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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Beim Fußball kann der Schiedsrichter erst pfeifen, wenn ein Regelverstoß erfolgt ist. Wichtigere Dinge aber müssen lange vorbereitet werden. Wenn zu spät reklamiert wird, verpufft die Reklamation. Daher wiederholt der ÖGB eine Forderung, zu der er sich im Vorjahr bekannt hat:

Der Nationalfeiertag am 26. Oktober muß arbeitsfrei sein.

Ein Feiertag ohne Arbeitspause ist wie Kaffee ohne Zucker, Heirat ohne Hochzeit, Skifahren ohne Schnee. Feiern bedingt Zeit und Gelegenheit. Und eine Feier in der Form, daß um 12 Uhr der Akkord auf fünf Minuten unterbrochen wird — man legt schnell einmal den Hobel hin, schaltet das Schweißgerät ab, läßt einen Ziegelstein fallen —, und dann starren alle gemeinsam in die Bildröhre, sehen feiernde Männer in dunklen Anzügen und vernehmen erbauliche Reden, isf unserer Meinung eher die Karikatur einer Feier. Man vernimmt wütendes Zähneknirschen.

Man komme uns jetzt nicht mit dem Argument, bei Arbeitsruhe werde doch ohnehin nicht gefeiert, vielmehr faul im Bett gelegen, bei einer Tarockrunde gesessen oder beim Ausflug in den Wienerwald würden ohne republikanische Nebengedanken kalfe Schnitzel verzehrt. Denn erstens trifft dieses Argument jeden Feiertag und zweitens geht es doch nur darum, zunächst einmal die Gelegenheit zur republikanischen Besinnung zu geben. Ob sich der Staatsbürger nun tatsächlich Gedanken über Republik und Neutralität macht, das liegt daran, wie man diesen Tag aufzieht.

(„Farbe bekannt”)

Ist zwischen dem Christentum und dem Marxismus ein Dialog möglich? Das Wort „Dialog" hat zweitellos erst durch das Zweite Vatikanische Konzil seine breite öffentliche Resonanz erhalten. Die sehr lebhaften und einander widersprechenden Reaktionen, die der Gedanke eines Dialogs in der christlichen und in der marxistischen Welt auslöst, zeugen von der Aktualität des Problems, aber vor allem von der unbestimmten Ahnung, daß die Haltung des Dialogs nichts Oberflächliches ist, sondern eine bestimmte Sichtweite des Lebens, des Denkens und der menschlichen Gemeinschaft sowie eine Entscheidung einsch'llefjt.

Die Kirche will den Dialog und sie wird iin Zukunft in einem nie dagewesenen Maße eine dialogische Kirche sein. Das ist ein eindrucksvolles Zeichen ihres geistigen Mutes.

(Nikolaus Hovorka: „Der Prüfstein für den Dialog')

Wir gehören bestimmt nicht zu den Schreibern radikaler Provenienz, die Gruber und seinen Regierungskollegen von 1946 vorwerfen, sie haften Südtirol für ein Linsengericht verkauft. Das Pariser Abkommen ist kein Linsengericht, wenn man auch nicht unbedingt der Meinung des Gesandten Schmidt sein muß, die Gruber zitiert: „Mehr war nicht zu erreichen ..."

Nur zu verständlich wäre es auch, hätte nun Dr. Gruber — aus der Sicht dieser Schwierigkeiten, die es 1946 zu überwinden galt — einen echten Rechenschaftsbericht erstattet, die Dinge ins rechte Licht gerückt, Dichtung von Wahrheit geschieden und so einen Beitrag zur Klärung der Ausgangssituation aller Südtirolgespräche bis auf den heutigen Tag geleistet.

Dieser Aufgabe wird Dr. Gruber jedoch nur zum Teil gerecht. Auf weifen Strecken sind seine Ausführungen eher dazu angetan, undurchsichtig zu machen, was bisher durchsichtig und verständlich schien. Wenn zudem aus solchen „Erinnerungen" deutlich das Bemühen herauszulesen ist, in gewissen Bereichen den Südtirolern die Schuld am Scheitern österreichischer Initiativen zuzuschreiben, kann man dazu nicht schweigen.

