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Randhemerhungen zur wocbe

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DIE WIEDEREINFÜHRUNG DER SOMMERSZEIT begegnet vor allem in den Kreisen der Bauernschaft heftigem Widerspruch — und sicherlich wäre diese Zeitumstellung kaum in einem anderen Beruf so fühlbar wie im bäuerlichen. Aber angesichts der unschätzbaren Vorteile, welche iie Sommerszeit für den Städter und die Industrie mit sich brächte, muß doch die Frage aufgeworfen werden, ob denn nur unsere Landwirtschaft so außerordentlichen Verhältnissen unterworfen ist, daß sie die Hindernisse nicht zu überwinden vermag, welche aus der Sommerszeit für sie folgen könnten? Haben doch auch Länder mit sehr bedeutender Agrarwirtschaft — siehe Großbritannien und die USA — sich längst darin gewöhnt, Jahr um Jahr die Sommerszeit 'Anzuführen. Der Laie sollte glauben, nicht zuletzt, gerade im Dorf sei es doch am ehesten möglich, gelegentliche Härten, die rieh aus einer solchen Zeitumstellung erleben könnten, zu mildern. Schließlich hat ts seit je umfangreiche ländliche Gebiete gegeben, die sich niemals an die Sommerszeit gehalten und doch die Zeit gut überstanden haben...

ÜBER DEN PROPORZ ist schon viel gesprochen und geschrieben worden. Wenig 7utes. Die parteipolitische Stellenaufschlüsselung, angefangen von hohen staatspolitl-ichen Positionen bis herunter zur letzten anzleikraft in der Verwaltung oder in der om Staat beeinflußten Wirtschaft, hat icharfe Kritiker gefunden. Sie erhalten ietzt Schützenhilfe von einer Seite, von der sie diese wohl zuletzt erwartet hatten. Die programmatische Monatsschrift der ersten Regierungspartei hat vor einiger Zeit eine Aussprache über diese Verhärtung des iffentlichen Lebens eingeleitet. Nach einigen '.war eher vermittelnden, aber doch prüfen-len Stellungnahmen weist das Jännerheft ler erwähnten Publikation einen Beitrag luf, der ungefähr alles, was je an Kritik im Proporz und die durch ihn herbeigeführte Verpolitisierung des öffentlichen Gebens ausgesprochen wurde, zusammen-rägt. Nicht um zu widersprechen, sondern im die eigenen Argumente zu stützen. ~)ffen wird es ausgesprochen:

„In Österreich hat diese Verpolitisierung einen geradezu unerträglichen Grad erreicht. Man frage nur zum Beispiet einen jungen stellensuchenden Jungakademiker, dem die besten Zeugnisse nichts nützen, wenn er nicht die gewisse .Empfehlung“ beilegen kann. Aber nicht nur bei Stellenbesetzungen, auch sonst gibt es fast kein Anliegen eines Staatsbürgers mehr, das nicht irgendwie durch Partei-steilen beeinflußbar wäre: Wohnungsangelegenheiten, gewerbliche Konzessionen, Baubewilligungen, Beförderungen, Versetzungen usw. Die Wochenschau im Kino ist proportioniert, ebenso die Einbürgerung von Heimatvertriebenen; Kulturprobleme werden mit Politik verquickt, die Betriebsräte sind in erster Linie Parteimachthaber, dann erst Anwälte der ganzen Belegschaft. Daß heute, selbst wenn ein Denkmal enthüllt oder ein neues Industriewerk eröffnet wird, man peinlich darauf achtet, daß ebenso viele Minister der einen Partei anwesend sind wie von der anderen, ist das harmloseste, immerhin auch irgendwie ein symptomatisches Beispiel.“

Hier wird das Kind beim Namen gesannt: die Herausbildung des Systems als 'rucht des Krieges und der ersten Nach-■.riegssituation, der Unmut weiter Kreise tegenüber den Auswirkungen und Auswüchsen einer zur Dauereinrichtung ge-oordenen Notlösung, die Gefahr für die taatsbürgerliche Moral und für eine ge-unde Demokratie schlechthin. Aber auch lon den üblen Folgen, die ein Festhalten an ler geübten Praxis für die Parteien selbst leraufbeschwören müßte, wenn sie nicht in lie Bevölkerung hineinhorchen, und immer nehr jene Kreise abstoßen, die in ihnen nehr sehen als ein Interessenkonglomerat, st die Rede. In einer realistischen Abschät-ung der Möglichkeiten einer Wandlung, lie nicht von heute auf morgen zu erhoffen tt, aber doch einmal begonnen werden au/3, fehlt es nicht. Auch nicht an einem Vorschlag, der von den eigenen Reihen den rsten Schritt zu einer Beschränkung des Iktionsradius der Parteien erwartet. Vom Ippell zur Durchführung ist der Weg noch seit. Er allein aber macht schon einer Par-ei, die in ihrem Programm „Staatspolitik or Parteipolitik“ gestellt hat, alle Ehre. Ht Spannung kann man darauf warten, aelches Echo ihm aus dem eigenen Lager nd aus den Reihen des Koalitionspartners ieschieden ist.

