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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Demokratie heißt Begrenzung der Befugnisse der Regierung und Sicherung der ordnungsmäßigen und friedlichen Auswechselbarkeit der Führung, gleichgültig, welche Partei nun am Regierungsruder ist. Diese Voraussetzungen sind im Österreich des Jahres 1966 gegeben. Sie gehören zu dem, worüber wir nicht abzustimmen brauchen, weil wir uns darüber einig sind. Begriffe wie „Ausschaltung des Parlaments" oder „Verbot freier Wahlen" gehören endgültig der Vergangenheit an. In der Gegenwart stößt allein schon der Versuch, auf die Schreibweise einer Zeitungsredaktion Einfluß zu nehmen, auf wahlentscheidenden Widerstand.

Die neue politische Ära gibt uns die Chance, der jungen Generation eine funktionierende pluralistische Ordnung vorzuleben, in der der Ansicht politischer Gegner widersprochen werden kann, die Existenz politischer Gegner jedoch bejaht werden muß. Nur wenn es in Österreich auch in Zukunft Sozialisten gibt, können sich die Anhänger der Völksparfei als christliche Demokraten bezeichnen. Das gilt natürlich auch umgekehrt. „Das Bessere ist der Feind des Guten" — dieses Ausleseprinzip soll In Zukunft für unsere demokratische Ordnung gelten. Dieses Prinzip steht nicht unter dem Zwang einer angeblichen geschichtlichen Gesetzmäßigkeit, wohl aber unter dem Verfassungsgrundsatz der Volkssouveränität, der immer nur ein befristet ausgesprochenes Vertrauen kennt, das der Bestätigung durch neue freie und geheime Wahlen bedarf.

(Karl Pisa: „Der Beginn einer neuen poli- fischen Ära in Österreich")

Der Nationalfeiertag am 26. Oktober müsse noch in diesem Jahr rum gesetzlichen Feiertag erhoben werden, betonte NR Dr. Karl Kummer in einer Erklärung . . .

Da der „Eintausch" dieses neuen Feiertages gegen einen bestehenden out große Schwierigkeiten stoße, werde die Wirtschaft sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, die — nachgewiesenermaßen relativ geringe — Belastung durch einen neuen Feiertag auf sich zu nehmen, um so eher, als ohnehin einer der bestehenden Feiertage eines Jahres meist auf einen Sonntag fällt. Die Auflassung eines Marienfeiertages könne von der Kirche nicht akzeptiert werden, der Eintausch des Feiertages zu Allerheiligen sei praktisch unmöglich, weil dieser Tag allgemein — ohne Rücksicht auf das Religionsbekenntnis — für Gräberbesuche verwendet werde.

(„Für ecMe Lösung")

Das alles ist noch lange keine Gefahr für die Republik und auch kein Grund, dem Erzherzog die Einreise zu verbieten, wenn auch die Art, wie man ihm seinen Paß überlief), nicht frei von Schönheitsfehlern war.

Aber Kaiser Karls Sohn wäre schlecht beraten, wenn er sich in Österreich ständig niederließe. Nicht nur Jakobinern wäre der Gedanke unbehaglich, Otto von Habsburg als Kristallisationspunkt einer fragwürdigen Sorte von politischer Halbwelt zu sehen. Gerade wer — wie wir — der Meinung ist, Österreichs Geschichte hätte nicht erst 1918 begonnen, möchte den Chef der historischen Dynastie lieber außerhalb politischer Kombinationen wissen.

Solche Kombinationen würden sich unweigerlich einstellen, sobald Otto in Österreich residierte, möge er selbst es wollen oder nicht. Wenn der Erzherzog auf sein Rechf, in Österreich zu wohnen, verzichtet, ebenso wie auf seine Ansprüche auf habs- burgisches Vermögen, nützt er nicht nur der Konsolidierung der österreichischen Republik, sondern auch dem Ansehen und der Tradition seines Hauses.

(Barbara Goudenhove-Kalergi: „Mythos

Otto")

fm Gegensatz zum Stand vom Dezember 1964 (Treffen Kreisky-Sara- qat in Paris) will Außenminister Fan- fani von einer internationalen Verankerung der Verhandlungsergebnisse nichts wissen. Die italienische Regierung scheint auf dem merkwürdigen Standpunkt zu stehen, die Zugeständnisse, die sie jetzt zu machen bereit sei, gingen über den Pariser Vertrag hinaus und seien daher eine rein innerstaatliche Angelegenheit Italiens. Man könne sich zwar wegen Streitigkeiten über den Pariser Vertrag an den Internationalen Gerichtshof wenden, nicht aber wegen etwaige r Mei n un g s versch i ed e n h e i t en

Über die Durchführung der „neuen Zugeständnisse"...

