten Straße, die mit einer nur ungefähr zwan-zigprozentigen Benützung doch zuwenig ausgenützt erscheint.

3. Darf man hoffen, daß die Verteidiger des Projekts ihre massive Ueberzeugungsgabe auch gegenüber jener Dürnsteiner „Untergrundbewegung“ anwenden, die kein Hehl daraus macht, daß sie nach dem bevorstehenden Rücktritt von Bürgermeister Thierry alle Hebel in Bewegung setzen will, wegen der erforderlichen Grundabtretung das Tunnelprojekt zu vereiteln und die von allen, die Dürnstein lieben, abgelehnte Trassierung der Lände doch vorzunehmen? Zur Erinnerung: Für die Umfahrung Dürnsteins durch einen Tunnel haben sowohl Landeshauptmannstellvertreter Ing. Kargl wie auch Handelsminister DDDr. Iiiig ihr Wort gegeben!

4. Erschließung der Wachau darf auf keinen Fall heißen: Verwandlung in einen Rummelplatz. Bäder dürfen auf keinen Fall Miniatur-Gänsehäufel werden und ein Projekt wie das jenes Fußballplatzes auf der Uferlände zwischen Weißenkirchen und Joching ist undiskutabel.

5. Neuralgischer Punkt Nr. 1 ist nach wie vor St. Michael: Keines der ausgestellten Modelle konnte überzeugen. Am wenigsten das mit dem Arkadentunnel. Warum denkt man nicht an eine ähnliche Tunnelanlage, wie sie hinter Dürnstein projektiert ist? St. Michael und Spitz erfordern unbedingt noch eine Spezialkommission — aber diesmal bevor die Entscheidung gefallen ist.

6. Ueberhaupt: Naturschutz und die sogenannte „künstlerische Ausgestaltung“ dürfen nicht als bloßes Anhängsel betrachtet werden. Mit ihnen wird sich ein eigener Artikel noch ausführlich befassen. — n i k

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