(Anton Fellner: „Südtirol, Paris 1946 . . . )

Die Detonation an der Opernkreuzung aber wird hoffentlich auch unsere Behörden wachgerüttelt haben. Seif Jahren ist diesen Behörden bekannt, daß nicht nur die Hintermänner, sondern auch ein guter Teil der Terroristen selbst nahezu ungestört über die Grenzen Italiens, Österreichs und Deutschlands wechseln, daß sie in allen drei Staaten ihre Stützpunkte haben, ja dafj ihre festen Basen aller Voraussicht nach in Österreich und Deutschland liegen.

Der Polizei sind genügend Hinweise zugegangen. Ab und zu hat sie sich auch entschlossen, diesen Hinweisen nachzugehen. Und do fielen ihr auch prompt Waffenlager, Sprengstoffdepots und eine ganze Reihe von Leuten in die Hände, die das Netz der Terrorbanden sehr genau kennen. Nur gegen einige vor ihnen wurde zögernd die Anklage erhoben: wegen unerlaubten Waffen- oder Sprengstoffbesitzes. In anderer Fällen „braucht man keinen Richter" Gegen Rückgabe des Sprengstoffe: oder der Waffen verlief so manche Untersuchung im Sand.

(Hugo Portiich: „Terror")

Ein Wortführer der Öffnung, Günther Nenning, hat sich, wie immer man seine Idee der Eroberung des Kommunismus durch einen christlichen Sozialismus beurteilt, zumindest in der Weise verdient gemacht, dafj er den unerläßlichen umfassenden Charakter einer richtig verstandenen „Appertura’ des demokratischen Sozialismus an einer kühnen, aber, wie sich in Deutschland zeigt, durchaus nicht weltfremden Vision, demonstriert hat...

Die faktische Nofwendigkeif, innerhalb der Koalition so wirkungsvoll wie möglich zu agieren, ließ eine Auffassung von innerparteilicher Geheimhaltung und Solidarität in der Prakfizierung der Parfeilinie entstehen, die weder durch das Parteistatut, noch durch das Beispiel der Parfeigeschichte gedeckt war.

Der Rückschlag vom 6. März hat eben diesen ungeschriebenen Paragraphen 1 unseres Parteistatuts ausgelöscht. Ober Nacht wurde klar, was bereits die Olah-Krise hatte aufdämmern lassen: daß es schon seit Jahren für die Partei besser gewesen wäre, manches Wort auzusprechen, das unausgesprochen geblieben ist. Und es konnte keinen Zweifel mehr geben, daß der Schaden, der durch öffentliche Erörterung begangener Fehler und versäumter Chancen entstehen kann, unverhältnismäßig geringer isf als der Schaden, der durch weiteres Schweigen entstehen muß.

(Franz Kfeuzar: „Öffnung nach aufjan, Öffnung nach innen")

Langsam, aber unerbittlich scheint sich für die deutsche Politik eine Stunde zu nähern, die man mit einem beliebt gewordenen Ausdruck „Stunde der Wahrheit“ nennen möchte, wüßte man so sicher, was hier Wahrheit ist. Offensichtlich ist, daß gewisse Realitäten und mit der Hand zu greifende Tendenzen der internationalen Politik sich nicht mehr decken mit den etablierten Vorstellungen Bonns und den Worten, die dafür noch immer in Umlauf sind... Die westliche Politik hat in allen ihren Varianten, die These längst in ihr Gegenteil verkehrt, daß Entspannung zwischen Ost und West die Beseitigung der Ursachen der Spannung, in erster Linie der Spaltung Deutschlands, zur Voraussetzung habe. Bonn hat dieser revidierten „Idee generale" — Entspannung als Voraussetzung einer Lösung der Probleme — schon vor zehn Jahren ein erstes Opfer gebracht mit dem Verzicht auf den Vorrang der Wiedervereinigung vor der Abrüstung, und es hat seither, etwa im Beitritt zum Teststoppabkommen, „Vorleistungen" erbracht, ohne Aussicht, sie in Begriffen der deutschen Frage honoriert zu sehen. Es scheinen ihrer noch mehr fällig zu werden, aus dem Bemühen heraus, osteuro- oäische Hemmungen gegenüber Deutschland abzubauen und die deutsche Politik vom Vorwurf zu entlasten, sie sei ein Hindernis der Entspannung. Unter ihnen könnte eine Neuumschreibung des ohnehin problematischen Begriffs des „Heimatrechts" der Vertriebenen sein, um wenigstens halbwegs das Gespenst eines deutschen Revisionismus im Osten zu bannen, das im Anspruch der Bundesrepublik auf die Reichsgrenzen von 1937 spukt.

(F. L: „Deutsche Ungewißheiten”)

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