Wieder wären die Südfiroler nur auf den guten Willen Roms angewie sen. Wenn aber Italien bisher nicht einmal die im Artikel 1 des Pariser Vertrages detailliert angeführten Verpflichtungen (zum Beispiel Sprache, Stellenbesetzung) loyal erfüllt hat, wie soll man dann hoffen können, daß es Versprechungen einhält, die sich auf den Inhalt der im Pariser Abkommen nur grundsätzlich vereinbarten Autonomie beziehen, noch dazu, wenn es unter diese Versprechungen nicht einmal eine Unterschrift setzen will? ...

Festigkeit und Wachsamkeit — mehr als bisher! — sind aber auch gegenüber jenen extremistischen Kräften geboten, die durch verbrecherische Anschläge jede Lösung verhindern wollen, um auf dem Rücken der Südfiroler weiterhin ihr nationalistisches Süppchen kochen zu können.

Benedikt Posch: „Ein nicht ganz unverdächtiges Paket')

Die Situation, in welcher Österreich zum Unterschied von den anderen neutralen Ländern in bezug auf die EWG die riskanteste Politik betreibt, mag paradox erscheinen. Dem ist aber so. Obwohl die Einzelheiten des geplanten Abkommens über den Anschluß Österreichs an den Gemeinsamen Markt geheimgeholten werden, beabsichtigt die österreichische Seite zweifellos, den Rubikon zu überschreiten. Wie ous der Presse verlautet, gab die österreichische Delegation den Forderungen der Kommission des Gemeinsamen Marktes nach und erklärte sich unter anderem bereit, Quoten für den Handel Österreichs mit seinen Nachborn im Osten fesf- zulegen ...

Jeder neutrale Staat ist daran interessiert, daß sein internationaler Status Vertrauen genießt. Wenn die Neutralität einen „Wurmstich aufweist", wenn Zweifel entstehen, ob die regierenden Kreise des Landes die Durchführung einer neutralen Politik sichern können, kann ein solches neutrales Land sein Ansehen verlieren und viele Privilegien einbüßen ...

Der österreichische Wirtschaftsexperte Friedrich Wlatnig hat wohl recht, wenn er in seinem Buch „Die Quadratur der Integration” die integrationi- stischen Bestrebungen vieler Wiener Politiker als „Metastasen" der früheren großdeutschen Ideologie bezeichnet und sie durch den blinden Glauben an das „deutsche Wunder" und durch Hoffnungen auf eine „deutsche Dynamik" erklärt.

Einen wirklichen Ausweg aus dem Labyrinth von Problemen, das durch die Spaltung Europas und die Politik der Blöcke entstanden ist, würde unserer Ansicht nach eine Politik der g esą m f e u ro päi s ch en Zusomme narbe it herbeiführen. Eine solche Zusammenarbeit, bei der jeder Staat seine gesellschaftliche Ordnung und seinen internationalen Status wählen kann, entspricht den nationalen Interessen aller europäischen Völker. Die neutralen Staaten, die eine große historische Erfahrung der friedlichen Koexistenz in der internationalen Arena besitzen, könnten bei der Herbeiführung der dafür notwendigen Voraussetzungen eine wichtige Rolle spielen.

(Wladimir Ostrogorski: „Di Grofjen auf Kosten der Kleinen")

Die Herren im Bundestag und in der Bundesregierung wußten oder ahnten, wenn sie es nicht klar wußten, daß de Gaulles europäische Politik eines ousschloß: die Wiederherstellung des Bismarckreiches. Und daß sie eines einschloß: die Anerkennung der Dinge in Osteuropa, so wie sie in der Folge des zweiten Weltkriegs übriggeblieben sind. Das ist meiner Überzeugung nach der tiefere Grund gewesen, und de Gaulle kennt ihn. Seither traut er der deutschen Politik nicht mehr, der er vorher traute, zumal, solange der Lotse noch an Bord des Bonner Schiffes war, die er vorher sogar zu stärkerem Selbstbewußtsein auf das generöseste ermunterte. Und nun versucht er, allein zu tun, was er mit Bonn nicht tun konnte, nun versucht er allein, Brücken nach Osteuropa zu schlagen, die aber dann eine andere Bedeutung haben könnten ...

Föderative Verbindungen werden zwischen Westeuropa und Osteuropa in absehbarer Zeit kaum möglich sein. Es käme auf staatsrechtliche Gründungen im Sinne des 19. Jahrhunderts ja auch wohl nicht an. Es käme auf die Beseitigung des wechselseitigen Mißtrauens, der wechselseitigen Furcht an, und dann auf praktische Zusammenarbeit auf bestimmten Gebieten. Dabei sollten wir den sogenannten Kommunismus nicht fürchten. Was in Westeuropa in den letzten zwanzig Jahren geleistet wurde, hat doch zur Genüge gezeigt, daß unser Gesellschaftssystem das produktivere ist; unsichere, einstweilen noch ungenügende Experimente, die man drüben macht, zeigen es auch.

(Goto Mann: „Der Irrweg der National- liberalen")

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