ES STREIKTEN DIE RECHTSPRAKTI-IANTEN verschiedener österreichischer ,andes- und Kreisgerichte und verlangten ine Erhöhung der monatlichen Entschädi-ung für ihre Gerichtstätigkeit auf 600 Schling. Der Streik dauerte nur einen Tag — teurde er durch eine, einer Kompromißlösung ähnliche Entscheidung beendet. Aber immerhin: so wie vor noch nicht vielen Monaten die Jungärzte in Wien gemeinsam vor die Ärztekammer zogen, um eine finanzielle Besserstellung zu erreichen, und damit einen ersten Akademikerdemonstrationszug auf offener Straße beobachten ließen, so ist diese Arbeitsniederlegung der Rechtspraktikanten der er ste Akademiker str eik der zweiten Republik und als solcher der Beachtung wert. Man kann freilich nur mit Schrecken daran denken, wie sich das öffentliche Leben in Österreich binnen wenigen Stunden verwirren würde, wenn alle schlecht oder gar nicht bezahlten Akademiker in Streik treten würden, wozu sie doch wohl ebenso berechtigt wären wie etwa in einer nicht zu fernen Vergangenheit die Hilfsarbeiter...

DER FALL JENES GRAZER SCHAUSPIELERS, der vor knapp einem Jahr seine Frau im Affekt tötete, vom Gericht aber als unzurechnungsfähig erklärt, in eine Irrenanstalt eingeliefert und nun nach erstaunlich kurzer Zeit als „geheilt“ entlassen wurde, hat in der Öffentlichkeit ungewöhnlich lebhafte Debatten hervorgerufen. Die vorherrschende Meinung, daß man den Schauspieler möglicherweise ein wenig schneller entlassen habe, als es seiner schrecklichen Tat und seiner mutmaßlichen Geisteskrankheit eigentlich entspräche, fand überraschende Unterstützung durch die Stellungnahmen medizinischer Kapazitäten und führender Psychiater, die mit Nachdruck darauf hinwiesen, daß eine eineinhalbjährige Konfinierung keineswegs genüge, um bei dem Betreffenden mit Sicherheit die Möglichkeit einer Wiederholung seiner Tat auszuschließen. Die Fachleute bedauern bei dieser Gelegenheit, daß es in Österreich, anders als in anderen Staaten, keine gesetzliche und noch weniger eine praktische Möglichkeit gebe, derlei unschuldig-schuldige Übeltäter zu konfi-nieren — was doch angesichts ihrer unleugbaren Gefährlichkeit höchst notwendig wäre —, und fordern, wie schon Wagner-Jauregg, die Einrichtung von „Detentions-anstalten“, in denen man Affektmörder und ähnliche in mäßiger Freiheit so lange unterbringen könne, bis die Gewähr ihrer geistigen Gesundung wirklich gegeben sei. Der Aufforderung der Ärzte, man möge ihnen, zusammen mit den Juristen, die Gelegenheit verschaffen, den Fall Bäker noch einmal zu überprüfen, wird man im Interesse der Öffentlichkeit und der Gleichheit vor dem Rechte wohl zustimmen müssen.

DAS ENDE DES FORMELLEN KRIEGSZUSTANDES MIT JUGOSLAWIEN gehört zu den wenigen erfreulichen Ereignissen auf der außenpolitischen Bühne in der vergangenen Woche. Während ringsum die Welt von Kriegsdrohung und Waffenlärm erfüllt ist, erinnert dieser Schritt Belgrads daran, daß wir ja im Grunde in einer Nachkriegszeit leben, deren Tendenz eigentlich auf Abbau, nicht auf Verschärfung der Spannungen abzielen müßte. Wie nach dem ersten Weltkrieg waren die Beziehungen zu unserem südlichen Nachbarn auch nach dem zweiten alles eher als gut, und Österreichs Südgrenze stand als Verhandlungspunkt ziemlich toeit oben auf der Liste der umstrittenen Probleme für die internationalen Konferenzen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Aber wie nach dem ersten, so haben sich auch nach dem zweiten Weltkrieg die nachbarlichen menschlichen und wirtschaftlichen Beziehungen rasch gebessert, toobei das gegenseitige Kennenlernen, der Austausch von Wirtschaftlern, Technikern, Zeitungsleuten und Künstlern eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Das auch die gemeinsame Vergangenheit in der Habsburgermonarchie und ein daraus resultierender Gleichklang in Lebensform und Tradition die Verständigung erleichtert, ist klar. Noch gibt es gewiß viele Punkte, wo das Verstehen schwierig ist. Ohne uns in die inneren Angelegenheiten unseres Nachbarn einmischen zu wollen, glauben wir doch, daß das Verständnis der westlichen Welt für Jugoslawien noch wesentlich gebessert werden könnte, wenn die aus einer überwundenep. Epoche stammenden Reste des Kirchenkampfes völlig liquidiert würden. Die Beziehungen zwischen Jugoslawien und dem sich zum Christentum bekennenden Teil des Abendlandes werden gewiß noch viel besser sein, wenn der Oberhirte des katholischen Bevölkerungsteiles nicht mehr im Gefängnis schmachtet.

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